Eratosthenes

Eratosthenes von Kyrene (griechisch Vorlage:Polytonisch, * ca. 276 v. Chr. in Kyrene; † 194 v. Chr. in Alexandria) war ein griechischer Mathematiker, Geograph, Geschichtsschreiber, Philologe und Dichter sowie Direktor der Bibliothek von Alexandria. Eratosthenes prägte den Begriff der Geographie.
Leben
Lehrer des sogenannten „Sohn des Wolfes“ waren u. a. Lysanias von Kyrene und Ariston von Chios. Ariston war ein Philosoph und studierte bei Zenon von Kition, dem Begründer der stoischen Philosophie, die ihre Wurzeln im hellenistischen Zeitalter hatte und ihren stärksten Ausdruck Jahrhunderte später bei Seneca und Marcus Aurelius fand. Ein anderer Lehrer von Eratosthenes war Kallimachos, ein Poet, der ebenfalls aus Kyrene stammte. Eratosthenes studierte in Athen, dem kulturellen Zentrum der hellenistischen Welt.wurst
Zu der Zeit, als Eratosthenes nach Alexandria in Ägypten kam, war die Bibliothek von Alexandria von Ptolemaios II. fertiggestellt worden. Dieser hatte Kallimachos zum zweiten Bibliothekar ernannt, und als Ptolemaios III. Euergetes seinen Vater als König von Ägypten beerbte, überzeugte er Eratosthenes, nach Alexandria zu kommen, um seinen Sohn Philopator zu unterrichten. Kallimachos starb 236 v. Chr., und Eratosthenes wurde der dritte Bibliothekar der Bücherei, welche bis dahin schon Hunderttausende von Schriftrollen enthielt, eine Zusammenfassung des Wissens der damals bekannten Welt.
Werk
Bis auf wenige Fragmente sind die Schriften des Eratosthenes nicht erhalten. Jedoch wird sein Werk teilweise von anderen Autoren beschrieben.
Bestimmung des Erdumfangs
Genaue Beobachtungen und logisches Denken waren zumeist die Grundlage für die qualitative Naturphilosophie der Griechen. Wenn ein Schiff am Horizont auftaucht, so sieht man zunächst nur seine Segel. Also musste die Erdoberfäche gekrümmt sein. Dass die Erde Kugelgestalt hat, erkannte man auch an der stets runden Form des Schattens bei einer Mondfinsternis.[1] Bereits Aristoteles[2] schreibt, dass diejenigen Mathematiker, die versucht hätten den Erdumfang zu berechnen, auf etwa 400.000 Stadien gekommen seien. Eratosthenes sollte um 225 v. Chr. der Wahrheit mit 250.000 Stadien wesentlich näher kommen. Erst im Jahr 827 erreichte eine Gradmessung des Kalifen al-Ma'mun ein ähnlich genaues Ergebnis.
Das Experiment

Eratosthenes bestimmte dazu die Höhe der Sonne über dem Horizont am Mittag des Tages der Sommersonnenwende. In Alexandria war die Sonne zu diesem Zeitpunkt nur gut 7° vom Zenit entfernt; sie stand also knapp 83° über dem Horizont. 5000 Stadien südlich von Alexandria, in Syene, muss die Sonne wirklich im Zenit gestanden sein. Denn Syene lag nur gut 20 Winkelminuten nördlich des damaligen Wendekreises. Für den Differenzwinkel dieser beiden Zenitabstände gibt Eratosthenes den fünfzigsten Teil eines Vollkreises an. Das entspricht 7,2° oder 7° 12′; aber die Einteilung des Kreises in 360 Winkelgrade war damals noch nicht üblich. Wenn man 5000 Stadien nach Süden wandern muss um ein Fünfzigstel eines Kreises zurückzulegen, so sollten 50 × 5000 = 250.000 Stadien einer vollständigen Erdumrundung gleichkommen.
Wie lang ist ein Stadion?
Wie im Mittelalter die genaue Länge einer Elle von Region zu Region unterschiedlich war, hatte man auch zu Eratosthenes Zeiten unterschiedliche Vorstellungen, wie lange denn ein Stadion als Maßeinheit zu sein hatte. Der Polumfang der Erde beträgt ziemlich genau 40.000 km. Eratosthenes Ergebnis wäre also bei einer Stadionlänge von 160 m in völliger Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Wert. Ein attisches Stadion entspricht 177,6 m (vgl. Alte Maße und Gewichte (Antike)); ein mesopotamisches dagegen nur 148,5 m. Diese Frage ist breit diskutiert worden – entsprechend reichhaltig ist das Angebot anderer Längenangaben.
Genauigkeit der Winkelmessung
Ohne die genaue Kenntnis der verwendeten Längeneinheit lässt sich auch nicht beurteilen, wie genau der Abstand zwischen Alexandria und Syene getroffen wurde. Erschwerend kommt noch hinzu – und Eratosthenes dürfte keine Möglichkeit besessen haben, diese Frage näher zu untersuchen –, dass Syene nicht exakt auf demselben Längengrad wie Alexandria sondern etwa drei Grad weiter im Osten liegt.[3] Benötigt wird für die Auswertung des Experiments der Abstand der Breitenkreise durch die beiden Orte, also der reine Nord-Süd Abstand. Verwendet man dafür rückblickend den tatsächlichen Abstand oder gleichwertig die Differenz der geographischen Breiten der beiden Orte, also 31° 13′ − 24° 4′ = 7° 9′, so erkennt man, wie genau Eratosthenes Winkelmessung gewesen ist: Weniger als ein Prozent weichen die 7° 12′ vom tatsächlichen Wert nach oben ab. Dieses Ergebnis ist – wenn überhaupt – nur zu erklären, falls Eratosthenes auch den Sonneneinfallswinkel in Syene hat messen lassen. Andernfalls wären ja die oben erwähnten 20′ zwischen Syene und dem Wendekreis schon fast siebenmal so groß wie der gerade ermittelte Messfehler. Kleomedes, dessen Beschreibung des Experiments die Zeiten überdauert hat, berichtet, dass Eratosthenes ein Gnomon zur Winkelmessung verwendet hat.[4]
Da aber die Sonnenscheibe am Himmel bereits einen Durchmesser von gut 30′ aufweist, ist es schwer vorstellbar, wie eine einzelne Messung des Sonnenstandes mit den damaligen technischen Möglichkeiten ein derart genaues Ergebnis liefern konnte. Geht man allerdings von zahlreichen, über das Jahr verteilten Messungen der Winkeldifferenz aus, so lässt sich durch Mittelwertbildung der zufällige Anteil des jeweiligen Messfehlers eliminieren. Dass Eratosthenes auch zu anderen Zeiten Sonnenstandsmessungen durchgeführt hat, belegen seine Angaben zur Schiefe der Ekliptik (s.u.).
Paralleles Sonnenlicht
Eine zentrale Voraussetzung des Experiments blieb bislang unerwähnt: Der Unterschied im Sonneneinfallswinkel entspricht nur dann dem Breitenunterschied der beiden Orte, falls die Sonne so weit von der Erde entfernt ist, dass ihre Strahlen nahezu parallel auf die Erde auftreffen (vgl. Stufenwinkelsatz). Konnte Eratosthenes davon ausgehen? Aristarchos von Samos hatte bereits zuvor gezeigt, dass die Sonne mindestens 19 Mal soweit von der Erde entfernt ist wie der Mond. In Wirklichkeit beträgt dieser Faktor etwa 400. Eratosthenes selbst bestimmte den Abstand zum Mond angeblich zu 780.000 Stadien und den zur Sonne zu 804.000.000 Stadien.[5] Eratosthenes wusste also, dass das Sonnenlicht parallel auf die Erde trifft.
Weitere Erkenntnisse über Himmel und Erde
Die Bestimmung der Abstände Erde-Sonne und Erde-Mond durch Eratosthenes wurde bereits erwähnt.
Schiefe der Ekliptik
Eratosthenes bestimmte auch die Differenz der maximalen Sonnenhöhe zur Sommer- bzw. Wintersonnenwende. Die Hälfte davon gab er als eines Halbkreises, also zu 23° 51′ 15″ an. Der damalige wahre Wert der Neigung der Ekliptik betrug wohl 23° 43′.
Weltkarte und Sternenkatalog

Die von Eratosthenes erstellte Erdkarte spiegelte das geographische Wissen seiner Zeit wider. Sie ist als ein Teil des Almagest von Claudius Ptolemäus überliefert worden.
206 v. Chr. vervollständigte Eratosthenes seinen Katalog, der 675 Sterne umfasst.
Das Sieb des Eratosthenes
In der Mathematik ist Eratosthenes für einen Algorithmus bekannt, der es gestattet, alle Primzahlen bis zu einer bestimmten Grenze durch systematisches Wegstreichen der Vielfachen bereits gefundener, kleiner Primzahlen mit vergleichsweise geringem Aufwand zu ermitteln. Dieser Algorithmus ist unter dem Namen Sieb des Eratosthenes weithin bekannt.
Weitere Verdienste
Nicht zu vergessen ist sein Verdienst, als Briefpartner des Archimedes gedient zu haben. Dessen grundlegende Schrift Methodenlehre ist als persönlicher Brief an Eratosthenes entstanden und überliefert worden.
Eratosthenes betätigte sich auch als Musiktheoretiker und strebte eine Synthese zwischen den antithetischen Schulen an. Das belegen seine von Ptolemaios überlieferten Tetrachorde (Tongeschlechter), die rechnerische Näherungen von drei Tongeschlechtern des Aristoxenos in das pythagoreische System sind.
Nach Eratosthenes von Kyrene ist der Asteroid (3251) Eratosthenes benannt.
Pseudo-Eratosthenes
Eine nur in Fragmenten erhaltene Sammlung von hellenistischen Mythen über die Konstellationen, die sogenannten Katasterismen (Katasterismoi), wurde Eratosthenes zugeschrieben, vielleicht um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Sie enthielt die mythologischen Begründungen für die Namen der Sternbilder.
Literatur
- Eratosthenes: Sternsagen. Text, Übers. u. Kommentar v. Jordi Pàmias u. Klaus Geus. Utopica, Oberhaid 2007, ISBN 978-3-938083-05-5.
- Klaus Geus: Eratosthenes von Kyrene: Studien zur hellenistischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, Beck, München 2002, ISBN 3-406-48976-1.
- Gottfried Bernhardy: Eratosthenica, Berlin 1822. Online-Version (googlebooks) (griech. und lat.)
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Dies erfordert eine sehr gute Beobachtungsgabe. Der Schatten der Erde ist ja wesentlich größer als der Mond. Bilder wie dieses des griechischen Astrophotographen Anthony Ayiomamitis standen damals nicht zur Verfügung.
- ↑ Vgl. Aristotles: On the Heavens. Book 2 in der Übersetzung von J. L. Stocks: Also, those mathematicians who try to calculate the size of the earth’s circumference arrive at the figure 400,000 stades.
- ↑ Auf der weiter unten abgebildeten Weltkarte hat Eratosthenes Syene exakt südlich von Alexandria eingezeichnet.
- ↑ Kleomedes de motu circulari corporum coelestium, I, 10,50. Übersetzung von Heinrich Balss. Abgerufen am 16. August 2009
- ↑ Vgl. Vorlage:MacTutor Biography. Diese Zahlen gehen wohl auf die Schrift Praeparatio Evangelica des Eusebius von Caesarea zurück. Vgl. hier Kapitel LIII (engl. Übersetzung des griechischen Orginals von E.H.Gifford, 1903). Der Abstand des Mondes ist wesentlich zu klein und hätte aus den Ergebnissen von Aristarch und Eratosthenes mit einfachen geometrischen Überlegungen wesentlich genauer bestimmt werden können. Für den Abstand zur Sonne gibt es zwei unterschiedliche Übertragungen der griechischen Zahlenangabe: 804.000.000 Stadien bzw. 4.080.000 Stadien.
Weblinks
- Vorlage:MacTutor Biography
- Eratosthenes Leben und Werk
- Vorlage:PND
- Wie Eratosthenes die Erde vermessen hat
- Michael Fowler: Measuring the Solar System
Personendaten | |
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NAME | Eratosthenes von Kyrene |
KURZBESCHREIBUNG | griechischer Mathematiker, Geograph, Historiker, Philologe, Dichter sowie Direktor der Bibliothek von Alexandria |
GEBURTSDATUM | um 284 v. Chr. |
GEBURTSORT | Kyrene |
STERBEDATUM | 194 v. Chr. |
STERBEORT | Alexandria |