Wechselstrom
Wechselstrom (engl.: alternating current, kurz AC) bezeichnet elektrischen Strom, der seine Richtung (Polung) periodisch und in steter Wiederholung ändert.
Erzeugung
Technisch entsteht Wechselstrom durch Drehen einer Leiterschleife in einem Magnetfeld, bzw. einer ruhenden Leiterschleife in einem Wechselmagnefeld wobei eine elektrische Spannung in ihr induziert wird. Je mehr Windungen die Leiterschleife aufweist, desto höhere Spannung wird erzeugt, als wäre es nur eine einzige Windung. 100 Windungen erzeugen demnach 100 mal den Spannungwert einer einzigen Leiterschleife, weil alle einzelnen Windungsspannungen sich addieren. Da diese sich bei der Drehung durch ein stillstehendes Magnetfeld (mit abwechselnden Magnetpolen N/S/N usw.) magnetisch gesehen einmal in die eine Richtung und dann in die Gegenrichtung durch die Feldlinien bewegt, obwohl die Rotation immer in einer Drehrichtung fortläuft. Es entsteht erst eine positive und dann eine negative Spannung am Wicklungsende, die man mit einem Voltmeter messen kann. Dieser Wechsel wiederholt sich fortwährend, solange die Rotation der Leiterschleife(n) andauert. Bei konstanter (gleichbleibender) Rotationsdrehzahl hat dann die an den Enden der Wicklungsschleife auftretende Spannung einen sinusförmigen Verlauf (siehe oberste Abbildung).
Wenn ein Generator sehr viele Pole auf dem Polrad aufweist, braucht die Maschine sich nicht mehr so schnell zu drehen, um Strom mit 50 Hz zu erzeugen. Denn er hat ja z. B. p Polpaare, das sind 6 Pole, aufzuweisen. Sobald er sich 1/3 Umdrehung gedreht hat, hat er bereits eine volle Periode des Wechselstromes erzeugt. 2-polige Generatoren müssen sich in 1 Sekunde 50 mal drehen, also 50·60 s/min = 3000 Upm, eine 6-polige Maschine hingegen hat 3 mal so viele Pole zur Verfügung wie die vorgenannte, sie braucht sich nur mehr mit 1000 Upm zu drehen. Sie erzielt bei einer Umdrehung bereits 3·2·π = 6·π rad. Bereits nach 1/3 Umdrehung ist ein Hz (1 Periode) erzeugt. Nach weiteren 999 + 2/3 Umdrehungen sind nach insgesamt genau einer Minute 1000 Umdrehungen abgespult.
Wird an einen 50-Hz-Generator ein elektrischer Verbraucher, z. B. eine Glühlampe an die Leiterschleife(n) angeschlossen, dann fließt ein Wechselstrom, dessen Größe und Richtung sich im gleichen Takt wie die Spannung ändert und die von der Größe der Glühlampe abhängt. Die positive Halbwelle mit ihrem Maximalwert bzw. Scheitelwert bei π/2, dann die negative Halbwelle mit ihrem negativen Höchstwert bei 3·π/2 ist die zeitliche Abfolge. In der Praxis wird Wechselstrom in Generatoren mit 3 Spulen, die wiederum aus mehreren einzelnen Teilspulen bestehen (L1, L2 und L3), anstelle einzelner Leiterschleifen erzeugt, wobei diese um 120 elektrische Grade (Vom N-Pol zum S-Pol und zum nächsten N-Pol = 360 °) über einen Teil des Umfanges verteilt sind. Den damit erhaltenen Strom nennt man 3-Leiter Drehstrom. Da jede Wicklung 2 Enden aufweist, werden die insgesamt 6 Wicklungs- oder Leiterenden auf eine Anschlußstelle, auf das sogenannte Klemmbrett herausgeführt, um die Leitungen bzw. Kabel, die zu den Stromverbrauchern führen, anschließen zu können und außerdem um ein bestimmtes Zusammenschließen der Wicklungen zu ermöglichen, um die Spannung für die Verbraucher auf einen gewünschten Wert umschalten zu können. Außerdem sind am Generator, obwohl er 6 Wicklungsenden besitzt, nur 3 sogenannte Außenleiter (L1, L2 und L3) und ein sogen. Mittelpunkts-, Neutral- oder Nulleiter angeschlossen. Man nennt diese Schaltungsart Stern- oder Dreieckschaltung. Dabei läßt sich die Ausgangsspannung ohne Veränderung der Spannung an der Erregung der Rotor-Elektromagnete um den Faktor verändern. Allerdings darf man den Generator dann nur mehr mit dem -fachen Strom belasten, da das Produkt aus Strom * Spannung die Bemessungsleistung nicht wesentlich kurzzeitig überschreiten darf, um Schaden an der Wicklung durch Überhitzung zu vermeiden.
Als Vorteil der Wechselstromtechnik gegenüber dem zuerst verwendeten Gleichstrom erwies sich die verlustarme Übertragung großer elektrischer Leistungen über weite Entfernungen, u. a. durch seine leichte Transformierbarkeit (siehe Transformator) und Transport auf Hochspannungs-Freileitungen zu den Verbrauchern bzw. den Verbraucherschwerpunkten.
Rechengrößen
Frequenz und Periode
Die Anzahl der Schwingungen in der Zeiteinheit (hier 1 Sekunde) nennt man Frequenz, gemessen in Hertz. Eine Periode ist die Wiederholung gleicher Zustände eines physikalischen Systems in regelmäßigen Zeitabständen (Periodendauer T). Bei einem Wechselstrom ist eine Periode z. B. die aufeinanderfolgende positive und eine negative Halbwelle. Die Periodendauer T errechnet sich aus dem Kehrwert der Frequenz f
- .
Der in Deutschland übliche Wechselstrom hat eine Periodendauer von
- .
Für Berechnungen wird die Dauer einer Periode auch mit der sogenannten Winkelgeschwindigkeit
beschrieben.
Bei einem 50-Hz-Wechselstrom:
- ; Einheit: rad je Sekunde
Wenn es sich um eine Maschine mit nur zwei Polen handelt, läuft sie von der Mitte eines N-Pol über den nahegelegenen S-Pol zur nächsten N-Pol-Mitte. Damit ist eine Periode, also 360 elektrische Grade zurückgelegt.
Effektivwert
Durch den sinusförmigen Verlauf von Strom und Spannung ergeben sich Probleme bei der Berechnung der erzielten Wirkung. So lässt sich z.B. die Leistungsaufnahme eines Widerstandes, die gleich seiner thermischen Leistungsabgabe ist, nicht mehr so einfach mit P=U*I errechnen. Denn mit welcher Spannung kann man arbeiten, wenn sie sich doch kontinuierlich ändert? Das Ergebnis wäre die Momentanleistung, die allerdings meist nicht interessiert. Deshalb vergleicht man die Wirkung mit der, die ein Gleichstrom erzielt hätte. Der Effektivwert einer Wechselspannung entspricht also dem Wert einer Gleichspannung, die den gleichen Effekt bringt.
Misst man einen sinusförmigen Wechselstrom (mit dem Scheitelwert , auch genannt) mit einem Gleichstrommessinstrument, so zeigt dieses den sog. Effektivwert Ieff, einen zeitlichen, quadratischen Mittelwert an, der bei einem Sinusstrom durch gegeben wird. Entsprechend nennt man den Effektivwert der sinusförmigen Wechselspannung.Solange die Amplitude gleich ist, bleibt der Effektivwert bei allen Frequenzen ( sinusförmiger Verlauf ) gleich. Bei nichtsinusförmigen Strömen ergeben sich andere Mittelwerte. Die allgemeine Formel für die Effektivgröße einer Wechselgröße ist:
Ein Rechteckwechselstrom, also zeichnerisch ein Paar von gleich großen Rechteckimpulsen, die alternierend über/unter der Zeitachse liegen, ist . Falls nichts anderes gesagt wird, sind bei Wechselströmen / Wechselspannungen immer die Effektivwerte gemeint.
Leistung und Leistungsfaktor
Da Wechselstrom die Spannung und Stromstärke periodisch (sinusförmig) ändert, verhält sich ihr Produkt, die Leistung, ebenso.
Im Wechselstromkreis wird die Leistung, im Gleichstrom , auch als Scheinleistung S bezeichnet, und setzt sie sich aus Blindleistung Q und Wirkleistung P zusammen.
Die Scheinleistung wird in VA (Voltampere) angegeben.
Für die Wirkleistung (Einheit: W (Watt)) ergibt sich dann bei sinusfömigem Wechselstrom und -spannunng:
Für die Blindleistung (Einheit: var), die zum Aufbau der elektrischen und magnetischen Felder in einem Stromkreis benötigt wird, jedoch nichts zur tatsächlichen Wirkarbeit im Verbraucher beiträgt, ergibt sich:
Der Term wird Leistungsfaktor, Wirkfaktor oder Verschiebungsfaktor genannt. Er ist der Quotient aus Wirk- und Scheinleistung () und gibt an, welchen prozentualen Anteil der Verbraucher an der Generator-Gesamtscheinleistung (Bemessungsleistung oder früher Nennleistung in kVA) ausschöpft.
Der Idealwert des Leistungsfaktors ist bei der Übertragung auf Leitungen , d. h.. Jedoch beträgt dieser in der Praxis rund 0,8, da Haushalte und Gewerbe immer auch Motoren neben Koch-/Heizgeräten einsetzen. Bei einer Phasenverschiebung sind Spannung und Strom in Phase und der Anteil an der Generator-Nennleistung (in kVA) kann dadurch vollständig, also zu 100% ausgeschöpft werden. Dies ist aber nur mit rein ohmschen Verbrauchern erreichbar.
Der Term wird Blindfaktor genannt.
Dieser errechnet sich aus: und sagt aus, wie groß der prozentuale Anteil der Verbraucher- Blindleistung an der Generator- Nennleistung, ist. Würden die Verbraucher nur Blindleistung verbrauchen, wäre der Generator mechanisch völlig unbelastet (Reibungsverluste, Stromwärmeverluste und Lüfterverluste unberücksichtigt), es wäre dazu auch keine Antriebsenergie nötig. Diese (extreme) Betriebsweise wird als Phasenschieberbetrieb bezeichnet, die Antriebsturbine oder ähnl. deckt nur die mechanischen und elektrischen Verluste ab. Außer der Ersparnis der Primärenergie für die Erzeugung der Blindleistung, werden alle Einrichtungen eines Kraftwerkes daran beteiligt.
Wechselstromwiderstände
In Wechselstromkreisen treten neben ohmschen auch kapazitive und induktive Widerstände auf, diese bewirken im Allgemeinen eine Phasenverschiebung zwischen dem Strom- und Spannungverlauf.
- Kondensator bei Wechselstrom: Kondensatoren und Spulen verhalten sich, wegen der dauernden Spannungsänderung bei Wechselstrom, anders als bei Gleichstrom. Dort lässt ein Kondensator nur für die Dauer des Aufladens einen Strom fließen, danach bildet der Kondensator eine Unterbrechung des Stromkreises, weil das zwischen den Kondensatorplatten befindliche Dielektrikum kein Stromleiter, sondern ein elektrischer Isolator ist. Bei Wechselstrom aber ermöglicht dieser Kondensator, infolge des ständigen Umladens der metallischen Platten, einen Stromfluss, der durch den Widerstand begrenzt wird. C ist dabei die Kapazität des Kondensators in Farad, die Kreisfrequenz der angelegten Spannung. Der 90 ° vorauseilende Strom lädt den Kondensator und baut damit die Spannung an den "Platten" des Kondensators auf. Der Strom fließt zunächst, und daraus resultiert der Spannungsanstieg am Kondensator.
- Drosselspule bei Wechselstrom: Bei einer verlustlosen Spule (ideale Drosselspule) dagegen eilt die Spannung dem Strom um 90° voraus, weil durch Selbstinduktion (siehe Lenzsches Gesetz) in der Spule eine Spannung erzeugt wird, die den Strom um den Phasenwinkel φ später ansteigen lässt. Der induktive Widerstand, den die Spule dem Strom entgegensetzt, ist durch gegeben. Die Induktivität wird in Henry [Vs/A ]angegeben.
- Berechnung der Wechselstromschaltung mit komplexen Zahlen: Zur Berechnung weiterer Wechselstromschaltungen ist es zweckmäßig Zeigerdiagramme oder komplexe Zahlen (siehe komplexe Wechselstromrechnung) zu verwenden. Auf diesem Wege ergibt sich beispielsweise für den Wechselstromwiderstand (die Impedanz) einer Reihenschaltung aus ohmschem Widerstand X0, induktivem Widerstand XL und kapazitivem Widerstand XC die Formel:
bzw. für eine Reihenschaltung aus einem Widerstand, einer idealen Spule und einem idealen Kondensator:
der zugehörige Phasenwinkel errechnet sich zu
- .
Frequenzbereiche
Der normale Netzwechselstrom hat in Deutschland und anderen europäischen Staaten eine Frequenz von 50 Hz. Die meisten europäischen Eisenbahnen, u.a. die Deutsche Bahn AG nutzen eine (Bahn-)Netzfrequenz von 16,7 Hz (früher genau 16 2/3 Hz), die mit den überwiegend verwendeten Kommutatormotoren besser genutzt werden konnte. Für Funkübertragungen und andere Zwecke werden hochfrequente Wechselströme mit Frequenzen im Kilohertz- oder Megahertz-Bereich benutzt.
Man zählt Ströme bis 20.000 Hz zur Niederfrequenz, die Mittelfrequenz reicht bis 300.000 Hz, die Hochfrequenz bis 300 MHz, anschließend beginnt die Höchstfrequenz.
Hochfrequente Wechselströme (300 - 3.000 kHz) mit sehr geringer Stromstärke werden u. a. in der medizinischen Therapie als Diathermieströme eingesetzt. Sie werden für zur Erwärmung bestimmter tief liegender Gewebeabschnitte verwendet.
In der Regel sind technisch genutzte Wechselströme sinusförmig. Nicht sinusförmige Wechselströme findet man vor allem in der elektrischen Messtechnik. Dort werden z. B. Ströme mit symmetrischen Rechtecks- und besonders mit Dreiecksverlauf (auch Rampe genannt) verwendet.
Einphasenwechselstrom und Drehstrom
Ein System von drei miteinander verketteten Einphasenwechselströmen wird als Drehstrom oder Dreiphasenwechselstrom bezeichnet. Er entsteht, wenn in einem Generator statt nur einer Spule drei im Kreis um je 120 ° versetzt angeordnete Spulen einem rotierenden Magnetfeld ausgesetzt sind. In den Spulen entstehen dann einzelne Wechselspannungen, die zeitlich um jeweils eine Drittelperiode (oder 120° bei einem Kreisumlauf) gegenüber den anderen Spulenspannungen versetzt ist. Leitet man diese Spannungen in einen Motor mit 3 im Kreis versetzten Spulen, so entsteht wieder ein rotierendes Magnetfeld, das einen einfachen Kurzschlußläufer in Rotation versetzt. Damit sind sehr wirschaftliche Antriebe möglich und auch eine weniger materialaufwändige Weiterleitung in Energieversorgungsnetzen. Im Prinzip kann man auch Mehrphasenwechselströme mit 5,7 oder mehr Phasenerzeugen solange ihre Anzahl ungerade ist.