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Blauzungenkrankheit

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Die Blauzungenkrankheit (auch Bluetongue, Maulkrankheit oder engl. Catarrhal fever of sheep genannt) ist eine virale Infektionskrankheit von Schafen, Kühen und anderen domestizierten und wild lebenden Wiederkäuern.

Krankheitserreger

Der krankheitsauslösende Erreger ist das Blue-Tongue-Virus (BTV), ein Orbivirus aus der Familie der Reoviridae und er gehört somit zu den unbehüllten doppelsträngigen RNA-Viren, (dsRNA). Von diesem Virus sind bislang mindestens 24 verschiedene Serotypen bekannt, die jeweils eine unterschiedliche Virulenz aufweisen.

Übertragung

Diese Infektionskrankheit wird durch Culicoides imicola, einer Mücke aus der Familie der Gnitzen, auch von Stechmücken (Culicidae) und durch Zecken auf biologischem Wege übertragen (siehe auch Virusinfektion). In Griechenland, Bulgarien und der Türkei, wo die Blauzungenkrankheit 2001 auch aufgetreten ist, könnten auch Culicoides obsoletus und Culicoides pulicaris als mögliche Vektoren von Bedeutung sein. Dort war im Gegensatz zu den beiden Letztgenannten die Culicoides imicola nicht nachzuweisen. Weiterhin sind die Arten C. actoni, C. brevitarsis, C. fulvus, C. imicola, C. insignis, C. nubeculosus und C. variipennis eindeutig als Krankheitsüberträger bewiesen.

All diese blutsaugenden Insekten nehmen das im Blut eines bereits infizierten Tieres zirkulierende Virus während des Saugaktes auf. Nach einem Vermehrungszyklus des Virus im Insekt, bei dem das Virus auch in die Speicheldrüse gelangt, übertragen es beim nächsten Saugen auf ein anderes, ggf. noch nicht infiziertes Tier. Eine Übertragung sowohl durch Kontaktinfektion bzw. Schmierinfektion unter Tieren, wie eine generelle Übertragbarkeit auch auf den Menschen ist nicht bekannt.

Eine rein mechanische Übertragung des Blue-Tonge-Virus durch Arthropoden wie z.B. durch die Schaflausfliege (Melophagus ovinus) wurde ebenfalls schon 1965 nachgewiesen.

Eine weitere Möglichkeit ist die Übertragung des BTV durch viruskontaminierte Spritzen im Rahmen tierärztlicher Tätigkeiten.

Die Empfänglichkeit für diese Infektionskrankheit ist beim Schaf, besonders bei den Lämmern am größten, bei den verschiedenen Schafsrassen jedoch ungleich verteilt. Ziegen und andere Haustiere erkranken weniger häufig und schwer. Als Erregerwirte bzw. Reservoirwirte gelten haupsächlich Rinder, die selbst ebenfalls nur selten schwer erkranken, sowie Wildwiederkäuer (Antilopen, Hirsche) und afrikanische Wildnager.

Vorkommen und Ausbreitung

Die Krankheit wurde erstmalig in Südafrika festgestellt und von dort mit Merinoschafen in andere Teile Afrikas verschleppt. Dort tritt sie überwiegend während der Sommerregenzeit auf. Diese saisonale Erscheinungsform der Erkrankung hängt eng mit der Flugzeit der Culex-Mücken zusammen. Die Seuchenhöhepunkte sind daher bei feuchtwarmem Wetter und während der Schwärmperiode. Durch Winde können infizierte Mücken bis zu 200 Kilometer weit versetzt werden und anschließend am neuen Ort den Erreger weiterverbreiten.

Durch die Klimaerwärmung ist die Krankheit aus Afrika über die Mittelmeer-Inseln auch nach Süd- und Mitteleuropa vorgedrungen. Weiterhin wurde die Blauzungenkrankheit auch in arabischen, asiatischen, europäischen und nordamerikanischen Ländern nachgewiesen. Im Jahre 2000 hat sich Bluetongue in Schafbeständen auf Sizilien, Sardinien, Korsika und auf den Balearen bestätigt. Die Vektoren der Blauzungenkrankheit wurden in der warmen Jahreszeit zunehmend auch in vielen anderen Gebieten der EU gefunden. In den Jahren 2001 und 2002 wurden Seuchenausbrüchen in Südeuropa (Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Italien, Albanien) gemeldet. Die Viruserkrankung ist auch schon in der Toskana bei Schafen und Rindern festgestellt worden und breitet sich stetig nordwärts aus. Nach Voraussage des Spezialisten Philip Mellor vom Institute for Animal Health wandere mit jedem weiteren Grad der Temperaturerhöhung im Verlauf der aktuellem Klimaerwärmung die krankheitsübertragende Mückenart 90 km weiter nach Norden.

Bis Anfang 2003 wurden Krankheitsfälle auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, Tunesien und Singapur aber auch in Südamerika (Brasilien, Argentinien) gemeldet. Durch Tierbewegungen, über das Sperma und den Handel infizierter Tiere einerseits, die Verschleppung von Insekten durch Flugzeuge und starke Winde andererseits kann der Erreger jederzeit in weitere freie Regionen eingeschleppt werden. Dort ist ihm ein Überleben jedoch nur möglich, wenn geeignete Vektoren und eine empfängliche Wirtspopulation vorhanden sind.

Bluetongue ist nunmehr in Afrika, im Nahen Osten, auf dem Indischen Subkontinent, in China, den USA und Mexiko, wo die Mücken als Überträger ganzjährig aktiv sind, klinisch präsent. Virusstämme ohne typisches Krankheitsbild sind in Südostasien, im nördlichen Südamerika, in Nordaustralien und in Papua Neuguinea nachgewiesen worden.

Krankheitsbild

Die Blauzungenkrankheit ist eine zyklische (phasenweise in verschiedenen typischen Stadien ablaufende) Allgemeinerkrankung.


Nach einer Inkubationszeit von fünf bis zwölf Tagen kommt es nur in rund 5% aller Rindererkrankungen mitunter zu Fieber, verstärkter Speichelsekretion, Hyperämie sowie Schwellungen und Geschwüren im Maul.


Bei den wesentlich häufiger betroffenen Schafen treten hier nach einer Inkubationszeit von 2 bis 15 Tagen folgende Symptome auf:

  1. 6 bis 8 Tage anhaltendes Fieber
  2. Hyperämie bzw. Kongestion (vermehrte Blutfülle) der Kopfschleimhäute
  3. Hämorrhagien (innere Blutungen)
  4. Ödembildung (Schwellung infolge der Ansammlung von Flüssigkeiten im Gewebe) an Lippen, Augenlidern und Ohren
  5. Zyanose (blaurote Färbung infolge mangelnder Sauerstoffsättigung des Blutes) im Maulbereich und der Zunge
  6. Geschwüre und Erosionen (medizinisch: nässender, nicht blutender, nur die oberste Schicht der Haut oder Schleimhaut betreffender Substanzverlust) an den Schleimhäuten
  7. häufig schaumiger Speichelfluss, Nasenausfluss (eventuell eitrig) und Atembeschwerden
  8. Lahmheiten, hervorgerufen durch Muskel- und Klauensaumentzündung
  9. mitunter auch Aborte (Fehlgeburten) und angeborene Missbildungen


Die Sterblichkeit der erkrankten Tiere ist je nach Tierart und Region unterschiedlich hoch. Insgesamt liegt sie zwischen 2 und 80%.

Vorbeugung und Therapie bei Haustieren

Zur Krankheitsvorbeugung gehören die planmäßige Insektenbekämpfung, die Stallhaltung gefährdeter Tierbestände während der Nacht sowie die aktive Immunisierung in verseuchten oder seuchenverdächtigen Ländern.

Bei einem mildem Krankheitsverlauf besonders bei Rindern ist auch eine selbständige Heilung möglich. Eine medikamentöse Unterstützung zur Genesung z.B. durch Virustatika ist auf Grund mangelnden Erfolges und ein unvertretbar ungünstiges Kosten-Nutz-Verhältnis praktisch nicht gegeben.

Literatur

Ebner, Dieter: Blauzungenkrankheit Lehrbuch der Schafkrankheiten. Heinrich Behrens, Martin Ganter, Theodor Hiepe. Hrsg. Martin Ganter. 4. vollst. neubearb. Aufl.. Berlin: Parey, 2001. – S. 159-162.