Visa-Affäre
Als Visa-Affäre werden die Missbrauchsfälle bei der Vergabe von Visa in verschiedenen deutschen Botschaften und Konsulaten im Zuge der Neufassung der Visavergabepraxis durch die rot-grüne Regierung bezeichnet. In einem Runderlass - meist als Volmer- oder Fischer-Erlass bezeichnet - hatte das Auswärtige Amt im Jahre 2000 die Auslandsvertretungen angewiesen, bei der Verteilung von Visa unbürokratischer zu verfahren. Der Kernsatz des Erlasses lautete: "Nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchsvisums. Wenn sich nach pflichtgemäßer Abwägung und Gesamtwürdigung des Einzelfalls die tatsächlichen Umstände, die für und gegen eine Erteilung des Besuchsvisums sprechen, die Waage halten, gilt: in dubio pro libertate - im Zweifel für die Reisefreiheit." Der Erlass, der im Oktober 2004 von Rot-Grün selbst zurückgenommen wurde, führte insbesondere in der deutschen Botschaft in Kiew zu einem erheblichen Anstieg der Erteilung von Visa.
Zu einer "Affäre", im Zuge derer Außenminister Joseph Fischer deutlich in persönlichen Umfragewerten zurückgefallen war, wurde die Neuregelung der Visa-Vergabepraxis aber erst, als Anfang 2005 zahlreiche Missbrauchsfälle bei der Vergabe von Visa in verschiedenen deutschen Vertretungen im Ausland bekannt wurden. Im Zuge der anschliessenden breiten Presseberichterstattung wurde Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, und Außenminister Joschka Fischer vorgeworfen, durch Verfahrens-Erlasse zur Visa-Vergabe indirekt Menschenhandel gefördert zu haben.
Auf Antrag der CDU/CSU setzte der Deutsche Bundestag Ende 2004 einen Untersuchungsausschuss ein, der klären soll, wer für die zehntausendfache Erschleichung von Visa zwischen 1999 und 2002 verantwortlich zeichnet. Während Union und FDP die Visa-Politik des Auswärtigen Amts verantwortlich machen, verweist Rot-Grün auf das Wirken krimineller Netzwerke als Ursache.
Allerdings zeigt die Rücknahme des Erlasses, dass die Bestimmungen selbst in Regierungskreisen später kritischer begutachtet wurden. Außenminister Fischer nahm bei seiner Vernehmung im Frühjahr die politische Verantwortung für die Vorgänge in den Auslandsvertretungen auf sich und gab zu, mindestens zwei Erlasse seines Ministeriums hätten den Missbrauch der Visa-Bestimmungen erleichtert. Ein Rücktrittsgrund sah er darin aber nicht.
Die Zeugenbefragung im Visa-Untersuchungsausschuss wurde erstmalig in der Parlamentsgeschichte live im Fernsehen übertragen.
Am 2. Juni 2005 hatte die rot-grüne Mehrheit im Ausschuss die Beweisaufnahme, mit dem Hinweis auf Zeitmangel aus Verfahrensgründen gegen den erklärten Willen der Opposition beendet. Gemäß § 33 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) muss der Ausschuss einen Sachstandsbericht erarbeiten, wenn absehbar ist, dass er seinen Untersuchungsauftrag nicht vor Ende der Wahlperiode erledigen kann. Wegen der geplanten vorgezogenen Wahl des Bundestages sei diese Situation nach Auffassung der Regierungsparteien eingetreten. CDU/CSU und FDP hatten wegen des Abbruchs der Beweisaufnahme das Bundesverfassungsgericht angerufen, da sie sich in ihren Minderheitenrechten verletzt sahen. Das zweite Karlsruher Senat ordnete in einer Eilentscheidung an, dass die Zeugenvernehmung zumindest so lange weitergehen müsse, bis die Auflösung des Bundestages auch tatsächlich erfolgt sei. Mit der einstimmigen Entscheidung der Verfassungsrichter, die die Minherheitsrechte in Untersuchungsausschüssen stärkt, setzte sich die Opposition mit ihrer Rechtsauffassung durch. Nun soll Innenminister Otto Schily wie geplant am 8. Juli im Ausschuss gehört werden.
Übersicht
Der Streit um die Visavergabepraxis begann zunächst regierungsintern. Innenminister Otto Schily hatte im März 2000 einen Protestbrief an den für den Erlass verantwortlichen Außenminister gerichtet, in dem er beklagte, sein Haus sei nicht eingebunden, nicht einmal informiert gewesen. Er, Schily, werde das im Kabinett vorbringen. Die Auseinandersetzung war nicht nur eine prozedurale, sondern vor allem auch eine inhaltliche. Im Innenministerium war der Erlass als teilweise rechtswidrig bewertet worden.
In einer breiteren Öffentlichkeit wurde die Visavergabepraxis der Regierung Schröder ab Februar 2004 diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt waren die unregelmäßigen Zustände um das Geländer der deutschen Vertretung in Kiew weit gehend bekannt. Oppositionelle Politiker kritisierten dies immer wieder, was in polemischer Form auch im Parlament Ausdruck fand:
- Michael Glos (CSU) meinte 5Mio. sich illegal aufhaltende Menschen betreiben Schwarzarbeit, Prostitution und Menschenhandel worauf er den Außenminister als „Zuhälter“ bezeichnete.
- Hans-Peter Uhl (CSU) nannte Ludger Volmer im Bundestag einen „einwanderungspolitischen Triebtäter“.
Auch hatte das Landgericht Köln einen Angeklagten wegen „bandenmäßiger Menschenschleusung“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und dabei überraschend auch offizielle Stellen in scharfen Worten kritisiert: Das Außenministerium habe den Straftaten durch „schweres Fehlverhalten Vorschub geleistet“, der Visa-Erlass sei ein „kalter Putsch gegen die bestehende Gesetzeslage“. Das Landgericht beklagte zudem, seine Arbeit sei durch das Auswärtige Amt planmäßig behindert worden, u.a. durch abgestimmte Aussagen. Ausweislich des Strafurteils beruhen diese Strafmaß-Milderungsgründe nicht auf eine Beweiserhebung des Landgerichts zur Visapraxis selbst, sondern auf Einlassungen des verurteilten Angeklagten und Presselektüre.
Von der oppositioneller Seite wurde die Thematik 2004 nicht weiter verfolgt. In zeitlicher Nähe zu den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wurde jedoch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beantragt und aufgrund des vorliegenden Minderheits-Quorums von 1/4 der Bundestagsmitglieder auch eingesetzt.
Ab Januar 2005 beschäftigte sich der von der Union eingesetzte Untersuchungsausschuss mit der Praxis der Visa-Erteilung, wobei der Erlass selbst - aufgrund der veränderten weltweiten Sicherheitslage - ab Herbst 2004 weitgehend außer Kraft gesetzt worden war. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Hans-Peter Uhl (CSU) ist umstritten. Seine Unparteilichkeit wurde wiederholt in Frage gestellt.
Fischer und Bündnis 90/Die Grünen sowie einige Medien argumentieren, dass Erleichterungen für die Einreise nach Deutschland aus Osteuropa schon von der konservativen Vorgängerregierung vorgeschlagen wurden und dass auch aus der CDU/CSU immer wieder Forderungen kommen, die Einreise - etwa für Geschäftsleute aus der Ukraine - zu erleichtern. Solche Forderungen seien auch aus dem parlamentarischen Raum (Bundestagsabgeordnete) und aus der Wirtschaft gekommen. Petitionen an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hätten ein Handeln, unabhängig davon, auch aus menschlichen Gründen nahe gelegt. Fünfzehn Jahre nach Fall des eisernen Vorhang wäre es Zeit gewesen, die Abschottung gegen osteuropäische Länder abzumildern.
Die Grünen warfen der CDU/CSU vor, mit dem Untersuchungsausschuss allein vor denLandtagswahlen eine Diffamierungskampagne zu führen, um ihnen, Fischer und der Bundesregierung auf Kosten des Ausländerrechts zu schaden. Mittlerweile räumt Joschka Fischer öffentlich Fehler ein. Er habe das Thema nicht „auf dem Radar“ gehabt und daher nicht schnell und umfassend genug reagiert.
Umgekehrt wird den Grünen vorgeworfen, die Missstände zu bagatellisieren und unsachgemäß auf die Kritik zu reagieren.
Bisher liegt kein kausaler Beweis vor, dass die Visa-Politik tatsächlich zu einem Anstieg von Kriminalität und illegalem Menschenhandel geführt hat.
Ein Effekt der Visa-Affäre ist ein deutliches Absinken der Popularität sowohl Fischers als auch der Grünen in den Umfragewerten.
Eine erste vorläufige Prüfung durch EU-Justiz-Kommissar Franco Frattini ergab, dass der Erlass vom März 2000 teilweise gegen die Schengen-Vereinbarung und damit gegen Europäisches Recht verstoßen habe. Weder die finanziellen Mittel noch der Rückkehrwille der Antragsteller seien hinreichend geprüft worden.
Eine rechtliche Einschätzung des Erlasses von Staatssekretär Chrobog vom 26. Oktober 2004, der die frühere Anweisung ersetzte, liegt nicht vor, da die Bewertung vom Kollegium aller Kommissare gebilligt werden müsse.
Hintergründe
1999
Durch die hohe Anzahl der Antragstellenden und mangelnde Ausstattung der Konsulate und Botschaften bildeten sich schon seit einigen Jahren lange Schlangen vor der Botschaft. Innerhalb der Botschaft sorgte der BGS für Ordnung, außerhalb dagegen ukrainische Sicherheitskräfte. Antragsteller berichteten, dass diese Sicherheitskräfte Geld von den Antragstellern verlangten, damit sie unbehelligt blieben. Sie verlangten zwischen 100 - 500 DM je nach Platz in der Warteschlange. Daraus entwickelte sich mit den Jahren ein regelrechtes System („Warteschlangen-Mafia“). Vor den Augen der machtlosen Botschaftsangehörigen hätten Mafia-Gestalten entschieden, wer gegen 50 Euro ein oder zwei Schritte in der Schlange vor der Visa-Stelle vorrücken durfte, so Fritz Grützmacher (pensionierter Visa-Bescheider). Ein Journalist fand heraus, dass die durchschnittliche Bearbeitungszeit für Visa, die in der Ukraine ausgestellt wurden, nur wenige Minuten betragen haben muss. 1999 stellte die Deutsche Botschaft in Kiew (Ukraine) alleine ca. 150.000 Dreimonats-Einreise-Visa aus. In den Jahren 2000 (ca. 210.000), 2001 (ca. 300.000) und 2002 (ca. 230.000) gab es eine signifikant erhöhte Zahl von Visaausstellungen in Kiew.
2000
Im März 2000 trat der so genannte Volmer-Erlass in Kraft. Nicht mehr bei jedem Zweifel an der Rückkehrbereitschaft des Antragstellers sollte eine Ablehnung erfolgen. Hielten sich die sonstigen Umstände für oder gegen Zweifel an einer zur Visum-Erteilung notwendigen Rückkehrbereitschaft die Waage, so der Geist der neuen Regelung, solle für die Reisefreiheit entschieden werden. Als Illustration war der Hinweis: „In dubio pro libertate - Im Zweifel für die Reisefreiheit“ zu verstehen. Das war der Kern der Regelung, den Botschafter a.D. Ernst-Jörg von Studnitz polemisch als „Umsetzung grüner Ideologie in praktische Politik“ bezeichnete.
Motiviert war der Erlass Volmer zufolge durch Missstände, beispielsweise die Versagung eines Visums für einen Patienten, der in Deutschland an einem Hirnturmor operiert werden mußte. In der Berichterstattung der Zeitungen war von größerer Kulanz (FAZ) oder von liberalerer Visaerteilung (Tagesspiegel) die Rede.
Bereits vor dem Erlass, noch unter der Regierung Helmut Kohl, war im Rahmen des Schengener Abkommens als Ausnahmeverfahren das sogenannte Reisebüroverfahren eingerichtet worden. Dadurch war es möglich, ein Visum über ein Reisebüro zu beantragen. Auf diese Weise sollte die Warteschlangen-Mafia bekämpft werden. Doch es tauchten auch bei diesem Verfahren einige Missbrauchsfälle auf. So wurde der Geschäftsführer eines Neu-Ulmer Reisebüros zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem nachgewiesen wurde, dass er Gruppenreisen mit fingierten Programmen beantragt und im Massenverfahren an die deutsche Botschaft in Kiew weitergeleitet hatte; das Gericht stellte zudem fest, dass die Eingereisten umgehend untertauchten, in andere Länder weiterreisten oder der Prostitution nachgingen. Sowohl der BGS als auch das BKA wandten sich später gegen dieses Verfahren der Visaerteilung.
Am 9. März 2000 schrieb Bundesinnenminister Otto Schily an Joschka Fischer, er sehe den Volmer-Erlass im Widerspruch zum Ausländergesetz und dem Abkommen von Schengen. Im Sommer 2000 zeigten sich auch andere Innenminister besorgt, die Sorgen wurden vom Auswärtigen Amt aber in einem Gespräch der Minister geklärt, weswegen Innenminister Schily nicht weiter intervenierte. Mehrere Warnungen durch frühere Innenminister an das Auswärtige Amt und die früheren Außenminister Genscher und Kinkel wurden von diesen schon damals nicht beachtet.
2001
Am 2. Mai 2001 wurde vom Auswärtigen Amt der Reiseschutzpass der Reiseschutz AG des privaten Unternehmers Kübler zugelassen. An die Auslandsvertretungen erging die Anordnung, diesen neben anderen zu akzeptieren. Diese Reiseschutzversicherung gab den Reisenden die Möglichkeit sich gegen eventuelle Risiken beim Reisenden zu versichern. Für solche Risiken (z.B. Krankheit, Kosten für Rückreise) musste sich die einladende Person verbürgen. Da sie dies oft nicht konnte, wurde die Idee einer Versicherung aufgenommen. Die Allianz AG trat bei diesem Reiseschutzpass als Versicherungsunternehmen im Hintergrund auf. Das Bundeskriminalamt unterrichtete das Innenministerium über die angeblich große Rolle, die die Reiseschutzversicherung bei der Schleusungskriminalität gespielt haben soll. Daraufhin akzeptierte das Auswärtige Amt diesen Reiseschutzpass ab etwa September 2002 nicht mehr. Es wird davon ausgegangen, dass bis dahin in der Ukraine ca. 35.000 Stück verkauft wurden.
Eine solche Reiseschutzversicherung war auch der Carnet de Tourist des ADAC, welcher bereits seit 1995 zugelassen war und sich insgesamt zwischen 120.000 und 150.000 mal verkaufte. Daneben gab es noch zwei weitere Anbieter solcher Reiseschutzversicherungen (ITRES GmbH und HanseMerkurReiseversicherung AG) mit geringeren Verkaufszahlen. Seit Oktober 2003 werden keine Reiseschutzversicherungen als Bonitätsnachweis akzeptiert.
Im Juli 2001 erklärte das Auswärtige Amt das Reisebüroverfahren zum 1. Oktober 2001 für beendet. Künftig musste jeder Antragsteller wieder persönlich bei der Visa-Stelle vorsprechen.
In einem Verfahren gegen Anatoli B. meinte die Kölner Strafkammer, der Volmer-Erlass, das Reisebüroverfahren und die Reiseschutzpässe hätten zu Masseneinschleusungen von Personen geführt.
2002 bis 2004
Ab 29. Januar 2002 durften per Erlass des Auswärtigen Amtes Reiseschutzversicherungen auch im Ausland direkt verkauft werden. Die Situation vor der Vertretung in Kiew spitzte sich zu. Fliegende Händler bieten die Reiseschutzversicherung für 1000 Dollar an.
Am 8. Februar 2002 meldete der Botschafter in Kiew, dass die Botschaft von Antragstellern mit Reiseschutzpässen „überrollt“ werde.
Ab April 2003 wurden Reiseschutzversicherungen nicht mehr anerkannt und am 28. Oktober 2004 wird der Volmer-Erlass revidiert. Die Bonität eines Einladenden muss wieder geprüft werden.
Regelwidrigkeiten bei der Visavergabe im Kosovo
Die Visa-Affäre bleibt nicht nur auf die Ukraine beschränkt. Im Jahre 2003 sollen Zehntausenden Kosovo-Albaner Dokumente ohne eingehende Prüfung erteilt worden sein (nach einem vertraulichen internen Inspektionsbericht des Auswärtigen Amtes). Bei einer Prüfung des Verbindungsbüros in Pristina Mitte Juli 2004 stellten drei Beamte schwere Mängel fest.
Bis Ende 2003 habe die Außenstelle der Botschaft Tirana eine „äußerst freizügige Vergabepraxis geübt“. Die Unterlagen der Antragsteller seien demnach „kaum geprüft“ worden und „in manchen Fällen wurden Visa selbst dann erteilt, wenn die Voraussetzungen erkennbar nicht gegeben waren“. In vielen Fällen wurde dem Antragsteller ein Visum erteilt, obwohl die Bonität des „Einladenden“ in Deutschland überhaupt nicht geprüft wurde. Zwischen Februar 2003 und Juni 2004 erteilte die deutsche Vertretung in Pristina mehr als 50.000 Visa.
Die deutsche Vertretung in Pristina ist die einzige Visumstelle eines EU-Mitgliedslandes. Alle sogenannten „Schengen-Visa“ wurden demnach von deutscher Seite aus erteilt. Die Beamten des Auswärtigen Amtes notierten: „Die Visa-Stelle wurde von Antragstellern regelrecht überrannt“. Die Verfasser des Berichts kritisierten, daß „rechtskonsularische Dienste“ auf dem Prioritätenkatalog des Verbindungsbüroleiters als „vierte und letzte Priorität“ angeführt wurde (nach der „kulturellen Zusammenarbeit“).
Auch sollen innerhalb der Botschaft korrupte Kräfte den Visa-Computer des Auswärtigen Amtes ausgetrickst haben: Auch wenn jemand auf einer Warnliste stand, bekam er in Pristina ein Visum ausgestellt - der Name des Antragstellers wurde einfach mit einer zusätzlichen Leerstelle eingegeben. Zwei daran mitwirkende Ortskräfte wurden außerdem vor ihrem Job in der Ständigen Vertretung in Deutschland wegen Körperverletzung polizeilich gesucht, was es den ermittelnden Beamten in der Visa-Affäre zusätzlich erschwerte, an Zeugenaussagen zu den Korruptionsvorwürfen zu kommen.
Visa-Untersuchungsausschuss
Am 20. Januar 2005 fand die erste Sitzung des Visa-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zum Thema statt. CDU-Obmann ist Eckart von Klaeden, der Joschka Fischer 2001 schon einmal in einem Untersuchungsausschuss gegenüberstand. Von Klaeden ersetzte den vorigen Obmann Jürgen Gehb.
Am 12. Februar trat Ludger Volmer als außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen und seinem Sitz im Auswärtigen Ausschuss zurück. Ebenso ließ er seine Mitarbeit bei der Synthesis GmbH ruhen. Ihm war Korruption vorgeworfen worden in Zusammenhang mit ungeklärten Zahlungen der Bundesdruckerei, welche an den Reisepässen verdient.
Der als Volmer/Fischer-Erlass bekannte Runderlass war nach Aussage Volmers von Mitgliedern aller Parteien sowie dreier Bundestagsausschüsse (Menschenrechtsausschuss, Petitionsausschuss und Auswärtiger Ausschuss) befürwortet worden. Motiviert war der Erlass Volmer zufolge durch Missstände, beispielsweise die Versagung eines Visums für einen Patienten, der in Deutschland an einem Hirnturmor operiert werden mußte. Wichtig für den Fortgang waren neben diesem Erlass zwei ältere Erlasse von 1999 (Erlass vom 02. September 1999 und der Plurez-Erlass vom 15.Oktober 1999) sowie weitere Runderlasse zur Reisekostenversicherung, die noch unter der Regierung Kohl von den Ministern Kanther und Kinkel auf den Weg gebracht wurden. Insbesondere diese Teile, auf denen der neue Erlass aufbaute, seien dann, so die Darstellung des Auswärtigen Amtes, missbraucht worden. Ob es durch den Erlaß zu einer Erhöhung von Straftaten kam, ist im Ausschuss umstritten. Sowohl der ehemalige Staatsminister Volmer als auch Bundesaussenminister Fischer bewerteten im Ausschuss mögliche Schäden durch eine Einschränkung von Reisefreiheit höher als diejenigen Schäden, die durch missbrauchte Visavergabe entstanden seien.
Der deutsche Außenminister Joschka Fischer sagte drei Tage nach Volmer am 25. April aus. Alleine zwei Stunden und 18 Minuten dauerte seine Eingangsrede. Anschließend wurde er von den Ausschussmitgliedern vernommen. Nach einer einstündigen Pause ging die Befragung des Ministers über zehn Stunden. Er warf der Union eine „unsägliche Skandalisierung und Propaganda“ vor, gestand jedoch selbst auch Fehler ein: Er sei über die Problematik des Erlasses, den er als Fischer-Erlass bezeichnet wissen will, nicht ausreichend informiert gewesen und habe zu spät reagiert. Die Aussage wurde überwiegend als Erfolg für Fischer gewertet, auch wenn Medienvertreter sich verwundert zeigten, wie wenig der Minister sein Haus im Griff gehabt habe. Fischer gab demzufolge ein unterschiedliches Bild ab: Er antwortete auf die Fragen der Union teils mit Detailwissen, teils gab er vor, sich an Einzelheiten - auch sehr entscheidende - nicht genau erinnern zu können. An seiner Verteidigunsstrategie war zudem ein prinzipieller Widerspruch kritisiert worden: Fischer gab auf der einen Seite an, er habe das Einwanderungsrecht grundlegend modernisieren wollen, auf der anderen Seite aber betonte er, die Instrumente seien alle bereits durch die Vorgängerregierung inauguriert worden.
Die Fragezeit der einzelnen Parteien im Visa-Untersuchungsausschuss richtet sich nach der „Berliner Stunde“ (62 Minuten), nach der die Redezeit für die einzelnen Fraktionen des Bundestages aufgrund des Stärkeverhältnisses der Bundesparteien festgelegt ist: der Union stehen 24 Minuten, der SPD 21 Minuten, den Grünen elf und der FDP sechs Minuten Fragezeit zur Verfügung.
Am 2. Juni 2005 beendete die rot-grüne Mehrheit die Beweisaufnahme mit der Kanzlermehrheit gegen die Opposition.
Siehe auch
Weblinks
- Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) i.d.F. der ersten Bekanntmachung im BGBl.
- Große Anfrage der CDU/CSU mit Antwort der Bundesregierung – PDF-Dokument
- Visa-Untersuchungsausschuss – Worum geht es? Vorwürfe und Antworten. – Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion
- „Organisierte Kriminalität“ – Die Visa Affäre – R-Archiv
- Chronologie der Visa-Affäre – www.tagesschau.de
- Wörterbuch zum Untersuchungsausschuss – www.faz.net
- Live-Übertragung des Untersuchungsausschusses über den Sender Phoenix
- Live-Übertragung des Untersuchungsausschusses über das Parlamentsfernsehen Deutscher Bundestag
- Wörterbuch zum Migrationsrecht / Chroborg-Erlass – www.Migrationsrecht.Net