Gouvernement Livland

Das Gouvernement Livland (auch Gouvernement Riga) war eines der drei baltischen oder Ostseegouvernements des Russischen Reiches. Nach heutigen Begriffen umfasst es die Region Vidzeme in Lettland sowie die Südhälfte Estlands. Es grenzte im Norden an das Gouvernement Estland, im Osten an den Peipussee, der es vom Petersburger Gouvernement trennte sowie an das Gouvernement Pskow, im Südosten an das Gouvernement Witebsk, im Südwesten an Kurland und im Westen an den Rigaischen Meerbusen. Hauptstadt war Riga.
Es umfasste ein Areal von 47.028,5 km², wobei 2876 km² auf Inseln (vor allem Ösel (estn. Saaremaa) und Mohn (estn. Muhu) entfielen.
Das Gouvernement war in neun Kreise (Ujesd) eingeteilt:
- Dorpat (estn. Tartu)
- Fellin (estn. Viljandi)
- Ösel (estn. Saaremaa)
- Pernau (estn. Pärnu)
- Riga
- Walk (estn. Valga, lett. Valka)
- Wenden (lett. Cēsis)
- Werro (estn. Võru)
- Wolmar (lett. Valmiera)
Geschichte
Livland war eine der schwedischen Besitzungen, die mit dem Frieden von Nystad 1721 an das Russische Reich kamen. Die Adelsprivilegien und die Selbständigkeit der Lutherischen Amtskirche wurden von Peter I. bestätigt. Insbesondere die Livländische Ritterschaft blieb die dominierende Instanz im Land. 1819 kam es einer Bauernbefreiung, hiebei spielten die Ostseegouvernements eine Vorreiterrolle innerhalb Russlands. 1835 wurde das russische Gestzbuch eingeführt und die russische Amtssprache bevorrechtet. Eine ernsthafte Russifizierung wurde allerdings erst ab den 1880er-Jahren betrieben, insbesondere wurde das Russische 1884 zur alleinigen Amtssprache erklärt. Auch die lutherische Kirche wurde ab dieser Zeit benachteiligt. Es wurden orthodoxe Gotteshäuser gebaut und der orthodoxe Klerus versuchte vor allem die estnische und lettische Landbevölkerung zur Orthodoxie zu bekehren. In der Endphase des Ersten Weltkrieges von deutschen Truppen besetzt, wurde es 1919 zwischen die neu entstandenen Staaten Estland und Lettland aufgeteilt.
Statistik 1885
1882 hatte das Gouvernement 1.173.951 Einwohner (25 pro km²). Bei der Konfessionszugehörigkeit gab es 81,6% Protestanten, 13,4% Griechisch-Katholische, 2,4% Juden, 1% Römisch-Katholische. Der Rest kam auf Armenier, russische Kleinkirchen und Konfessionslose. Nach der Nationalität zerfiel die Bevölkerung in 42,72% Letten, 41,49% Esten, 7,87% Deutsche, 4,71% Russen, 2,14% Juden, 0,51% Polen.
Das Areal zerfiel in 18,5% Ackerland, 24,4% Wald, 41,5% Wiesen und Weideland und 15,6% Ödland. Die Bevölkerung war vorwiegend im Ackerbau beschäftigt, es wurde vorzugsweise Roggen (1880-1884 2, 2 Mio. Hektoliter), Gerste (1,6 Mio.), Hafer (2 Mio.), Lein und Kartoffeln (4,1 Mio.) angebaut, daneben auch in kleineren Mengen Weizen, Hanf und Buchweizen. Der Viehbestand war 1883: 485.000 Stück Hornvieh, 216.000 Schweine, 441.000 Schafe und 160.000 Pferde. Die Fischerei bildete einen bedeutenden Erwerbszweig, aus dem Meer kamen Breitlinge und Flundern, aus den Seen Stinte und aus den Flüssen Lachse. In industrieller Hinsicht nahm Livland einen hervorragenden Platz unter den russischen Gouvernements ein, es hatte 724 Fabriken mit 19.000 Arbeitern. Wichtige Industriezweige waren Destillerien, Brauereien, Sägewerke, Eisengießerei, Ölschlägerei, Korkfabrikation, Weberei und Papierfabrikation. Der Handel wurde hauptsächlich über den Hafen von Riga abgewickelt. Es gab 8 Banken im Gouvernement.
Livland hatte eine Universität in Dorpat (estn. Tartu) mit 1990 Studenten, ein Polytechnikum in Riga mit 1122, ein Veterinärmedizinisches Institut in Dorpat mit 150 Schülern, 37 Gymnasien mit 7137 Schülern, 265 Schulen anderen Typs mit 21.065 Schülern sowie 631 Landvolksschulen mit 98.524 Schülern. 24 Zeitungen und Zeitschriften erschienen im Gouvernement, meist deutschsprachig, aber einige auch lettisch- oder estnischsprachig.