Thomaskirche (Leipzig)


Die Thomaskirche in Leipzig ist eine der zwei Hauptkirchen der Stadt und als Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs und des Thomanerchores weltweit bekannt.
Geschichte
Zwischen 1212 und 1222 wurde die ältere Marktkirche zur Stiftskirche des neuen Thomasklosters der Augustiner-Chorherren umgebaut. Der Minnesänger Heinrich von Morungen soll dem Thomaskloster anlässlich seines Eintritts eine Reliquie des Hl. Thomas geschenkt haben, die er aus Indien mitbrachte. Reste des romanischen Baus kamen bei archäologischen Grabungen zu Tage. Nach dem fast vollständigen Neubau am 10. April 1496 durch den Merseburger Bischof Thilo von Trotha erneut geweiht ist die Thomaskirche im Wesentlichen ein Werk im spätgotischen Stil. Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr die Kirche einige Zusätze und Umbauten; am bedeutendsten ist dabei der achteckige Turm im Stil der Renaissance.
Zu Pfingsten 1539 predigte hier der Reformator Martin Luther.
Beim Luftangriff am 4. Dezember 1943 entstanden Schäden am Turm. Anlässlich des Bachjahres 1950 wurden die Gebeine Bachs, der hier von 1723 bis zu seinem Tode 1750 Thomaskantor war, aus der zerstörten Johanniskirche überführt.
Der Thomanerchor wurde 1212 gegründet und ist somit einer der ältesten Knabenchöre Deutschlands. Im Laufe der Geschichte bekleideten immer wieder bedeutende Komponisten und ausübende Musiker das angesehene Amt des Thomaskantors.
Vor dem Seiteneingang der Thomaskirche steht ein Denkmal für Johann Sebastian Bach des Bildhauers Carl Seffner aus dem Jahre 1908. Ein weiteres Bach-Denkmal, das mit Unterstützung Felix Mendelssohn Bartholdys 1843 geschaffen wurde, befindet sich in den Grünanlagen vor dem Haupteingang, ebenso ein Denkmal für Mendelssohn.
Architektur
Die Gesamtlänge der Kirche beträgt 76 m, die Länge des Hauptschiffes 50 m, dessen Breite 25 m und dessen Höhe 18 m. Das Dach hat einen ungewöhnlich steilen Neigungswinkel von 63°. Im Inneren verfügt es über sieben Ebenen (Firsthöhe 45 m). Der Turm hat eine Höhe von 68 m.
Die Decke des Langhauses besteht aus einem farblich abgesetzten Kreuzrippengewölbe. Darüber findet sich eines der steilsten Giebeldächer Deutschlands mit einer Giebelhöhe von 43 Metern und einem Neigungswinkel von 63°.
Innenraum und Ausstattung

Pauliner-Altar
Der gotische Hochaltar befand sich ursprünglich in der Universitätskirche St. Pauli. Diese wurde 1968 gesprengt. Der Altar konnte gerettet werden und wurde hier 1993 aufgestellt.
Epitaphe
In der Kirche befinden sich zahlreiche Epitaphe, darunter das spätgotische Epitaph des Ritters Hermann von Harras aus Lichtenwalde.
Orgeln
Die Thomaskirche verfügt heute über zwei große Orgeln. Die ältere ist ein romantisches Instrument von Wilhelm Sauer aus den Jahren 1885 bis 1889. Ursprünglich verfügte diese Orgel über 63 Register, deren Zahl 1908 auf 88 Register erhöht wurde, die sich auf drei Manuale und Pedal verteilen. Sie gilt als ideal zur Darstellung der Orgelmusik Max Regers. Da sich auf diesem die Bach'schen Werke nur sehr eingeschränkt wiedergeben lassen, wurde von der Fa. Gerald Woehl im Bachjahr 2000 an der Nordwand eine weitere Orgel fertiggestellt, deren Klang barocke Orgelmusik authentischer wiedergibt. Einzigartig ist die Möglichkeit, mittels eines Hebels von Chorton auf Kammerton umzustellen. Seit 2006 wird die Kirche durch eine Truhenorgel für das Continuo-Spiel bereichert, die ebenfalls aus der Werkstatt Gerald Woehl stammt.
Vorgängerinstrumente
Bereits für das 14. Jahrhundert ist eine Orgel bezeugt. 1489 wird eine „Kleine Orgel“ schriftlich erwähnt. Auf der Westempore wurde 1511 eine große Orgel gebaut, die 1601 durch ein dreimanualiges Instrument von Johann Lange (Kamenz) ersetzt wurde. Auf einer neuen Orgel aus dem Jahr 1773 spielte Mozart am 12. Mai 1789. Diese Orgel wurde 1889 durch ein Instrument von Sauer ersetzt. 1639 wurde eine Schwalbennestorgel auf einer neuen Empore über dem Triumphbogen gebaut, 1740 aber abgetragen. Auf der Nordempore wurde 1967 eine Schuke-Orgel errichtet, die dem Neubau von Woehl weichen musste.
Sauer-Orgel

Disposition seit 1908
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- Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P.
- Spielhilfen: Mezzoforte, Forte, Tutti, Rohrwerke, Piano-, Mezzoforte-, Forte- und Tuttipedal mit Absteller, Handregister ab drei frei einstellbare Kombinationen, Rollschweller mit Absteller.
Technische Daten
- 88 Register
- Traktur:
- Ton- und Registertrakur: Röhrenpneumatik
- Stimmung:
- Höhe a1= 440 Hz.
- Gleichstufig
Woehl-Orgel
Disposition seit 2000
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- Koppeln: III/II, IV/II, II/P, III/P.
- Tremulant für das ganze Werk
- Glockenspiel
- Zwei Zimbelsterne
- Vogell Geschrey
Technische Daten
- 61 Register
- Etwa 5.000 Pfeifen
- Windversorgung:
- Vier Keilbälge
- Stimmung:
- Höhe a1= 465 Hz (Kammerton) oder a1= 415 Hz (Chorton)
- ungleichstufig (nach Neidhardt)
- Kammerkoppel für das ganze Werk
- Tonumfang Chorton: Manuale C–f3, Pedal C–f1
- Tonumfang Kammerton: Manuale CD–f3, Pedal CD–f1
Glocken
Vier Glocken hängen im Turm der Thomaskirche. Die größte Glocke ist die Gloriosa und läutet nur an hohen Festtagen. Theodericus Reinhard goss sie im Jahre 1477 mit einem Gewicht von 5.200 kg bei einem Durchmesser von 204 cm. Ihr Schlagton ist a0. Die zweitgrößte Glocke ertönt im Schlagton c1 und wurde 1574 von Wolf Hilliger gegossen. Die Mönchs- oder Beichtglocke ist die drittgrößte Glocke im Schlagton d1. Jakob König hat sie im Jahre 1634 gegossen; sie dient auch als Stundenglocke. Die vierte Glocke läutet zum Gebet. Sie wurde 1585 von Christophorus Gros gegossen und erklingt auf d2. Die Singfreudigkeit des Geläuts wird durch die Aufhängung an verkröpften Stahljochen stark beeinträchtigt. Separat in der Turmlaterne hängt eine Schlagglocke für die Viertelstunden, die von der Glockengießerei Schilling in Apolda nach dem Vorbild der Vorgängerin von 1539 gegossen wurde.

Ort der Musik
In der Thomaskirche treten regelmäßig der Thomanerchor und das Gewandhausorchester auf. Freitags um 18.00 Uhr, Samstags um 15.00 Uhr in der Motette und Sonntags im Gottesdienst um 9.30 Uhr. Zu besonderen Anlässen und Festtagen werden Thomaskonzerte vorwiegend mit Werken von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy aufgeführt.
In der Kirche wurden viele Werke Johann Sebastian Bachs uraufgeführt. Nachdem Bachs Werke in Leipzig weitgehend in Vergessenheit geraten waren, begann Mendelssohn damit, sie wieder aufzuführen und begründete damit die Tradition der Leipziger Bachpflege.
Auch einige Werke anderer Komponisten wurden in der Thomaskirche uraufgeführt, beispielsweise die 2. Sinfonie Lobgesang von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Literatur
- Carl Niedner: Das Patrozinium der Augustiner-Chorherren-Stiftskirche St. Thomae zu Leipzig. Untersuchungen zur Frühgeschichte der Bach-Kirche und der Leipziger Altstadt. VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1952.
- Gunter Hempel: Episoden um die Thomaskirche und die Thomaner. Tauchaer Verlag, Taucha 1997, ISBN 3-910074-67-7.
- Stefan Altner: Thomanerchor und Thomaskirche. Historisches und Gegenwärtiges in Bildern. Tauchaer Verlag, Taucha 1998, ISBN 3-910074-84-7.
- Martin Petzoldt: St. Thomas zu Leipzig. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2000, ISBN 3-374-01842-4.
- Christian Wolff: Die Thomaskanzel. Orientierung zwischen Zweifel und Gewissheit. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004, ISBN 3-374-02122-0.
- Christian Wolff (Hrsg.): St. Thomas Church in Leipzig. A Place of Faith, Spirit and Music. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004, ISBN 3-374-02190-5.
- Christian Wolff (Hrsg.): Die Thomaskirche zu Leipzig. Ort des Glaubens, des Geistes, der Musik. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004, ISBN 3-374-02169-7.
- Christian Wolff (Hrsg.): Die Orgeln der Thomaskirche zu Leipzig. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2005, ISBN 3-374-02300-2.
Weblinks
Koordinaten: 51° 20′ 21,5″ N, 12° 22′ 21,3″ O