KZ Buchenwald



Das Konzentrationslager Buchenwald war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden. Es wurde zwischen Juli 1937 und April 1945 auf dem Ettersberg bei Weimar als Arbeitslager betrieben. Nach der Befreiung 1945 wurde das Gelände von der sowjetischen Besatzungsmacht für ein Internierungslager genutzt (Speziallager Nr. 2).
Geschichte
Der erste Lagerkommandant war Karl Otto Koch. Seine zweite Frau Ilse Koch (1906-1967) wurde wegen ihrer Brutalität „Hexe von Buchenwald“ genannt. Buchenwald war kein Vernichtungslager mit regelrecht industrieller Vernichtung und Verwertung wie die großen KZs in Polen. Dennoch wurden viele Gefangene ermordet oder starben an den unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Manche Häftlingsgruppen wurden jedoch zur sofortigen Ermordung in der Genickschussanlage ausselektiert, wie etwa die sowjetischen Kriegsgefangenen. Außerhalb des eigentlichen eingezäunten Lagers gab es eine Gruppe Isolierbaracken für prominente Insassen, bekannt unter dem Namen Fichtenhain. Inhaftiert waren hier u. a. Léon Blum, Rudolf Breitscheid, Mafalda von Savoyen, Fritz Thyssen.
Medizinische Versuche
An Häftlingen wurden medizinische Versuche durchgeführt. An den Folgen starben die meisten qualvoll. Sie wurden mit Fleckfieber [1] infiziert, um Impfstoffe zu testen (Salzwasserversuche). Ebenso geschah es mit TBC-Erregern und dem Beifügen von Brandbombenverletzungen [2]. Da die Häftlinge auf engsten Raum zusammenlebten, breiteten sich Krankheiten schnell aus, und es kam zu Epidemien, die jedoch nicht behandelt wurden.
Diese Verbrechen wurden im Nürnberger Ärzteprozess (1946/1947) angeklagt. Beschuldigte waren u. a. der Abteilungsleiter für Tropenmedizin am Robert-Koch-Institut in Berlin Dr. med. Gerhard Rose für die Fleckfieberversuche an Sinti und Roma in Buchenwald[3] und der SS-Hauptsturmführer Dr. med. Waldemar Hoven, Lagerarzt des KZ Buchenwald.
Dokumentiert sind die Experimente in Buchenwald im Stationstagebuch von Dr. med. Erwin Ding-Schuler (SS-Hauptsturmführer), in Aussagen von europäischen Medizinern, die im KZ inhaftiert waren, sowie durch Berichte von Häftlingen wie dem österreichischen Soziologen und Philosophen Eugen Kogon, der 1946 unter dem Titel Der SS-Staat über das Leben in Buchenwald berichtete.
Die Publikation der vollständigen Dokumentation, der Wortprotokolle, des Anklage- und Verteidigungsmaterials erfolgte erst 1999 durch den Saur-Verlag München, die Analyse dazu lieferten 2001 Angelika Ebbinghaus/Klaus Dörner (Hg.): Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzteprozess und seine Folgen. Die Bundesärztekammer weigert sich, diese Edition finanziell zu unterstützen. Einzelspenden von 8000 Ärzten ermöglichen sie.
Organisierter Widerstand
In Buchenwald gelang es politischen Häftlingen in einem langen Kampf, Funktionsstellen im Lager zu übernehmen. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war die sogenannte Arbeitsstatistik, der Häftlingskrankenbau und der Lagerschutz.
In der Arbeitsstatistik wurde der Arbeitseinsatz der Häftlinge geplant, dort wurden aber auch Listen erstellt, welche Häftlinge in welches Außenlager sollten. So konnten z. B. gezielt zuverlässige Widerständler in das berüchtigste Lager Dora-Mittelbau eingeschleust werden. In den Stollen des Lagers konnte kaum ein Häftling länger als 6 Wochen überleben. Dennoch schafften es Häftlinge wie Albert Kuntz, dort eine Widerstandsorganisation aufzubauen, die gezielte Sabotage an den V2-Raketen verübte.
Im Häftlingskrankenbau konnten Häftlinge kurzfristig vor der SS versteckt werden, manchmal gelang es, dort einen Häftling, dessen Leben unmittelbar bedroht war, für die Akten sterben zu lassen und ihm die Identität eines wirklich Verstorbenen zu geben.
Die Stellung der Kapos war schwierig. Sie verminderten die Härten des Lagerlebens für die Häftlinge, gleichzeitig konnten sie nur bestehen, wenn auch die SS von ihrem Nutzen überzeugt war. So überzeugte der Kapo Robert Siewert die SS, polnische Kinder zu Maurern auszubilden, damit die vielfältigen Baumaßnahmen mit geeigneten Fachkräften schneller vorankämen. Damit wurden die Jungen vor dem sicheren Tod gerettet.
Bruno Apitz beschreibt in seinem Roman Nackt unter Wölfen das Leben und Sterben im Lager, den Versuch, sich zu organisieren und Kinder zu verstecken, die der sicheren Vernichtung ausgesetzt waren.
Internationales Lagerkomitee
Mit dem Eintreffen von politischen Häftlingen aus den vom deutschen Faschismus besetzten Ländern in Buchenwald entwickelten die deutschen Antifaschisten Kontakte zu den jeweiligen nationalen Gruppen. Daraus entstand im Juli 1943 das Internationale Lagerkomitee (ILK), das unter Leitung des deutschen Kommunisten Walter Bartel als illegales, konspiratives Zentrum der politischen Nazigegner den Widerstand im Lager organisierte. Gründungsort und Treffpunkt des ILK war ein abgeschirmter Raum im Häftlingskrankenbau. Im ILK waren in einem romanischen Sektor und einem slawisch-deutschen Sektor alle großen Nationen vertreten. Unter ihrer Leitung wurde eine Internationale Militärorganisation (IMO) gebildet.
Die Selbstbefreiung
Bruno Apitz berichtet auch, wie die illegale Lagerleitung es bewerkstelligte, dass sich das Lager tatsächlich mit den versteckten (und erbeuteten) Waffen selbst befreien konnte.
Im April 1945 begann die SS mit der „Evakuierung“ des Lagers. Vor allem Juden und sowjetische Kriegsgefangene wurden auf Todesmärsche geschickt.
Als man die herrannahende amerikanische Artillerie hörte, begannen die Häftlinge am 11. April 1945 den bewaffneten Aufstand. In vielen anderen Konzentrationslagern wurden die überlebenden Häftlinge noch in letzter Minute ermordet.
Als die Amerikaner in Buchenwald einmarschierten, stellten sie erstaunt fest, dass ihnen befreite Häftlinge entgegenkamen.
An die bewaffneten Aufständischen erinnert das weithin sichtbare Denkmal von Fritz Cremer, das zu DDR-Zeiten nach dem Abbruch des dort früher stehenden Bismarckturms errichtet wurde. Finanziert wurde die Errichtung der Gedenkstätte 1955 durch einen Spendenmarkenverkauf des Kuratoriums für den Aufbau nationaler Gedenkstätten.
Planungen für ein neues Deutschland
Schon während der Zeit der Naziherrschaft wurden von verschiedenen illegalen Komitees in Buchenwald Planungen für ein Nachkriegsdeutschland in Angriff genommen. Stellvertretend sei hier auf einen Entwurf von schulpolitischen Sofortmaßnahmen hingewiesen.
Nach der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald wurden von verschiedenen Gefangengruppen Resolutionen und Erklärungen erarbeitet.
- Das Buchenwalder Manifest von deutschsprechenden Sozialdemokraten und Sozialisten
- Eine Entschließung der KP Buchenwald
- Eine Erklärung des Volksfrontkomitees aus Sozialdemokraten, Kommunisten und Christen
- Zahlreiche Erklärungen und Manifestationen von anderssprachigen ehemaligen Häftlingen
- der Schwur von Buchenwald des Internationalen Lagerkomitees in vielen Sprachen.
Zur Trauerkundgebung des Internationalen Lagerkomitees für die Toten von Buchenwald am 19. April 1945 wurde der Schwur von Buchenwald von 21 000 Überlebenden abgelegt.
Opfer

Insgesamt waren etwa 250 000 Menschen aus allen Ländern Europas von Juli 1937 bis April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Die Zahl der Opfer wird auf etwa 56 000 geschätzt.
Bekannte Gefangene
- Jean Améry Schriftsteller
- Bruno Apitz (Roman: Nackt unter Wölfen)
- Rudi Arndt (nicht identisch mit dem 2004 verstorbenen Frankfurter Politiker)
- Bruno Bettelheim (Kinderpsychologe)
- Léon Blum (französischer Politiker)
- Willi Bleicher, IG-Metall-Bezirksleiter
- Dietrich Bonhoeffer, Evangelischer Theologe und prominentes Mitglied der Bekennenden Kirche
- Rudolf Breitscheid SPD-Reichtagsabgeordneter
- Hermann Louis Brill SPD-Reichstagsabgeordneter
- Emil Carlebach (Späterer Herausgeber der Frankfurter Rundschau)
- Hans Eiden, wichtige Rolle bei der Selbstbefreiung
- Alexander von Falkenhausen, General, Befehlshaber in Belgien
- Franz Leitner KPÖ
- Maurice Halbwachs, französischer Soziologe der Durkeimschen Schule, gestorben 1945 im Lager
- Max Hamburger Auf dem Bild untere Reihe 4. v. l., (auf dem Rücken liegend)
- Wilhelm Hammann Blockältester im Kinderblock, später Landrat von Groß-Gerau
- Curt Herzstark
- Werner Hilpert später Landesvorsitzender der CDU Hessen
- Heinar Kipphardt Dramatiker
- Eugen Kogon (Christlicher Publizist)
- Franz Koritschoner (erster Obmann der 1918 gegründeten österreichischen KP, umgekommen in Buchenwald)
- Walter Krämer, aus Siegen, Abgeordneter der KPD im preußischen Landtag
- Albert Kuntz (Preußischer Landtagsabgeordneter)
- Hans Litten (Jurist, Strafverteidiger, später verlegt ins KZ Dachau)
- Paul Morgan (Österreichischer Schauspieler und Mitbegründer des Kabarett der Komiker)
- Theo Neubauer
- Mafalda von Savoyen (Tochter des italienischen Königs Victor Emanuel III., umgekommen in Buchenwald)
- Paul Schneider („Prediger von Buchenwald“)
- Jorge Semprún (Schriftsteller, Friedenspreis des deutschen Buchhandels)
- Jura Soyfer (Schriftsteller, Dramatiker)
- Ernst Thälmann (Vorsitzender der KPD)
- Alexander Ulrych (polnischer Großkaufmann und Politiker)
- Ernst Wiechert (christlicher Schriftsteller, Roman Der Totenwald')
- Walter Wolf (KPD) (erster Thüringer Minister für Volksbildung nach der Befreiung vom Faschismus)
Mitglieder des illegalen Internationalen Lagerkomitees 1944/45
- Walter Bartel
- Ernst Busse
- Domenico Ciufoli
- Henri Glineur
- Jan Haken
- Otto Horn
- Kvetoslav Innemann
- Jan Izydorczyk
- Harry Kuhn
- Marcel Paul
- Otto Roth
- Nikolaj Simakov
- Heinrich Studer
- Rudi Supek
Durch illegales Lagerkommitee gerettete Kinder
Einige von hunderten Kindern, die gerettet wurden:
Literatur
- Bruno Apitz Nackt unter Wölfen (Roman) Aufbau Taschenbuchverlag ISBN 3746614201
- Emil Carlebach Tote auf Urlaub, ISBN 3891442750
- Emil Carlebach, Willy Schmidt, Ulrich Schneider: Buchenwald - Ein Konzentrationslager. Berichte - Bilder - Dokumente, 2. vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage, Bonn 2000, Pahl-Rugenstein-Verlag, ISBN 3-89144-271-8.
- Dobisch, Klaus, Widerstand in Buchenwald.
- Durand, Pierre, Les Francais à Buchenwald et Dora.
- Hartung, Hans-J., Signale durch den Todeszaun. Bericht über die Geschichte des illegal gebauten Senders.
- Hütt,Götz, Das Außenkommando des KZ Buchenwald in Duderstadt, 2005, ISBN 3-8334-2646-2.
- Kautsky, Benedikt, Teufel und Verdammte.
- Kühn/Weber, Stärker als die Wölfe. Dokumentation über den bewaffneten Aufstand.
- Eugen Kogon Der SS-Staat (Geschichte der Konzentrationslager, vor allem Buchenwalds) Heyne Verlag ISBN 345302978
- Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Buchenwald - Ein Konzentrationslager. Bericht der ehemaligen KZ-Häftlinge Emil Carlebach, Paul Grünewald, Helmut Röder, Willy Schmidt, Walter Vielhauer. ISBN 3-87682-786-8. Röderberg-Verlag.
- Pieck, Henri, Zeichnungen aus Buchenwald.
- Plojhar, Josef, Buchenwald mahnt.
- Poller, Walter, Arztschreiber in Buchenwald
- Salomon, Ernst von, Das Schicksal des A.D.
- Vogel, Prof. Dr. Hch., Der Prediger von Buchenwald.
- Ernst Wiechert Der Totenwald (Roman) Ulstein Taschenbuchverlag ISBN 3548240380
CD-ROM
- Willy Schmidt, Christoph Leclaire, Andrea Meschede, Ulrich Schneider: Buchenwald - Ein Konzentrationslager. Hrsg. von der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora, Bonn 2003, Pahl-Rugenstein Verlag, ISBN: 3-89144-335-8. Informationen zur CD-ROM
Filme
Siehe auch
- Liste der Konzentrationslager
- Liste der Außenlager von Buchenwald
- Holocaust
- Europäische Holocaustgedenkstätte in freier Trägerschaft der Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert