Reichsstraße 1

Die Reichsstraße 1 (R 1) war bis 1945 als Staatsstraße des Deutschen Reiches die bedeutendste West-Ost-Straßenverbindung im Norden des damaligen Staatsgebietes, da die Reichsautobahn Berlin-Königsberg nicht fertiggestellt wurde. Während der nach 1945 westlich der Oder-Neiße-Grenze verbliebene Teil der R 1 im Artikel Bundesstraße 1 abgehandelt wird, befasst sich dieser Artikel speziell mit dem Abschnitt der Straße in Polen bzw. im russischen Kaliningrad-Gebiet und berücksichtigt auch die heutigen Gegebenheiten.
Allgemeines


Uralte Handels- und Postwege zwischen Berlin und der litauischen Grenze wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts abschnittsweise zu Chausseen ausgebaut, während die Eisenbahn, vor allem die Preußische Ostbahn, den Fernverkehr übernahm. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Fahrrad, Motorrad und das Automobil wichtige Verkehrsmittel, für die die Straßen ausgebaut werden sollten.
Im Jahre 1932 wurden geeignete Straßen zwischen Aachen, Berlin und Königsberg (Preußen) unter der Bezeichnung "Fernverkehrsstraße 1", ab 1934 "Reichsstraße 1“ zusammengefasst. Die 1392 Kilometer lange Reichsstraße 1 führte von der niederländischen Grenze bei Aachen über Berlin bis zum Polnischer Korridor in Westpreußen. Auf dem Gebiet des Korridors selber, dessen Rückgabe von deutschen Politikern immer wieder gefordert wurde, fasste man vorhandene Straßen zu einer hypothetischen R 1 zusammen, was auch als Empfehlung für Durchreisende diente. Auf ostpreußischem Gebiet führte die R 1 über Königsberg bis nach Eydtkuhnen (1938–1945: Eydtkau) an der Grenze nach Litauen.
Da die vielen Ortsdurchfahrten für Fernverkehr denkbar ungünstig sind, wurde auch eine Reichsautobahn Berlin-Königsberg geplant, und in den 1930er Jahren bis 1942 teilweise gebaut. Im Jahre 1939 nahm Hitler erneute Forderungen an Polen, unter anderem nach einer exterritorialen Autobahntrasse durch den Korridor zum Vorwand für den Polenfeldzug, mit dem der 2. Weltkrieg begann.
Der Ostabschnitt der R 1 verband die Provinzen Brandenburg, Pommern, Westpreußen und Ostpreußen. Heute verläuft die Trasse der alten Reichsstraße 1 durch die polnischen Woiwodschaften Lebus, Westpommern, Großpolen, Pommern und Ermland-Masuren sowie die russische Oblast Kaliningrad.
Küstrin–Landsberg
Der Verkehr, der von der heutigen Bundesstraße 1 kommend der Route der alten Reichsstraße 1 weiter folgt, passiert auf der Brücke über die Oder (polnisch: Odra) die seit dem 21. November 1992 geöffnete und 45 Jahre geschlossene Grenze zwischen der Deutschland und Polen. Mit Küstrin (Kostrzyn nad Odrą) erreichte die R 1, heute DK 22, den ostbrandenburgischen Landkreis Königsberg (Neumark), heute Powiat Gorzowski (Landsberg (Warthe)) in der Woiwodschaft Lebus. Nach der Querung der Bahnstrecke Stettin–Breslau folgte die R 1 allerdings nicht weiter der heutigen DK 22, sondern bog nordwärts auf die heutige DK 31 in Richtung Stettin und begegnet hier der ehemaligen Reichsstraße 112 nach Soldin (Myślibórz), Pyritz (Pyrzyce), Buchholz/Hohenkrug (b. Stettin) (Szczecin-Płonia/Struga).

Hinter der Brücke über die Warthe (Warta) wandte sich die R 1 ostwärts auf die heutige Woiwodschaftsstraße Droga wojewódzka 132 (DW 132). Hier überquerte sie noch innerhalb der Küstriner Stadtgrenze die Reichsbahnstrecke der Preußischen Ostbahn von Berlin über Schneidemühl (Piła), Dirschau (Tczew), Königsberg (Preußen) (Kaliningrad) bis Eydtkuhnen (Tschernyschewskoje), die bis zum Endpunkt der R 1 deren ständige Begleiterin ist. Der Weg der R 1 führte weiter in den ehemaligen Landkreis Landsberg (Warthe) (heutiger Powiat Gorzowski) und durch den nördlichen Warthebruch mit den Dörfern Tamsel (Dąbroszyn) und Blumbergerbruch (Mościczki) in die Kleinstadt Vietz (Witnica) unterhalb der Dolgenberge (Dołzyne). Weiter zog die R 1 ihre Bahn durch Dühringshof (Bogdaniec) und Loppow (Łupowo) und erreichte bei Wepritz (Gorzów Wlkp.-Wieprzyce) das heutige Stadtgebiet von Landsberg (Warthe) (Gorzów Wielkopolski).
In Landsberg endet heute die DW 132 genau an der Stelle, an der die alte R 1 die Reichsstraße 113 kreuzte, die von Linken über Stettin (Szczecin) und Soldin (Neumark) (Myślibórz) kommend als Droga krajowa 3 und Europastraße 65 weiter über Schwiebus (Świebodzin) nach Grünberg in Schlesien (Zielona Góra) führte.
Landsberg–Friedeberg–Woldenberg

Nach der Querung der R 1 mit der R 113 hat sie heute wieder die Bezeichnung DK 22, mit der sie ja bereits nach dem Grenzübergang in Küstrin wenige hundert Meter gemeinsame Strecke hatte. Südlich des heutigen Barlinecko-Gorzowski Park Krajobrazowy (Landschaftsschutzpark Berlinchen-Landsberg) verlaufend verließ die R 1 hinter Stolzenberg (Rożianki) den ehemaligen Landkreis Landsberg (Warthe), der beim Grenzflüsschen Zunze (Santoczna) in den Landkreis Friedeberg (Neumark) überging. Hier beginnt auch der heutige Powiat Strzelecko-Drezdenecki (Friedeberg-Driesen), in dem die R 1 zunächst durch Altenfließ (Przyłęg) führt. Von 1939 bis 1945 war hier auch die Grenze zwischen den Provinzen Brandenburg und Pommern. Nach sechs Kilometern hat die R 1 die Kreisstadt Friedeberg (Neumark) (Strzelce Krajeńskie) erreicht.

In ihrem weiteren Verlauf durch die Ortschaften Lichtenow (Licheń) und Lauchstädt (Ługi) erreichte die R 1 das alte neumärkische Städtchen Woldenberg (Dobiegniew) am Südufer des Großen Sees (Jezioro Wielgie) gelegen. Woldenberg ist seit dem Mittelalter Kreuzungspunkt der alten Handelsstraßen von Küstrin (Kostrzyn) nach Preußen (also der R 1) und von Stettin (Szczecin) nach Posen (Poznań). In der letzteren Richtung verläuft auch die 1847 eröffnete Strecke der Stargard-Posener Eisenbahn, die hier überquert wird.
Woldenberg–Schloppe–Deutsch Krone

Die R 1 führte von Waldenburg aus, weiterhin auf Spur mit der heutigen DK 22, nach Wolgast (Wołogoszcz), verließ dann den Landkreis Friedeberg (Neumark) und führte in den Landkreis Arnswalde. Bei Hochzeit (Stare Osiecno) ist der Dragepass erreicht. Die Drage (Drawa) bildete von 1368 bis 1772 die Grenze zwischen Brandenburg und Polen. Hinter der Dragebrücke durchlief die R 1 für einige Kilometer den Netzekreis mit dem Ort Wiesental (Przesieki), dann begann der Landkreis Deutsch Krone, der einst zur Provinz Westpreußen, danach zur Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen gehörte und von 1939 bis 1945 in die Provinz Pommern integriert war. Heute liegt dieser Abschnitt in den Woiwodschaften Lebus, Großpolen und Westpommern.
Die R 1 durchfuhr die Dörfer Zützer (Szczuczarz) und Schönow (Dzwonowo), die damals wie heute zum Landkreis Deutsch Krone bzw. Powiat Wałecki gehörten, und erreichte Schloppe (Człopa) am Desselfließ (Cieszynka). Nach zehn Kilometern traf die R 1 auf den Ort Ruschendorf (Rusinowo). Dort, wo heute die DW 179 in Richtung Piła (Schneidemühl) abzweigt, begann bis 1945 die Reichsstraße 123 und führte in Richtung Osten.

Jetzt sind es nur noch 16 Kilometer, die die R 1 über Neu Preußendorf (Prusinówko) und Stranz (Strączno)) vorbei am großen Radunsee (Jezioro Raduń) in die Kreisstadt Deutsch Krone (Wałcz) führen. Durch die Lage der Stadt an der alten Handelsstraße von Berlin nach Königsberg (Preußen) und nach dem Bau mehrerer Eisenbahnstrecken (nach Schneidemühl, Kallies (Kalisz Pomorski) und über Arnswalde (Choszczno) nach Stargard(Pommern) (Stargard Szczeciński) wurde sie Verkehrsknotenpunkt. In Deutsch Krone kreuzte die R 1 die Reichsstraße 104 (heutige DK 10), die aus der Hansestadt Lübeck kommend über Schwerin und Stettin auf dem Weg nach Schneidemühl ist. Außerdem zweigte hier die Reichsstraße 124 (die jetzige Droga wojewódzka 163) Richtung Norden ab und stellte eine Verbindung über Tempelburg (Czaplinek) und Belgard (Persante) (Białogard) bis nach Kolberg (Kołobrzeg) an der Ostsee her.
Deutsch Krone–Schlochau–Niesewanz

Weiter auf der heutigen DK 22 verließ die R 1 Deutsch Krone, überquerte bei Sagemühl (Ostrowiec) die Döberitz (Dobrzyca) und traf in Freudenfier (Szwecja) auf das Flüsschen Pilow (Piława), das heute die Grenze zwischen dem Powiat Wałecki (Deutsch Krone) und dem Powiat Złotowski (Flatow) sowie auch zwischen den Woiwodschaften Westpommern und Großpolen markiert.
Der Weg der R 1 führte weiter nach Marienbrück (Prądy), überquerte dort die Plietnitz (Płytnica) und traf wenige Kilometer vor Jastrow (Jastrowie) auf die Reichsstraße 160 (heutige DK 11), die von Schneidemühl (Piła) (seit 1939 auch von Kolmar (Westpreußen) (Chodzież)) kommend sich elf Kilometer mit der R 1 vereinte und sie bis in die Stadt Jastrow hinein begleitete. Gemeinsam überqueren sie die 1879 von der Preußischen Ostbahn eröffnete Strecke Posen (Poznań)–Schneidemühl–Neustettin (Szczecinek) und die Bahnstrecke Tempelburg (Czaplinek)–Wengerz (Węgierce).

Mit Jastrow, das als Jastrowie heute zum Powiat Złotowski (Flatow) gehört, verlässt nun die R 1 den letzten Ort im früheren Landkreis Deutsch Krone und durchfährt mit Flederborn (Podgaje) den einzigen Ort an der R 1, der zum Landkreis Neustettin gehörte. Hier nun biegt die R 160 nach Norden ab und führt über Neustettin, Bublitz (Bobolice) und Köslin (Koszalin) bis zum Ostseebad Kolberg (Kołobrzeg). Ab Jastrow wurde die R 1 von der Küddow (Gwda) begleitet, die dann nach 14 Kilometern im Dorf Landeck (Westpreußen) (Lędyczek) die Straße unterquert und hier das Flüsschen Dobrinka (Dobrzynka) aufnimmt. Noch 1830 war an der Straßenbrücke ein Zoll zu entrichten. In Landeck führt die Trasse der R 1 inzwischen Boden des ehemaligen Landkreises Schlochau und jenseits der Küddow beginnt heute ebenfalls nicht nur das Powiat Człuchowski (Schlochau), sondern auch die polnische Woiwodschaft Pommern.

Weitere Dörfer des Schlochauer Landes reihten sich nun an die R 1: Peterswalde (Cierznie), Heinrichswalde (Uniechów), Barkenfelde (Barkowo) und Christfelde (Chrząstowo). Nach Querung der alten Reichsbahnstrecke von Ruhnow (Runowo) über Neustettin (Szczecinek) nach Konitz (Chojnice) war die Kreisstadt Schlochau (Człuchów) erreicht. An der Stadtgrenze von Schlochau überquerte die R 1 die Bahnstrecke nach Rummelsburg (Pommern) (Miastko), bevor sie bei Niesewanz (Nieżywięć) an die zwischen 1920 und 1939 bestehende Grenze des Deutschen Reiches zum Polnischen Korridor stieß.
Niesewanz–Konitz–Dirschau

Niesewanz (Nieżywięć) ist ein kleines Dorf mit knapp 400 Einwohnern am Rande der DK 22 und ehemaliger Grenzort. Innerhalb des Polnischen Korridors war die R 1 bis 1939 eine nur „gedachte“ offizielle Reichsstraße. Die Kriegsumstände ließen eine Benennung zwischen 1939 und 1945 zu, als die R 1 durch das unter den Nationalsozialisten "Reichsgau Danzig-Westpreußen" genannte Gebiet verlief.
Mit Konitz (Chojnice), das nur 13 Kilometer von Schlochau entfernt liegt, war die Kreisstadt des Landkreises Konitz bzw. des Powiat Chojnicki erreicht, der vor 1920 zur Provinz Westpreußen gehörte und heute Teil der Woiwodschaft Pommern ist. Bei der Ausfahrt aus der Stadt überquerte die R 1 die Preußische Ostbahn und die Strecke Konitz–Berent (Westpreußen) (Kościerzyna). Auf ihrem weiteren Weg passierte die R 1 Jesiorke (Jeziorki) und bei Rittel (Rytel) die Brahe (Brda) mit dem Großen Brahe Kanal (Kanal Brdy), von wo aus es nur noch dreizehn Kilometer bis nach Czersk (1942–1945: Heiderode) im Norden des heutigen Tucholski Park Krajobrazowy (Tucheler Landschaftsschutzpark) sind. In Czersk wurde bereits 1827 die spätere Reichsstraße 1 gebaut. Auch diese Stadt liegt an der Strecke der Preußischen Ostbahn, die parallel zur R 1 verlief. In Czersk kreuzten diese Bahnlinie und die heutige Staatsbahnstrecke Nr. 215 (Bonk (Bąk)–Laskowitz (Laskowice)) die R 1, und wenige Kilometer weiter ostwärts bei Long (heute Łąg, 1942–1945: Schönhain) die Strecke von Gdingen (Gdynia) nach Groß Neudorf (Nowa Wieś Wielka).

Wieder ist es ein kleines Flüsschen, nämlich die Neckwarz (Niechwaszcz), die der R 1 den Wechsel einer anderen Landkreiszugehörigkeit signalisierte: bei Schwarzwasser (Czarna Woda) begann der westpreußische Landkreis Preußisch Stargard bzw. der heutige Kreis Starogard Gdański. Über Dombrowo (Dąbrowa) und Bitonia (Bytonia) erreichte die R 1 nach 16 Kilometern den Ort Hohenstüblau (Zblewo), um nach weiteren 14 Kilometern in die Kreisstadt Preußisch Stargard (Starogard Gdański) zu gelangen. In Preußisch Stargard überquerte die R 1 nicht nur das Flüsschen Ferse (Wierzyca), sondern auch die von der Ostbahn abzweigende Staatsbahnlinie Nr. 243 nach Skurz (Skórz).

Am Zdunyer See (Jezioro Zduńskie) vorbei verlief die R 1 durch Swaroschin (Swarożyn), dem künftigen Kreuzungspunkt mit der Autostrada A 1, bis nach Klein Watzmirs (Waćmierek) im ehemaligen Landkreis Dirschau und heutigen Powiat Tczewski, wo die R 1 nun nicht der aktuellen DK 22 folgte, sondern direkten Kurs auf Dirschau (Tczew) nahm. In Dirschau nun zweigte die Reichsstraße 2 von der R 1 ab und nahm ihren Weg über Danzig, Köslin und Stettin nach Berlin, wo sie am Alexanderplatz wieder auf die R 1 traf, kurze Zeit später noch einmal in Potsdam am Alten Markt, dann jedoch nicht westlich (wie die R 1), sondern südlich ihren Kurs über Leipzig und Nürnberg nach Mittenwald nahm. Heute ist der Kreuzungspunkt der Droga krajowa 22 (= R 1) mit der Droga krajowa 1 (= R 2) aus der Stadt heraus nach Süden hin verlagert. Auf der Dirschauer Weichselbrücke endete für die R 1 der Weg durch den Polnischen Korridor, sie verbleibt zwischen 1939 und 1945 aber weiterhin im Reichsgau Danzig-Westpreußen auf ihrem weiteren Weg nach Marienburg (Westpreußen) (Malbork).
Dirschau–Marienburg–Elbing

Nach der Überquerung der Weichsel in Dirschau (Tczew) bog die R 1 südwärts ab und bei Kniebau (Kończewice) trifft heute wieder die DK 22 auf die Trasse der ehemaligen Reichsstraße. Noch befindet sich die Straße im ehemaligen Landkreis Dirschau, aber schon im heutigen Powiat Malborski (Marienburg). Der Weg führt durch die Tiefebene des Großen Marienburger Werders (Wiekie Żulawy Malborskie) direkt nach Marienburg (Westpreußen) mit der altehrwürdigen Ordensburganlage.
In Marienburg kreuzte die R 1 die Reichsstraße 129 (heute DK 55), die von Steegen (Stegna) kommend über Marienwerder (Kwidzyn) nach Garnsee (Gareja) führte und - nach 1939 - weiter über Thorn (Toruń) nach Lodsch (heute Łódź, 1940–1945 Litzmannstadt). Außerdem traf die R 1 hier auf die Reichsstraße 144, die von Bütow (Bytów) in Pommern durch den Polnischen Korridor über Dirschau nach Marienburg führte, um dann Christburg (Dzierzgoń), Rosenberg (Westpreußen) (Susz) und Deutsch Eylau (Iława) und Löbau (Lubawa) zu verbinden. In Marienburg überquert die R 1 auch mehrere Bahnstrecken: die Strecke der Preußischen Ostbahn, die Nord-Süd-Strecke, die heute als Staatsbahnlinie Nr. 9 Danzig mit Warschau verbindet, und auch die Strecken nach Mohrungen (Morąg) und Allenstein (Olsztyn) bzw. nach Marienwerder (Kwidzyn)–Garnsee (Gardeja)–Thorn (Toruń).

Auf ihrem weiteren Weg durch den Landkreis Marienburg (Westpreußen) kam die R 1 durch das Dörfchen Altfelde (Stare Pole), um danach in den Landkreis Elbing (heutiger Powiat Elbląski) zu führen. Hierbei verlässt die Trasse der R 1 heute auch die Woiwodschaft Pommern und gelangt in die Woiwodschaft Ermland-Masuren, genauso, wie vor 1945 hier die Provinz Westpreußen in die Provinz Ostpreußen wechselte. Das erste Kleinstadt in der Region ist Fichthorst (Jegłownik), das im Tiefland des Elbinger Werders (Nizina Elbląski) liegt, die in der unmittelbaren Nähe zur Stadt Elbing (Ostpreußen) (Elbląg) liegt.
Elbing–Frauenburg–Braunsberg
Nach wenigen Kilometern erreichte die R 1 die Stadtgrenze von Elbing (Ostpreußen) (Elbląg). Hier bog sie von der heutigen DK 22 ab, die ihrerseits ihren Weg auf die alte, auch „Berlinka“ genannte und heute teilweise ausgebaute Reichsautobahn 3 lenkt. Die R 1 verlief jetzt kurz über die heutige DW 500, die ins Zentrum Elbings führt. Hier ist die Elbing (Elbląg) zu überqueren, ebenso die frühere Kleinbahnstrecke Elbing–Braunsberg (Braniewo) der Ostdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft.

In Elbing kreuzte die Reichsstraße 130 (Danzig–Osterode (Ostpreußen) (Ostróda)–Allenstein (Olsztyn)) (heute DK 7 und Europastraße 77) den Weg der alten R 1, die nun auf die Strecke der heutigen DW 504 einschwenkte und unterhalb der Elbinger Höhe (heute Landschaftsschutzpark "Krajobrazowy Wzniesienie Elbląskie") über Trunz (Milejewo) und Neukirch Höhe (Pogrodzie) ihren Weg Richtung Frauenburg (Frombork) nimmt. Die R 1 verlief nun parallel zum Frischen Haff (Zalew Wiślany) und traf wenige Kilometer nach der Grenze zum Landkreis Braunsberg (heutiger Powiat Braniewski) in Frauenburg das erste Mal direkt an die Küste.

Sechs Kilometer hinter Frauenburg kreuzte bei Stangendorf (Stępie) die Kleinbahnlinie Elbing–Braunsberg wieder die R 1. Diese erreicht nun die Kreisstadt Braunsberg (Braniewo), in deren Zentrum sie die DW 504 zugunsten der DK 54 verlässt. Die Passarge (Pasłęka) ist hier zu überqueren. Gleich hinter der Brücke zweigte die Reichsstraße 142 von der R 1 ab und zieht südostwärts über Bartenstein (Bartoszyce) in einem großen Bogen nach Wehlau (Snamensk), wo sie die R 1 dann wiedertraf.
Braunsberg–Heiligenbeil–Königsberg
In Braunsberg (Braniewo) schwenkt die Trasse der alten R 1 auf die jetzige DK 54 ein. Diese kommt von der alten Reichsautobahn 3 („Berlinka“) und trägt nun auch die Kennzeichnung als Europastraße 28. Hinter der Braunsberger Stadtgrenze überquerte die R 1 wieder einmal die Preußische Ostbahn und macht kurz nach der Einfahrt in den ehemaligen ostpreußischen Landkreis Heiligenbeil bei Grunau (Gronowo) Halt an der seit 1945 bestehenden Staatsgrenze zwischen Polen und der früheren Sowjetunion bzw. dem heutigen Russland. Seit Polens Beitritt zur Europäischen Union (EU) ist hier eine EU-Außengrenze.
Vier Kilometer hinter der Grenze überquerte die alte R 1 das Flüsschen Bahnau (Momonowka/Момоновка) und traf gleich dahinter in der ehemaligen Kreisstadt Heiligenbeil (Mamonowo/Мамоново) ein. Elf Kilometer von Heiligenbeil entfernt liegt das Städtchen Bladiau (Pjatidoroschnoje/Пятидорожное) an der R 1, und in gleicher Entfernung traf die Reichsstraße auf Ludwigsort (Laduschkin/Ладушкин), wo sie erneut die Preußische Ostbahn kreuzt.

Die R 1 erreicht jetzt - nach Frauenburg (Frombork) - zum zweiten Mal direkt die Küste am Frischen Haff, beim kleinen Dorf Brandenburg (Haff) (Uschakowo/Ушаково). Dort überquert die R 1 noch die Frisching (Prochladnaja/Прохладная), erreicht den ehemaligen Landkreis Königsberg (Preußen) und trifft in weniger als 20 Kilometern in der Stadt Königsberg (Preußen) (Kaliningrad/Калининград) ein. Durch die alten und neuen Vororte und Außenbezirke dieser Stadt bahnt sich die R 1 ihren Weg direkt ins Zentrum.
Im Stadtzentrum von Königsberg trifft die R 1 auf vier andere Reichsstraßen: die R 126 (heutige A 190 nach Groß Skaisgirren (Bolschakowo)), die R 128 (heutige A 191 bzw. A 195 nach Cranz (Selenogradsk) bzw. Preußisch Eylau (Bagrationowsk) und Ortelsburg (Szczytno)), die R 131 (heutige A 193 bzw. A 196 nach Pillau (Baltijsk) bzw. Nordenburg (Krylowo) und Arys (Orzysz)), sowie die R 143 nach Rauschen (Swetlogorsk)).
Königsberg–Wehlau–Insterburg

Der Verlauf der R 1 durch Königsberg ist nicht mehr ganz genau zu rekonstruieren: sie kam von Südwesten, durch das Brandenburger Tor überquerte dann über die Reichsbahnbrücke den Pregel (Pregolja/Преголя), dann über den Hansaplatz am Nordbahnhof vorbei in einem weiten Bogen nach Osten.
Bis nach Eydtkuhnen (Tschernyschewskoje/Чернышевское) verläuft nun, mit einigen Abweichungen, die russische Fernstraße A 229 auf der Trasse der ehemaligen R 1. Sie wird hier außerdem zweifache Europastraße: Europastraße 28 (das ist sie bereits seit Braunsberg (Braniewo)) und Europastraße 77 (diese wird in Danzig zugunsten einer Fährverbindung über die Ostsee bis nach Kaliningrad unterbrochen). Gleich nach der Stadtgrenze von Kaliningrad bog die alte R 1 von der nun breit und komfortabel ausgebauten A 229 ab und führte nördlich über die zum ehemaligen Landkreis Königsberg (Preußen) und zum heutigen Rajon Gurjewsk (Гурьевский район) gehörenden Dörfer Arnau (Marjino/Марьино) und Waldau (Preußen) (Nisowje/Низовье), bis sie nach etwa 17 Kilometern wieder auf die heutige A 229 traf.

Nach sieben Kilometern führte sie bei Schiewenau (Borskoje/Борское) im früheren Landkreis Wehlau südlich auf die Stadt Tapiau (Gwardeisk/Гвардейск) zu, die heute von der A 229 umfahren wird. Diese Stadt ist heute Sitz des nach ihr benannten Rajon Gwardeisk (Гвардейский район) und liegt wie die zehn Kilometer entfernte frühere Kreisstadt Wehlau (Snamensk/Знаменск) am Pregel (Pregolja/Преголя).

In Wehlau traf die R 1 auch wieder auf die Reichsstraße 142, die in Braunsberg (Braniewo) abzweigte und in einem südöstlichen Bogen nun hier die Pregelstadt erreicht. Ab vier Kilometer hinter Wehlau verläuft auf der alten R 1 wieder die neue A 229 bis nach Taplacken (Talpaki/Талпаки), einem kleinen Dorf im Pregelbruch. Hier zweigte die Reichsstraße 138 (die heutige A 216) und Europastraße 77 nach Norden in Richtung Tilsit (Sowjetsk/Советск) ab. Gleich hinter Taplacken überquerte die R 1 ein letztes Mal den Pregel, den sie aber noch weiterhin an der Nordseite begleitet. Über Norkitten (Meschduretschje/Междуречье) und Staatshausen (Podgarnoje/Подгарное) im ehemaligen Landkreis Insterburg war dann nach weniger als 30 Kilometern das Stadtzentrum von Insterburg (Tschernjachowsk/Черняховск)erreicht.
Insterburg–Gumbinnen–Eydtkuhnen

In Insterburg (Tschernjachowsk/Черняховск) begegnete die R 1 zwei Reichsstraßen: der Reichsstraße 137 nach Goldap (polnisch: Gołdap) und ab 1939 weiter bis Sudauen (Suwałki), und der Reichsstraße 139 nach Nordenburg (Krylowo/Крылово). In Insterburg kreuzte die R 1 auch die alte Reichsbahnstrecke und heutige Linie der Russischen Eisenbahn nach Tilsit (Sowetsk/Светск), Memel (litauisch: Klaipėda) und Bajohren (Kretinga). Die R 1 nahm nun ihren Weg über die Angerapp (Angrapa/Анграпа) und zweigt kurz hinter Kubbeln (Podduby/Поддубы), ehemals im Landkreis Gumbinnen, wieder von der heutigen A 229 ab, überquerte die Pissa und erreichte die Stadt Gumbinnen (Gussew/Гусев). Die fast 30.000 Einwohner zählende Stadt ist heute Verwaltungssitz für den Rajon Gussew (Гусевский район).
In Gumbinnen kreuzte die Reichsstraße 132 die R 1. Sie kam von Memel (litauisch: Klaipėda) über Tilsit (Sowetsk/Советск) (heutige A 198) und führte weiter nach Goldap (polnisch: Gołdap), Lyck (Ełk) und Prostken (Prostki). Wenige Kilometer nach Gumbinnen erreichte die alte R 1 wieder die heutige A 229, die als moderne Umgehungsstraße die Stadt umfahren hat. Südlich der Straße liegt das Dorf Trakehnen (Jasnaja Poljana/Ясная Поляна), das ehedem zum Landkreis Stallupönen, heute zum Rajon Nesterow (Нестеровский район) gehört. Trakehnen war bekannt durch sein legendäres Gestüt, deren Pferdekoppeln auch links und rechts der R 1 zu sehen waren. Heute befindet sich hier eine Kolchose.

Die R 1 verlief nun im Süden des so genannten Teufelsmoores und gelangte nach Stallupönen (1938-1945: Ebenrode, Nesterow/Нестеров), dem ehemaligen Zentrum des Landkreises Stallupönen (Ebenrode). Von Stallupönen sind es noch zwölf der seit Aachen insgesamt 1392 Streckenkilometer der R 1 bis zum Grenzort Eydtkuhnen (1938-1945: Eydtkau, Tschernyschewskoje/Чернышевское). Am Flüsschen Lepone endete bis 1945 das Deutsche Reich an der Grenze zu Litauen, die zwischen 1945 und 1991 eine Grenze zwischen zwei Republiken der Sowjetunion war und heute als EU-Außengrenze zwischen Litauen und Russland fungiert. Die alte Reichsstraße 1 endete hier, ebenso wie heute die russische A 229. Die Fortsetzung bildet die litauische A 7. Die Europastraße 28 führt auf dieser weiter nach Litauen und bis nach Minsk in Weissrussland.
Literatur
- Deutsches Kursbuch. Deutsche Reichsbahn. Ausgabe vom 21. Januar 1940 - Nachdruck: Bobingen, 1. Auflage 1988
- Straßenkarte Nr. PL 001: Polen.Westpommern.Stettin-Kolberg-Landsberg, Dietzenbach
- Straßenkarte Nr. PL 002: Polen., Dietzenbach Ostbrandenburg.Niederschlesien.Küstrin-Grünberg-Liegnitz, Dietzenbach
- Straßenkarte Nr. PL 003: Polen.Hinterpommern.Köslin-Stolp-Danzig, Dietzenbach
- Straßenkarte Nr. PL 004: Polen.Südliches Pommern.Netzebruch-Schneidemühl-Bromberg, Dietzenbach
- Straßenkarte Nr. PL 011: Polen.West-Ost-Preußen.Danzig-Elbing-Thorn, Dietzenbach
- Straßenkarte Nr. RS 001: Nördliches Ostpreußen mit Memelland.Königsberg-Tilsit-Gumbinnen.Калинингад овласть, Dietzenbach
- Übersichtskarte Nr. PL 777: Polen., Dietzenbach - ISBN 3-931103-39-0
- Patricia Clough, Aachen- Berlin - Königsberg. Eine Zeitreise entlang der alten Reichsstraße 1, München, 2007 - ISBN 978-3-421-04210-1
- Fritz R. Barran, Städteatlas Ostpreußen, Rautenberg, 1988