Horrorfilm
Das Film-Genre des Horrorfilms kann unter Aspekten der Werkmerkmale und unter Gesichtspunkten der Rezipientenerwartungen und der Zuschauerreaktionen definiert werden. Zu den Werkmerkmalen gehören unabdingbar eine Bedrohung, die nicht rational erklärt werden kann und die eine Verletzung der physikalischen und physischen Gesetze darstellt. Wobei in der Fiktion des Horrorfilms vorderhand die physikalischen Gesetze und der Rationalismus unserer Alltagswelt unbedingte Geltung haben - im Unterschied zum Märchen oder zum Fantasiefilm in denen z.B. Teufel und Hexen unhinterfragter Bestandteil der vorgestellten Welt sind.
Zu den Elementen des Horrorfilms gehört der Wissenschaftler, dessen Autorität z.B. der Grenzverletzung erst seine aussergewöhliche Bedeutung verleiht. Im klassischen Horrorfilm stehen im weiteren Rollenpersonal die "jungfräuliche Braut", der "Held und Bräutigam", der böse (z.B. Dracula) und der gute Vater (van Helsing) und das Monster. Das gotische Haus mit seinen vertikalen Linien, Treppenfluchten und Fluren ist ein Standardspielort des Horrorfilms, der bis heute nichts von seiner Attraktivität verloren hat (siehe Freud, "Über das Unheimliche"). Zu den wesentlichen Theorien über den Horrorfilm zählen die psychoanalytische Interpretation, die feministische Theorie und die soziale Theorie des Horrorfilms.
Bis in die 1930er Jahre kann man auf Seiten der Zuschauererwartung noch nicht von einem Genre des Horrorfilms sprechen, das es einen entsprechenden Korpus an Filmen noch nicht gab. Erst Dracula (1930), der erfolgreichste Stoff der Horrorfilmgeschichte und der Filmgeschichte überhaupt, und Frankensteins Monster stießen die Produktion zahlreicher Varianten an.
Horrorfilme können unter dem Aspekt des Zuschauerreaktionen definiert werden, wobei Angst, Schrecken und Ekel auch durch andere grafische Darstellungen erzeugt werden können, wie mit einem Dokumentarfilm über medizinische Operationen leicht nachzuweisen ist. Der Horrorfilm bedient sich der Elemente des Horrors, da der Haupteffekt, der beim Zuschauer erzeugt werden soll, Spannung und Schrecken sind.
Horrorfilme rufen wie kaum ein anderes Genre zwiespältige Reaktionen und deutliche Ablehnung hervor. Während z.B. dem Kriminalfilm gegenüber eine gleichgültige Haltung eingenommen werden kann, gibt es die diffuse Einstellung gegenüber Horrorfilmen selten. Nahezu jede Gesellschaft verfügt über eine dezidierte Zensur, welche die Darstellung von grafischer Gewalt kontrolliert. Deshalb wird kaum ein Horrorfilm in seiner vollständigen ursprünglichen Fassung dem Publikum präsentiert und die Lauflängen der Filme sind in unterschiedlichen Ländern deutlich verschieden.
Die Wirkungstheorien postulieren einerseits einen kathartischen Effekt, also eine Reinigung von aggressiven Impulsen, und andererseits einen Desensibilisierungs-Effekt, dass heisst eine Gewöhnung an Gewalt, die auch zu einer erhöhten Toleranz gegenüber Gewalt im Alltag und einer reduzierten Empathie mit Opfern von Gewalt im Alltag führt. Empirische Untersuchungen belegen eher den gewaltfördernden Desensibilisierungs-Effekt.
Entwicklung
Der klassische Horrorfilm
Bereits 1910 gab es den ersten Frankenstein-Film. 1922 mit Nosferatu, eine Symphonie des Grauens eine der ersten Verwendungen des Dracula-Motivs (dessen Dreharbeiten später selbst Thema eines Horrorfilm wurden). Das "andere" kam zunächst aus exotischen Ländern (Nosferatu, Dracula, King Kong, die Mumie) und bedrohte häufig die Braut des Helden. Das "andere" konnte durch seine brutale Zerstörung (Frankensteins Monsters) als Bedrohung beseitigt werden und die Ordnung der Gesellschaft mit den klassischen konservativen Rollen- und Moralvorstellungen konnte wieder hergestellt werden.
Während der Kriegsjahre wurden kaum Filme mit grafischer Gewalt produziert, der tatsächliche Horror spielte sich auf den Schlachtfeldern ab.
In den 1950ern war der Horrorfilm meistens eine Variante des gruseligen Science Fiction-Films. Zielgruppe waren zumeist Kinder oder Jugendliche (z. B. I was a teenage Werewolf).
Der postmoderne Horrorfilm
Mitte der 60er kamen mit Peeping Tom, Psycho und Die Nacht der lebenden Toten (1968) die ersten Genre-Filme für Erwachsene, in denen explizit Bezug auf das alltägliche Leben der Zuschauer genommen wurde. Die Bedrohung kam nicht mehr aus einer anderen Zeit oder einer anderen Welt sondern war in der normalen Lebenswelt eingegliedert. Die Grenzen zwischen den Bösen und den vermeintlich Guten wurden verwischt. Aus den Visionen der Tabu-Verletzung als Gefahr für das Individuum (z. B. Frankensteins Monster: Wenn du gottgleich die Grenze zwischen Leben und Tod überschreiten willst, gerät dein Plan, eine Familie zu haben, in Gefahr) wird eine Apokalypse für die ganze Gesellschaft, d. h. der Fehler eines Einzelnen kann alle töten. Das gute Ende ist nicht mehr Gewissheit, sondern häufig siegt die Bedrohung, wobei Night of the Living Dead eine Einzelstellung einnimmt, hier sterben alle Protagonisten. Außerdem begründete Night of the Living Dead die Erwartung immer stärkerer Effekte bezüglich der dargestellten Gewalt und der zerstörten Körper.
Später drehte John Carpenter mit dem ersten Halloween-Film den ersten modernen Slasherfilm und trat eine Welle von Serien los wie Freitag der 13. oder A Nightmare on Elm Street, in denen junge unbekannte Schauspieler eine ideale Projektionsfläche für ein jugendliches Publikum boten. Auslöser war die Erfolgswelle der Horrorbücher (siehe Horror). Erst mit dem Film Scream Ende der 1990er erkannte man, dass es wieder ein Interesse an dieser Art von Filmen gab. Die Folge: Zwei Fortsetzungen von Scream sowie mehrere Teile von Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast, Düstere Legenden oder Final Destination.Die diese Horror-Welle richtet sich deshalb im Wesentlichen an ein jugendliches Publikum und setzt deshalb auch auf ebenso junge Schauspieler.
Nachdem Splatter, Gore, Slasher und Mondo Horrorfilme die Grenzen des Darstellbaren weitgehend ausgereizt haben und ein Umschlag in die Parodie erfolgte Brain Dead kam es mit den asiatischen, vornehmlich japanischen Horrorfilmen Ring zu einer neuen Wendung in dem Genre. Die explizite Gewalt verschwindet zunächst wieder von der Leinwand, neue Sound-Art und optische Effekte bereiten das Grauen. The Eye(2002) ist ein positiver Horrorfilm mit mehreren bemerkenswerten Besonderheiten: a) es gibt fast keine Männer - und es gibt keine Vaterfiguren, b) es gibt kein explizit böse Macht, sondern nur unglückliche Tote und c) es gibt anders als im postmodernen Horrorfilm ein positives lebens- und gesellschaftsbejahendes Ende.
Berühmte Horrorfilme
Weblinks
- http://retro-park.de/download/ Das Dokument des Grauens, eine exzellent beschriebene Geschichte des Horrorfilms
- filmforen.de - offene Bibliografie zum Horrorfilm (wird ständig erweitert)