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Adal

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Adal (auch: Awdal) ist die äthiopische (amharische), Danakil (Denakil) die arabische Bezeichnung für das ostafrikanische Volk der Afar und mit ihnen verwandte Muslime in Äthiopien. Genaugenommen wird mit Adali nur einer der Afar-Stämme bezeichnet. (In der nordischen Mythologie ist Adal einer der zahlreichen Söhne von Jarl und Erna.)

Das von den Afar im 12. Jahrhundert gegründete Sultanat Adal geriet im Kampf gegen muslimische Rivalen und das christliche Äthiopien (Abessinien) und war Ausgangspunkt des sogenannten Mohammedanersturms, mit dem im 19. und 20. Jahrhundert abwertend eine entscheidende Phase der Auseinandersetzungen zwischen Islam und Christentum am östlichen Horn von Afrika bzw. im Norden desselben bezeichnet wurde. (Zur Nomenklatur siehe Mohammedaner). Dem Mohammedanersturm, der muslimischen Invasion also, folgte eine christlich-katholische: der Missionierungsversuch durch die Jesuiten. Adal hingegen wurde vom Sultanat Harar abgelöst, welches schließlich unter die Herrschaft von Afar des Sultanats Aussa geriet. Heute gehört Aussa teilweise zu Eritrea, der Rest und Harar zu Äthiopien ebenso wie die Danakil-Region. Afar bevölkern (zusammen mit Issa-Somalis) zudem auch Dschibuti und Ogaden.


Das Sultanat Adal

Vorgeschichte: das Sultanat Ifat

Durch die arabische Eroberung Ägyptens 642 (bzw. 646) und endgültig seit dem Scheitern der Kreuzzüge ab 1250 war das christliche Äthiopien von der übrigen christlichen Welt, d.h. vor allem seinem natürlichen Verbündeten Byzanz, abgeschnitten, bis in den Sudan und in den Küstenregionen rund um Äthiopien (Eritrea, Somalia) breitete sich fortan der Islam aus. Im 13. Jahrhundert entstand an der Küste aus den Trummern des Sultanats Shoa das Sultanat Ifat und erstreckte sich etwa ab 1285 bis in die östlichen Hochebenen Shoas. Gleichzeitig war in Äthiopien um 1270 die jüdische Zagwe-Dynastie durch die in West-Shoa zur Macht gelangte (vermeintlich) Salomonische Dynastie gestürzt worden. 1320-1344 unterwarf Äthiopiens Kaiser Amda Seyon (Sion, Zion, Seyum) von Gondar aus zwar mehrere somalische Emirate, Ifat aber leistete erbitterten Widerstand gegen den fanatischen Christen, der sowohl Moslems als auch Juden verfolgte. Doch 1386 fiel Sultan Haqadin II., 1415 auch sein Nachfolger Sa'ad ad-Din mitsamt seiner Hauptstadt Zeila (Zaila bzw. Sela, bei Dschibuti) gegen Kaiser Isaak (Yeshaq, Yesdar). Das neugegründete Sultanat Adal (Hauptstadt Dakker bei Harar) am Golf von Aden übernahm daraufhin die Führung im Kampf gegen Äthiopien, über dessen gesamte heutige Osthälfte es sich faktisch erstreckte (etwa bis zum 40. Längengrad und bis nach Negele im Süden). Es umfaßte etwa ganz Eritrea, Somaliland (Nordsomalia) und Dschibuti sowie die äthiopischen Region Denakil (Danakil-Somalia), Afar, Ogaden und Harar - eine muslimischen Königen Abessiniens und äthiopischen Moslems "heilige" Stadt, heute Zentrum des Islam in Äthiopien.

Sultan Ahmad Ibrahim "Gran" von Adal

1516 wurde auch Adal dennoch besiegt, Sultan Mahfuz fiel im Kampf gegen Kaiser David II. (alias Lebna). Danach aber traten zwei neue ausländische Akteure auf.

  • Seit 1493 hatte der portugiesische katholische Einfluß am Kaiserhof zugenommen, 1503 die Portugiesen Sansibar unterworfen. 1513 besiegte eine portugiesische Flotte jene des muslimischen Ägypten im Golf von Aden und besetzte Massawa (Massaoua).
  • 1517 aber hatten die energischen türkischen Osmanen das morsche Reich der ägyptischen Mamelucken und bald darauf auch den Hedschas bis Jemen erobert.

Dieser Vorstoß entfachte den muslimischen Widerstand erneut. Adal griff abermals zu den Waffen, nachdem der damals gerade 14 Jahre (sic!) alte General Ahmad ibn Ibrahim al-Ghasi, auch genannt Mohammed Gran (Granye, Gurey), 1520 den Sultan Abu Bakr gestürzt hatte.

Als Mahfuz' Schwiegersohn und neuer Sultan vereinigte er die Hirtenkrieger der Stämme der arabisierten Somali, der somalisierten Galla sowie fanatischer Afar (Denakil) und rief 1527 den "Heiligen Krieg" gegen Lebna aus. 1529 schlug er bei Shimba-Kare angeblich 200.000 Mann äthiopischer Fußtruppen und 16.000 kaiserliche Reiter mit seinen 12.000 Mann und nur 600 Reitern, verlor aber dabei 5000 Kämpfer. Mit neuen türkischen Hilfstruppen eroberte er in mehreren Feldzügen bis 1533 fast das gesamte Äthiopien, nur Teile des Hochlandes blieben unbesetzt. Das Land wurde von den Nomaden verwüstet, christliche Zeugnisse zerstört, große Teile der Bauern retteten sich nur durch den Übertritt zum Islam. Der Kaiser starb 1540 auf der Flucht, sein Thronfolger wurde gefangengenommen, die Kaiserinwitwe in der Hauptstadt belagert. Erst mit und dank der portugiesischen Schützenhilfe konnten äthiopische Resttruppen die Moslems schlagen, seit 1541 hatte eine portugiesische Flotte unter Vasco da Gamas Sohn Christoph 400 Mann mit Feuerwaffen gebracht und den türkischen Nachschub über das Rote Meer blockiert sowie Zeila und Mogadischu bombardiert. Sultan Ahmad, "der Linkshänder", fiel 1543 in der Schlacht am Tanasee (Wayna Daga).

Das Ende: das Sultanat Harar

1559 fiel auch sein Nachfolger Barakat in Adals Hauptstadt. Der neue Sultan Nur ibn Mudjahid, Ahmads Neffe, konnte Äthiopier und Portugiesen zwar nochmals zurückschlagen und Ahmad durch den Tod Kaiser Claudius' rächen, wurde aber 1567 ebenfalls besiegt, auch sein Nachfolger Mohammed Ibn Nasr fiel 1576. Daraufhin drangen osmanische Türken 1578 und nochmals 1589 über Massaoua (seit 1557 türkisch) in Tigray ein, wurden aber schließlich geschlagen. Die Äthiopier mußten dennoch weite Teile des Landes den Galla (Oromo) überlassen. Diese wiederum aber wurden teilweise seßhafte Bauern und nahmen fortan ihrerseits zumindest teilweise das Christentum an, was ihre Integration und ihren Einsatz gegen das aus den Trümmern Adals entstandene Sultanat Harar ermöglichte. Der Rest Harars wurde fortan von den Afar domininiert, Zeila geriet unter jemenitischen Einfluß. An der nördlichen Küste (Eritrea) jedoch setzten sich die Türken zunächst fest, 1578 umfaßte deren Provinz "Habesh" (türkisch für Abessinien) sogar die eigentliche Spitze am östlichen Horn von Afrika. Südsomalia mit Mogadischu fiel ab 1698 an Oman bzw. Sansibar.

Vereint mit den Ägyptern unternahmen die Muslime von Harar ab 1875 einen erneuten und vorerst letzten Versuch, Äthiopien doch noch zu erobern. Kaiser Theodor II. schlug die ägyptischen Truppen 1876 zurück, fiel aber 1889 im Kampf gegen die Invasion sudanesischer Moslems unter "Mahdi" Mohammed Ahmad. Bis zum Mahdi-Aufstand im Sudan (1884) gehörten Eritrea und Somaliland zum osmanischen Vizekönigreich Ägypten, Massaoua sogar bis 1885. 1887 eroberten die Äthiopier im Gegenzug Harar, ab 1891 schließlich Ogaden. Das Eingreifen der Europäer verhinderte zwar die Eroberung des übrigen Horns von Afrika durch Äthiopien, führte aber zur britisch-italienischen Kolonialherrschaft über Somalia. Nach der Niederlage der Mahdisten zettelte in Somalia und Ogaden ein anderer "Mahdi", der Imam Hassan Muhammad, einen Aufstand gegen die Kolonialmächte und das britisch-äthiopische Teilungsabkommen von 1897 an. Er gilt nach Ahmed Gran als der zweite große Nationalheld des somalischen Freiheitskampfes, in welchen im Ersten Weltkrieg auch Äthiopiens vermeintlich muslimischer König Jesus V. verwickelt wurde, ehe die Briten die Erhebung 1920 endgültig unterdrücken konnten. Erst unter Jesus' Nachfolger Haile Selassie erfolgte die offizielle Umbenennung des Landesnamens Abessinien in Äthiopien.

Nach dem Sturm: Missionierung durch Jesuiten und Anglikaner

Im eigentlichen Äthiopien aber nahm zur gleichen Zeit der katholische Einfluss weiter zu, den Portugiesen folgten ab 1557, besonders aber im 17. Jahrhundert die Jesuiten, deren Ansprüche der siegreiche Claudius (†1559) noch zurückwies. Dennoch gelang es ihnen, 1603 Kaiser Dengel (†1607) zum Übertritt zu bewegen. Dessen Sohn Sissinios (Susenyos, Sissionos, Socinius) stimmte zwar zunächst sogar einer Kirchenunion mit Rom zu (wie schon um 1450 Kaiser Konstantin I. (alias Zara Jakob), widerrief dann aber 1630, die Unzufriedenheit seiner Untertanen fürchtend. Gestürzt und getötet wurde er 1632 dennoch, sein Nachfolger Basilides (Fasilidas) vertrieb die katholischen Priester oder ließ sie hinrichten, ebenso muslimische Missionare. Das Land kehrte zum orthodoxen Christentum koptischer Prägung zurück, fand seinen Frieden wieder und verfiel bis ins 19. Jahrhundert in Isolation und feudale Zersplitterung, wurde aber also weder muslimisch noch katholisch.

In Äthiopien bekämpften sich fortan drei größere Königreiche (Amhara mit der alten Hauptstadt Gondar, daneben Tigray mit Asmara und der antiken Hauptstadt Aksum, sowie Shoa unter Nachkommen der im 18. Jahrhundert entmachteten Kaiserdynastie) und drei kleinere. Die letzten römisch-katholischen Missionare (Kapuziner) aber wurden erst 1855 mit der Wiedervereinigung unter Kaiser Theodor II. von Amhara vertrieben. Seine Macht brach nach seinem Tode aber ebenso zusammen mit die seines Nachfolgers Johannes IV. von Tigray. Erst nach dessen Tode setzte sich schließlich Menelik II. von Shoa als Kaiser im ganzen Land durch.

Um diese Zeit wohnten etwa 3 Millionen Äthiopier zwischen 15 Millionen Somalis und Galla am Horn von Afrika. Heute jedoch macht allein der Anteil der Oromo (Galla) jedoch bereits 40% der Bevölkerung aus, mit anderen Muslimen zusammen beträgt ihr Anteil inzwischen gar über 50%. Mit umfangreichen arabischen Investitionen nimmt der saudische Einfluß zu. Demgegenüber wird die äthiopisch-orthodoxe Kirche auch durch den ungebremsten Missionierungseifer protestantischer Sekten aus den USA zurückgedrängt - ganz ähnlich der einstigen Jesuiten-Mission. Die Wiederaufnahme der Nahrungsmittel-Lieferungen durch die USA dient daher dem Bemühen, sowohl den alten christlichen Eliten die Macht zu erhalten als auch eigenen Missionaren die Arbeit zu erleichtern. Die Anglikanische bzw. Äthiopisch-Protestantische Kirche ist inzwischen die zweitgrößte christliche Gemeinde im Land.

Der Begriff Adal bzw. "Republik Awdal" wird heute von der international nicht anerkannten, aber real existierenden Republik Somaliland (Nordsomalia) als alternative Eigenbezeichnung verwendet. Bis zum Zusammenbruch Somalias 1991 war Awdal bereits der Name einer kleineren Provinz (Hauptort Baki nahe Zeila) im äußersten Nordwesten des Staates.

Siehe auch: en:Ahmad ibn Ibrihim al-Ghazi