Sonderbundskrieg

Der Sonderbundskrieg war ein Bürgerkrieg in der Schweiz. Er dauerte vom 3. November bis zum 29. November 1847, also nur 27 Tage, und war die bisher letzte militärische Auseinandersetzung auf Schweizer Boden.
Anlass
Anlass für den Krieg war die Gründung des Sonderbundes durch katholische Kantone zur Abwehr der von den liberalen Ständen geduldeten Freischarenzüge gegen die konservative katholische Schweiz, und Folge der Auseinandersetzung zwischen der liberalen (protestantischen Schweiz), die zuweilen verfassungswidriges Handeln zum Erreichen ihrer Ziele duldete, und der jeder Fortentwicklung völlig abgeneigten konservativen Schweiz.
Vorgeschichte
Die Badener Artikel
1834 hatten die Kantone Luzern, Bern, Zug, Solothurn, Baselland, St. Gallen, Aargau und Thurgau in einer Konferenz zu Baden am 20. Januar 1834 ein Konkordat aufgestellt, die sogenannten Badener Artikel, um die Rechte des Staats gegenüber der katholischen Kirche zu wahren. Dasselbe wurde aber in St. Gallen 1835 durch die klerikale Agitation bei der Volksabstimmung zu Falle gebracht, und auch Bern trat 1835 infolge der Erregung im katholischen Jura von demselben zurück.
Putsch in Zürich
In Zürich kam es zu einer konservativ-reformierten Auflehnung gegen die liberale Regierung, als der Verfasser des Lebens Jesu, David Friedrich Strauß, 1839 an die neu gegründete Hochschule berufen wurde: Ein Bauernhaufe rückte am 6. September in die Stadt und erzwang den Sturz der liberalen und die Einsetzung einer konservativen Regierung.
Konservative Wende in Luzern
In dem bisher freisinnigen Luzern erlangten die von Joseph Leu und Siegwart Müller geführten Ultramontanen am 1. Mai 1841 bei einer von ihnen ins Werk gesetzten Verfassungsrevision den vollständigsten Sieg. Ermutigt durch diese Erfolge, forderten die Ultramontanen von der Tagsatzung, daß Aargau gezwungen werde, die im Januar 1841 aufgehobenen Klöster des Kantons (siehe Aargauer Klosterstreit) wiederherzustellen, und als sich die Tagsatzung am 31. August 1843 mit dem Anerbieten Aargaus, die vier Frauenklöster herzustellen, zufrieden erklärte, vereinigten sich die Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Wallis und Freiburg im September 1843 zu dem Beschluß, sich von der Eidgenossenschaft zu trennen, wenn die Aargauer Klöster nicht wiederhergestellt würden.
Berufung der Jesuiten und Freischarenzug
Die gewaltsame Niederwerfung der Liberalen in Wallis durch die Ultramontanen und die Berufung der Jesuiten an die höhern Lehranstalten von Luzern steigerten den Parteihaß aufs höchste. Im Vertrauen auf Freischaren aus andern Kantonen versuchten die Luzerner Radikalen am 8. Dezember 1844 die klerikale Regierung mit Gewalt zu beseitigen; das Unternehmen scheiterte kläglich und wurde von den Ultramontanen benutzt, um durch Einkerkerungen, Verbannungen und Gütereinziehungen ihre Gegner zu vernichten. Ebenso wurde ein Angriff von Freischärlern unter dem frühern Luzerner Regierungsrat Steiger und dem Berner Ulrich Ochsenbein auf Luzern am 31. März 1845 blutig zurückgewiesen und auf der Flucht 104 Freischärler erschlagen, gegen 1800 gefangen genommen.
Der Sonderbund
Die Furcht vor weitern Freischarenzügen und die Ermordung Leus durch einen Freischärler veranlaßten die ultramontanen Kantone, denen sich Wallis anschloß, im Dezember 1845 einen förmlichen Sonderbund abzuschließen und denselben zum etwanigen Widerstand gegen "unbefugte" Bundesbeschlüsse militärisch zu organisieren.
Die Reaktion der Liberalen
Sobald die Existenz und der Inhalt des anfangs geheim gehaltenen Bündnisses bekannt wurde, beantragte Zürich im Sommer 1846 bei der Tagsatzung, dasselbe für unverträglich mit den Bestimmungen der Bundesakte und für aufgelöst zu erklären, erlangte aber erst, nachdem in Genf und St. Gallen die liberale Partei zur Herrschaft gekommen war, im Juli 1847 die Mehrheit. Dieselbe, aus zwölf ganzen und zwei halben Kantonen bestehend, beschloß nicht bloß die Auflösung des Sonderbundes, sondern auch eine Bundesrevision und die Ausweisung der Jesuiten. Da die sieben Sonderbundskantone, auf Österreichs und Frankreichs Hilfe vertrauend, allen Mahnungen und Vermittlungsversuchen unzugänglich blieben und eifrig rüsteten, entschied sich die Tagsatzung zu Bern am 4. November 1847 zur Anwendung von Waffengewalt.
Kriegshandlungen
Eine eidgenössische Armee von fast 100 000 Mann unter dem Obersten Henri Dufour - bestehend aus den übrigen Kantonen mit Ausnahme von Appenzell-Innerrhoden und Basel-Stadt, die beide neutral blieben - zwang Freiburg und Zug zur Kapitulation, vertrieb die vom Obersten Salis-Soglio befehligten Sonderbundstruppen am 23. November aus ihren verschanzten Stellungen bei Luzern und zog in diese Stadt ein. Nun unterwarfen sich auch die Waldstätten und Wallis, und noch vor Ende November war der Sonderbund aufgelöst. Es war ein schneller und relativ unblutiger Sieg; insgesamt gab es nur etwas über 100 Todesopfer.
Folgen
Die Verfassungen und Regierungen in den besiegten Kantonen wurden verändert und denselben die Kriegskosten auferlegt. Der Ausgang des Kriegs entschied auch den Sieg der Bundesrevision. Eine Kollektivnote Österreichs, Preußens, Frankreichs und Rußlands vom 18. Januar 1848 erklärte allerdings, daß diese Mächte keine Veränderung der Bundesakte von 1815 zulassen würden, die mit der Kantonalsouveränität in Widerspruch stehe. Die Tagsatzung wies indes mit Entschiedenheit diese Einmischung zurück, welche infolge der Februarrevolution zu Boden fiel, und beschloß nach dem Muster der USA die in ihren Grundzügen noch jetzt bestehende Verfassung, welche die Schweiz aus einem losen Staatenbund in einen fester gefügten Bundesstaat umwandelte.
Die Verfassung von 1848
Dem Bund wurden das ausschließliche Recht über Krieg und Frieden, der Verkehr mit dem Ausland, das Zoll-, Post- und Münzwesen, Maß und Gewicht, die Organisation des Bundesheers, der höhere Militärunterricht, die Garantie republikanisch-demokratischer Kantonalverfassungen, der politischen Rechtseinheit, der Glaubensfreiheit, der Presse- und Vereinsfreiheit usw. übertragen.
An Stelle der Tagsatzung trat eine in ihrer Stimmabgabe freie Bundesversammlung, bestehend aus der Vertretung der Kantone (Ständerat) und der des Schweizer Volkes (Nationalrat), an Stelle des bisherigen wechselnden Vorortes als höchste vollziehende Behörde ein ständiger Bundesrat von sieben Mitgliedern, von denen der den Vorsitz führende den Titel Bundespräsident erhielt; ebenso wurde ein Bundesgericht eingesetzt.
Nachdem 15½ Kantone mit 1 897 887 Seelen gegen 6½ verwerfende mit 292 371 Einwohnern die neue Verfassung angenommen, erklärte die Tagsatzung dieselbe am 12. September 1848 als zu Recht bestehend und löste sich auf. Die erste Bundesversammlung trat am 6. November in Bern, das zum Bundessitz bestimmt wurde, zusammen und wählte den ersten Bundesrat.
Die Gründung des Bundesstaates erwies sich als geeignetes Mittel, um nach und nach auch die katholisch-konservativen Stände in die moderne Schweiz zu integrieren.