Erich von Stroheim
Erich von Stroheim (geboren Erich Oswald Stroheim) (* 22. September 1885 in Wien; † 12. Mai 1957 auf Schloss Maurepas bei Paris) war ein österreichisch / amerikanischer Regisseur, Schauspieler und Schriftsteller. Seine Lieblingsrolle als arroganter und skrupelloser Bösewicht brachte ihm den Spitznamen "Den Mann, den zu hassen Spass macht" (The man you loved to hate) ein. Stroheims Konflikte mit der Filmindustrie und die Verstümmelung seiner Werke gehören zu den tragischen Kapiteln in der Filmgeschichte.
Biographie
Aristokratie und Militär übten auf den Sohn eines Wiener Hutmachers eine große Faszination aus und so erfand und pflegte er in Hollywood ein Image als Abkömmling eines alten Adelsgeschlechtes und behauptete, sein voller Name sei Graf Erich Oswald Hans Carl Maria Stroheim von Nordenwald. Vollendet wurde dieses Bild durch seine Behauptung, er habe als Kavallerie-Offizier gedient. Dies bescherte ihm am Anfang seiner Schauspielkarriere Rollen als Offizier und während des 2. Weltkrieges als Nazi-Offizier.
Zunächst lief seine Karriere eher schleppend an. Nach seiner Auswanderung in die USA 1909 arbeitete er als Tagelöhner und kam erst 1914 mit der Filmbranche in Berührung. Erste Erfahrung in der jungen kalifornischen Filmindustrie sammelte er als Statist und Stuntman, unter anderem in D. W. Griffiths Meisterwerk Geburt einer Nation, wo er sich bei einem Sprung vom Dach eines Hauses einen Rippenbruch zuzog.
Im Film Alt Heidelberg (1915) von John Emerson wurde er wegen seines großen Wissens in Militärangelegenheiten als technischer Berater engagiert und übernahm auch eine Nebenrolle. Darauf folgten schon bald weitere Rollen, meist als deutscher oder österreichischer Offizier. Mit dem Kriegseintritt der USA in den 1. Weltkrieg gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn verlangten immer mehr Filme nach einem Bösewicht, der den Vorstellungen des Publikums von einem bösen Teutonen entsprach. Mit seinem grimmigen Auftreten und dem oben angesprochenen Image konnte Von Stroheim diese Rollen sehr gut ausfüllen. Aufsehen erregte er in einer Szene des Films The Heart of Humanity in der Rolle des schrecklichen deutschen Offiziers, in der er eine Krankenschwester vergewaltigen will und ein ihn dabei störendes, schreiendes Baby zum Fenster hinauswirft. Solche Auftritte wurden Stroheim noch Jahrzehnte später in Deutschland übelgenommen.
Mit dem Ende des 1. Weltkrieges verschwanden diese Rollenangebote und Von Stroheim wandte sich der Regie zu. Mit Blinde Ehemänner (Blind Husbands) von 1919 verfilmte er eine selbst verfasste Kurzgeschichte über eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung in der europäischen Oberschicht. Der Film wurde ein großer Kassenerfolg und bescherte ihm weitere Regie-Aufträge für die Universal-Studios. Sein erstes grosses Meisterwerk war Foolish Wives.
Seine zunehmende Detailversessenheit und die damit einhergehenden steigenden Kosten und Drehzeiten brachte ihm dabei stets Probleme mit den produzierenden Studios ein. So soll er bei einer Aufnahme einen Wutanfall bekommen haben, weil eine Türklingel nicht funktionierte (und das, obwohl es sich um einen Stummfilm handelte). Ein anderes Mal ließ er eine aufwändige Massenszene wiederholen, weil ein Kellner im Hintergrund keine weißen Handschuhe trug. Beim Film Merry-Go-Round (1923) wurde Stroheim vom Studiochef Irving Thalberg nach einigen Wochen Drehzeit entlassen, weil er sich in eine Reihe wilder Extravaganzen gestürzt hatte. Stroheim befand, Authentizität lasse sich nur durch echte Uniformen aus Wien erreichen und bestellte diese dort. Die Komparsen, die Soldaten darstellten, liess er tagelang strammstehen, bis er mit den Aufnahmen zufrieden war. Die Kosten explodierten. Der Film wurde dann vom Regisseur Rupert Julian fertiggestellt. Stroheim wechselte zur Metro-Gesellschaft für sein nächstes Projekt. Mitten in den Dreharbeiten fusionierte die Firma zu Stroheims Pech mit Louis B. Mayer und so hatte er es bei Gier erneut mit dessen Studioboss Thalberg zu tun.
Die Auswüchse gipfelten im Dreh zu Gier (Greed) von 1924. Von Stroheim wollte nichts geringeres als den Roman McTeague von Frank Norris Wort für Wort verfilmen. Gedreht wurde ausschließlich an Originalschauplätzen in Kalifornien. Berüchtigt sind die Dreharbeiten bei sengender Sonne in der Salzwüste des kalifornischen Death Valley, wo das Finale des Films spielt. Das Ergebnis war ein Film, der aus 42 Filmrollen bestand, was einer Laufzeit von 8 bis 10 Stunden entspricht. Diese Version wurde aber nur ein einziges Mal bei einer Privatvorführung aufgeführt. Das Studio (MGM) verlangte deutliche Kürzungen vor der Kinoauswertung. So wurde der Film in mehreren Zwischenschritten auf eine Länge von etwa 10 Rollen (ca. 145 min) gekürzt. Schon die ersten zwei Stunden der Langfassung wurden fast komplett herausgeschnitten, dadurch verschwanden mehrere Figuren ganz aus dem Film. Das herausgeschnittene Material wurde mit größter Wahrscheinlichkeit bei Aufräumarbeiten im Filmlager von MGM vernichtet. Die Filmdosen waren mit dem Arbeitstitel "McTeague" beschriftet. Niemand fiel auf, daß es sich um die komplette Version von "Greed" handelte. Trotzdem gibt es immer wieder Geschichten von geheimnisumwitterten Filmsammlern, die eine komplette Version des Films wie einen Schatz hüten. Es sind lediglich Standfotos aus den verschollenen Szenen erhalten. Der Filmhistoriker Rick Schmidlin hat 1999 mit Hilfe der Standfotos und des Drehbuches eine Fassung von 243 min erstellt, die wenigstens einen ungefähren Eindruck des Ganzen bietet.
Von Stroheim war von dieser Kürzung sehr enttäuscht, ließ aber von seinem kostspieligen Regie-Stil nicht los. Es folgte 1925 die sehr eigenwillige Verfilmung der Léhar-Operette Die lustige Witwe (The Merry Widow). Stroheim hasste das Starsystem, aber das MGM-Studio, das ihn trotz aller Pobleme weiterbeschäftige, zwang ihn, Mae Murray und John Gilbert mit den Hauptrollen zu besetzen. Die Auseinandersetzungen bei den Dreharbeiten gipfelten darin, dass Louis B. Mayer Stroheim mit einem Faustschlag niederstreckte, weil Stroheim Sonja, die Rolle, die Mae Murray spielte, im Drehbuch als Hure angelegt hatte und Stroheim sich weigerte, dies zu ändern. Die lustige Witwe war an der Kinokasse trotzdem sehr erfolgreich und galt als einer der besten Filme des Jahres 1925. Den Oscar gab es damals noch nicht.
Durch diesen Erfolg hatte Stroheim wieder freie Hand, und er konnte Der Hochzeitsmarsch (The Wedding march) wieder nach seinen eigenen Vorstellungen realisieren. Erneut gab es aber Ärger mit den Produzenten und der Film blieb unvollendet. In diesem Film spielte Fay Wray ihre erste Hauptrolle. In den 30er Jahren wurde sie als Darstellerin in vielen Horrorfilmen, vor allem als Opfer von King Kong, weltbekannt.
Seinen letzten Stummfilm, das Operetten-Melodram Queen Kelly, drehte er 1929. Die Produzentin und Hauptdarstellerin Gloria Swanson feuerte Von Stroheim, nachdem er allein 4 Stunden Material für die Eröffnungsszene verbraucht hatte. Der Film blieb daher unvollendet, die bereits gedrehten Szenen wurden erst 1985 in einer restaurierten Version der Öffentlichkeit gezeigt.
1932 erhielt Stroheim die Möglichkeit, nochmals einen Film zu drehen: Walking Down Broadway, seinen einzigen Tonfilm. Einmal mehr stiess sein Werk bei den Produzenten auf völliges Unverständnis. Unter anderem hiess es, Stroheims Film sei durch die explizite Darstellung menschlicher Konflikte allenfalls geeignet "auf einem Kongress von Psychoanalytikern" gezeigt zu werden. Szenen wurden entfernt, andere von anderen Regisseuren neu gedreht und am Schluss blieb nur noch wenig von Stroheims Material übrig. Der Titel wurde in Hello Sister geändert und der Film als B-Movie und Pausenfüller verramscht.
Sein Ruf als Regisseur war damit endgültig ruiniert und so kehrte Von Stroheim wieder als Darsteller vor die Kamera zurück. Bestenfalls agierte er noch als Ehemann von Greta Garbo im Film As You desire me. Ab 1936 fand er auch als Darsteller in Hollywood kaum noch Arbeit, sodass er nach Frankreich auswanderte. Die Besetzung Frankreichs durch die Deutschen zwangen Stroheim aber, die Kriegsjahre wieder in den USA zu verbringen. Stroheim war auf der schwarzen Liste der Nazis, auch, weil er jüdischer Abstammung war.
Zu seinen bekanntesten Rollen aus dieser Zeit gehören die des Capt von Rauffenstein in Jean Renoirs Meisterwerk Die Grosse Illusion (La Grande Illusion) von 1937 und die Verkörperung des Feldmarschalls Erwin Rommel in Billy Wilders Fünf Gräber bis Kairo von 1943.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kehrte Stroheim nach Europa zurück und war als Schauspieler - wenn auch nicht immer in Filmen, die seinem Format angemessen waren - sehr gefragt.
1946 verfasste Stroheim ein Drehbuch nach dem Drama Totentanz von August Strindberg und spielte die Hauptrolle. Die weibliche Hauptrolle spielte Stroheims Lebenspartnerin Denise Vernac. Marcel Cravenne, ein unerfahrener Regisseur, war mit den Dreharbeiten beauftragt. Der Film trägt alle Züge eines Stroheim-Films und es sieht so aus, als ob er zumindest teilweise die Regie selbst übernommen hat. Doch diesem Film, der grandiose schauspielerische Leistungen von Stroheim und Vernac zeigt, war kein Erfolg beschieden und er wurde nur selten gezeigt.
Billy Wilder holte ihn 1950 nochmals in die USA. Für Boulevard der Dämmerung (Sunset Boulevard), übernahm Stroheim die Rolle des heruntergekommenen Stummfilmregisseurs, der nach dem Ende seiner Karriere als Chauffeur und Butler für eine alternde Hollywood-Diva (gespielt von Gloria Swanson) arbeitet. Für diese Rolle erhielt Von Stroheim eine Oscar-Nominierung. Es war das letzte Mal, dass Stroheim in Hollywood arbeitete.
Stroheim ist auch als Romanautor hervorgetreten, unter anderem mit Paprika und Les Feux des Saint Jean.
Kurz vor seinem Tod wurde Erich von Stroheim von der französischen Regierung mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet.
Filmographie als Regisseur
- 1919 - Blinde Ehemänner (Blind Husbands), Regie, Drehbuch, Hauptrolle
- 1920 - The Devil's Passkey (verschollen), Regie, Drehbuch
- 1922 - Närrische Weiber (Foolish Wives),Regie, Drehbuch, Hauptrolle
- 1923 - Karusell (Merry-Go-Round), Regie, Drehbuch
- 1924 - Gier (Greed), Regie, Drehbuch
- 1925 - Die Lustige Witwe (The Merry Widow), Regie, Drehbuch
- 1926 - Der Hochzeitsmarsch (The Wedding March)Regie, Drehbuch, Hauptrolle
- 1926 - The Honeymoon (Teil 2 von Der Hochzeitsmarsch, verschollen)
- 1928 - Queen Kelly, Regie, Drehbuch (unvollendet)
- 1933 - Hello, Sister (Walking Down Broadway), Regie, Drehbuch
- 1946 - La Danse De Mort, Drehbuch und Co-Regie
Filmographie als Darsteller (Auswahl)
- 1915 - Alt Heidelberg (Old Heidelberg), Nebendarsteller, Assistent
- 1916 - Intoleranz (Film) (Intolerance), Regieassistent, Statist
- 1918 - Herzen der Welt (Hearts of the World) Regieassistent, Nebenrolle
- 1918 - Das Herz der Menschlichkeit (The Heart of Humanity), Hauptrolle
- 1929 - Der grosse Gabbo (The Great Gabbo), Hauptrolle
- 1932 - The Lost Squadron, Hauptrolle
- 1932 - Wie Du mich wünschst (As You Desire Me), Hauptrolle
- 1934 - Crimson Romance,Hauptrolle
- 1937 - Die grosse Illusion (La Grande Illusion), Hauptrolle
- 1937 - Alibi (L'Alibi), Hauptrolle
- 1937 - Under Secret Orders (aka Mademoiselle Docteur), Hauptrolle
- 1938 - Les Pirates du Rail, Nebenrolle
- 1938 - Les Disparus de Saint-Agil, Hauptrolle
- 1940 - Pieges, Nebenrolle
- 1940 - Die Spielhölle von Macao (Macao, l'enfer du jeu), Hauptrolle
- 1940 - I Was An Adventuress, 1940, Hauptrolle
- 1943 - Fünf Gräber bis Kairo (Five Graves to Cairo), Hauptrolle
- 1943 - The North Star, 1943 (Nebenrolle)
- 1945 - The Great Flamarion, 1945, Hauptrolle
- 1945 - The Mask of Diijon, 1946, Hauptrolle
- 1947 - Totentanz (La Danse de mort), 1947, Regieassistent, Drehbuch, Hauptrolle
- 1950 - Boulevard der Dämmerung (Sunset Boulevard), Hauptrolle
- 1952 - Alraune, Hauptrolle
- 1953 - L'Envers du paradis, 1953, Hauptrolle
- 1954 - Napoleon, 1954, Nebenrolle als Beethoven
Literatur
- Jacobsen, Belach, Grob (Hrsg): Erich von Stroheim, Aargon 1994, ISBN 3-87024-263-9 (deutsch)
- Maurice Bessy: Erich von Stroheim - Eine Bildmonographie. Verlag: München. Schirmer/Mosel 1985, ISBN 3-88814-166-4 (deutsch)
- Richard Koszarski: Von: The Life and Films of Erich Von Stroheim. Limelight Editions, 2001 ISBN 0-879-109548 (englisch)
- Weinberg, Herman G.: Stroheim: a pictorial record of his nine films, Dover Publications, NY, 1975, ISBN 0-4862-2723-5 (enlisch)
- Erich von Stroheim: Paprika (Roman), Pygmalion 1991, ISBN 2-85704-337-6 (französisch)
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Stroheim, Erich von |
ALTERNATIVNAMEN | Erich Oswald Stroheim |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch / US-amerikanischer Regisseur und Schauspieler. |
GEBURTSDATUM | 22. September 1885 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 12. Mai 1957 |
STERBEORT | Paris |