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Sulpicia die Jüngere

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Sulpicia war der Name von zwei römischen Dichterinnen.

Bild einer jungen Frau mit Schreibgerät (ein Bild Sulpicias ist nicht bekannt)

1. Die ältere Sulpicia lebte zur Zeit des Kaisers Augustus, war die Tochter von Servius Sulpicius Rufus und Nichte von Marcus Valerius Messalla Corvinus, dem Politiker und Förderer der Literatur. Neben Tibull und Ovid gehörte auch Sulpicia dem Messallakreis an, der ein Zusammenschluss von Dichtern als Gegenstück zum Maecenaskreis darstellte. Ihre Verse, die mit denen von Tibull erhalten blieben und lange ihm zugeschrieben wurden (unter dem Decknamen "Pseudo-Tibull"), sind sechs elegische Gedichte an einen Geliebten, den sie Cerinthus nennt, vielleicht der von Tibull in zwei seiner Elegien angesprochene Cornutus (Buch ii., 2 und 3)."Cerinthus" war zu dieser Zeit ein für Sklaven üblicher Name, was darauf schließen lässt, dass die Liebschaft geheimgehalten wurde. Folgende Motive wurden außerdem von ihr bearbeitet: Der Liebende unter göttlichem Schutz, carpe diem, Elegische Lebensform im Kontrast, Krankheit des Geliebten, Absage an den Geliebten, Geburtstag, Reise des Geliebten, Lob der freien Liebe. Vergleicht man Sulpicias Verse mit denen der poetae novi so wirken sie möglicherweise etwas unbeholfen, aber dennoch sind sie als Gelegenheitspoesie einer Römerin nicht zu verachten.

I.Tandem venit amor, qualem texisse pudori quam nudasse alicui sit mihi fama magis.Exorata meis illum Cytherea Camenis adtulit in nostrum deposuitque sinum.Exsolvit promissa Venus: mea gaudia narret, dicetur siquis non habuisse sua.Non ego signatis quicquam mandare tabellis, ne legat id nemo quam meus ante, velim,sed peccasse iuvat, vultus conponere famae taedet: cum digno digna fuisse ferar

I.Endlich ist die Liebe gekommen, die zu bedecken mir einen Ruf von mehr Schamgefühl zuträgt, als sie irgendjemandem zu entblößen. Die angeflehte Venus hat durch meine Gedichte jenen gebracht und in meinem Schoß gelegt. Venus hat ihre Versprechen gehalten: Jener soll meine Freuden erzählen, wenn irgendjemand im Rufe steht keine eigenen <Freuden> gehabt zu haben. Ich würde nicht irgendetwas versiegelten Schreibtäfelchen anvertrauen wollen, damit nicht niemand vorher liest, als meiner, aber es erfreut zu sündigen, ich möchte als Würdige mit einem Würdigen gewesen zu sein gelten.

II.Invisus natalis adest, qui rure molesto et sine Cerintho tristis agendus erit.Dulcius urbe quid est? an villa sit apta puellae atque Arrentino frigidus amnis agro?Iam nimium Messalla mei studiose, quiescas, heu tempestivae, saeve propinque, viae!Hic animum sensusque meos abducta relinquo, arbitrio quamvis non sinis esse meo.

II.Der verhasste Geburtstag ist da, der traurig auf dem mühseligen Land verbracht werden muss ohne <meinen> Cerinthus. Was ist angenehmer als die Stadt? Oder soll die Villa passend sein für das Mädchen oder das eiskalte Flüsschen auf dem arretinischen Acker? Nun mehr sollst du Ruhe geben, allzu sehr um mich bemühender Messalla und oft um unpassende Reisen bemühter Onkel Messalla. Hier lasse ich zurück die Seele und meine Gefühle, weil ich geführt worden bin, weil du <mich> nicht nach meinem Willen leben lässt.

III.Scis iter ex animo sublatum triste puellae? natali Romae iam licet esse suo.Omnibus ille dies nobis natalis agatur, qui nec opinanti nunc tibi forte venit.

III. Weißt du, dass die traurige Reise aus dem Herzen des Mädchens genommen wurde? Nun mehr ist es der deinen erlaubt am Geburtstag <der deinen> in Rom zu sein. Jener Tag soll für uns alle festlich betrieben werden, der für dich nun durch einen unerwarteten Zufall gekommen ist.

IV.Gratum est, securus multum quod iam tibi de me permittis, subito ne male inepta cadam.Sit tibi cura togae potior pressumque quasillo scortum quam Servi filia Sulpicia:Solliciti sunt pro nobis, quibus illa dolori est, ne cedam ignoto, maxima causa, toro.

IV.Ich bin dir dankbar, dass du dir schon viel sorglos erlaubst in Bezug auf mich. Dass ich ja nicht plötzlich in schlechter Weise als Billige (als Unpassende) ins Wanken gerate. Es sollen dir die Togen und die durch den Wollkorb bedrängte Hure ehr zur Sorge gereichen, als Sulpicia, die Tochter von Servius: Besorgt um uns sind diejenigen, bei denen jener größte Grund zum Schmerz gereicht, dass ich ja nicht dem unbekannten Bett weiche.

V.Estne tibi, Cerinthe, tuae pia cura puellae, quod mea nunc vexat corpora fessa calor?A ego non aliter tristes evincere morbos optarim, quam te si quoque velle putem.At mihi quid prosit morbos evincere, si tu nostra potes lento pectore ferre mala?

V.Gibt es für dich, Cerinthus, eine aufrichtige Sorge um dein Mädchen, aufgrund der Tatsache, dass jetzt die Hitze meine müden Körperteile quält? Ah – ich möchte mir wünschen, die traurigen Krankheiten nicht in anderer Weise zu überwinden, als wenn ich glauben möchte, dass du <das> auch willst. Was soll es mir aber nützen die Krankheiten zu besiegen, wenn du mit Gleichmut unser Übel ertragen kannst?

VI.Ne tibi sim, mea lux, aeque iam fervida cura ac videor paucos ante fuisse dies,si quicquam tota conmisi stulta iuventa, cuius me fatear paenituisse magis,hesterna quam te solum quod nocte reliqui, ardorem cupiens dissimulare meum.

VI.Ich scheine nicht mehr für dich zu sein, mein Licht, als der Gegenstand von glühender Leidenschaft, wie ich es war, glaube ich, hierwenige Tage zuvor; wenn gemacht durch all meine Jugend verrückt,ich habe irgendeine Aktion begangen, die mir mehr Bedauern verursachtdass dich die letzte Nacht zu lassen ganz einzig,gierig, dass ich darin bestand, dich zu verbergen mein Verlangen.


2. Die jüngere Sulpicia lebte zur Zeit des Kaisers Domitian (81-96). Sie wird von Martial gelobt (x. 35, 38), der sie mit Sappho als Modell weiblicher Hingebung vergleicht. Sie schrieb einen Gedichtband, in dem sie mit bemerkenswerter Freiheit in der Sprache die Methoden beschreibt, die sie anwandte, um sich die Zuneigung ihres Ehemanns Calenus zu erhalten.

Ein erhaltenes Gedicht aus 70 Hexametern trägt ebenfalls ihren Namen. Es hat die Form eines Dialogs zwischen Sulpicia und der Muse Kalliope, und ist hauptsächlich ein Protest gegen die Verbannung der Philosophen durch das Edikt Domitians aus dem Jahr 94, die sie als Schritt zurück in die Barbarei sieht. Gleichzeitig drückt Sulpicia die Hoffnung aus, dass Calenus keinen Schaden nehmen werde. Die Muse beruhigt sie und prophezeit den Sturz des Tyrannen.

Heute besteht weitgehende Übereinstimmung, dass dieses Gedicht (das Manuskript wurde 1493 im Kloster Bobbio gefunden, war aber lange verschollen) nicht von Sulpicia stammt, sondern viel später entstanden ist, vielleicht im 5. Jahrhundert; nach anderer Ansicht ist es sogar eine Produktion des 15. Jahrhunderts und nicht einmal mit dem in Bobbio gefundenen Gedicht identisch.

Ausgaben

Literatur

  • die Monographie von J. C. Boot (1868)
  • Robinson Ellis in Academy, (Dec. ii, 1869) und Journal of Philology (1874), vol. v.;
  • Otto Ribbeck, Geschichte der römischen Dichtung (1892), Band 3;
  • H. E. Butler, Post-Augustan Poetry (1909), Seite 174-176;
  • M. Schanz, Geschichte der römischen Litteratur (1900), iii. 2;
  • Wilhelm Siegmund Teuffel Geschichte der römischen Litteratur