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Geschichte der Ukraine

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Frühgeschichte

Die früheste Geschichte der Ukraine ist geprägt von den indogermanischen Steppenvölkern des Kurganvolks, der Kimmerier, der Skythen, Sarmaten und Alanen. Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. wurden an der Schwarzmeerküste, auf der Krim-Halbinsel und am Asowschen Meer auch zahlreiche griechische Kolonien gegründet, aus denen sich später das sog. Bosphoranische Reich entwickelte.
Im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. herrschten die Goten über das Land an Dnjestr und Dnjepr, sowie über die Halbinsel Krim, wo sich Reste der Goten noch viele Jahrhunderte halten sollten (siehe Krimgoten). Danach zogen verschiedene asiatische Nomadenvölker wie beispielsweise Hunnen, Awaren und Magyaren durch die südukrainischen Steppen.

Kiewer Rus

Im 9. Jahrhundert errichteten slawische Stämme unter dem Einfluss skandinavischer Waräger ein Großreich mit Zentrum in Kiew, die "Kiewer Rus". Dieser Staat wird heute von der Ukraine, Russland und Weißrussland gleichermaßen als Vorläuferstaat gesehen. Der Begriff Ukraina wurde erstmals 1187 in einer Chronik (Іпатіївський літопис, Ipatijiwskyj Litopys) für die südwestlichen Gebiete des Kiewer Reiches, später für das galizisch-wolhynische Gebiet verwendet. In historischen Liedern und volkstümlichen Balladen hat das Wort "Ukraina" dabei die Bedeutung "Land" oder "Erde", und nicht, wie oft interpretiert, "am Rand" oder "Grenzland".

Im 13. Jahrhundert erlangten Nomadenstämme aus Asien ("Goldene Horde") die Herrschaft über das Gebiet. Von hier an wird die ukrainische Geschichte getrennt von der russischen gesehen, die ihre Zentren nach Norden (Moskau, Nowgorod) verlegte.

Polnisch-Litauisches Königreich und Krim-Khanat

Der Westen (Galizien und Wolhynien) kam im 14. Jahrhundert zum Großfürstentum Litauen (siehe Geschichte Litauens) und wurde später Teil des mächtigen Doppelstaates Polen-Litauen. Der Süden wurde zu einem eigenständigen türkisch dominierten Krim-Khanat. (Große Teile der damals als "Südrussische Steppengebiete" aufgefassten Südukraine wurde in der Zeit 1368-1783 von den Nachfahren der Nogaier-Horde, den Schwarz-Nogaiern beherrscht und - in Gemengelage - besiedelt. Viele als "Krimtürken" aufgefasste Nomaden waren in Wirklichkeit Nogaier.)

Kosakenstaat

Gegen den Widerstand der polnisch-litauischen Adligen errichtete Bohdan Chmelnyzkyj 1648 durch einen Vertrag mit dem polnischen König Jan Kazimierz einen eigenständigen ukrainischen Kosakenstaat (Hetmanat) mit Regierungssitz in Tschyhyryn, der aber 1651 durch Bündnisse mit Russland und dem Osmanischem Reich wieder schnell in Abhängigkeiten gerät.

Nebenartikel: Darstellung der historischen Umstände, die zur Bildung des ersten ukrainischen Hetmanates führten.

Russland

1796 wurden die südlichen und östlichen Gebiete zu einem russischen Gouvernement zusammengefasst und es wurden die Städte Sewastopol (1763, Militärhafen und Festung) und Simferopol (1784) auf der Halbinsel-Krim sowie die Hafenstadt Odessa (1793) gegründet sowie die bisher fast unbewohnten Steppengebiete im Südosten kultiviert und mit Russen bevölkert. In dieser Zeit wurde die Ukraine auch als „Kleinrussland“ bezeichnet. Die westlichen Gebiete kamen als "Galizien-Lodomerien" zu Österreich-Ungarn.

Erste Unabhängigkeit

Der ukrainische Historiker Mychailo Hruschewskyj schuf im 19. Jahrhundert die wissenschaftliche Grundlage für eine ukrainische Nationalbewegung, indem er der Auffassung eines einheitlichen ostslawischen (russischen) Stromes der Geschichte sein Schema einer getrennten Entwicklung der Volkstümer der Russen und Ukrainer entgegenstellte. Daraufhin begannen sich in Kiew Kräfte zu formieren, die eine Unabhängigkeit von Russland einforderten.

1917, nach dem Sturz der Zarenregierung, kam in Kiew der Ukrainische National Kongress zusammen und wählte einen obersten Rat (ukr. Zentralna Rada, „Zentral Rat“ ). Hruschewskyj wurde der erste Vorsitzende der Zentralna Rada. Der Zentralrat rief die Unabhängigkeit der Ukraine aus und trat in Verhandlungen mit der provisorischen russischen Regierung.

Nach der Oktoberrevolution rief der Zentralrat zunächst die Autonomie aus, am 22. Januar 1918 dann die volle Selbstständigkeit als Ukrainische Volksrepublik - Ukrajinska Narodnja Respublika (UNR). Die durch den Zentralrat gebildete ukrainische Regierung verlor ihren Einfluss jedoch spätestens mit dem Einmarsch deutscher Truppen nach dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk, mit dem die kommunistische Regierung Russlands unter Androhung der Kriegsfortführung gezwungen wurde, die Ukraine, Litauen, Lettland und Estland an das Deutsche Reich zu übergeben. Die deutsche Regierung setzte General Pawlo Skoropadskyj als Hetman an die Spitze des ukrainischen Staates. Nach dem Ende des Krieges 1918 und dem Abzug der deutschen Truppen herrschte wieder Bürgerkrieg. 1919 wurde die Ukraine (ohne Galizien) zu einer Sowjetrepublik. Von 1917 bis 1921 waren große Teile der Ukraine anarchistisch organisiert (vgl. Machnotschina).

Teile der Westukraine fallen an Polen

In dem ehemals österreich-ungarischen Kronland Galizien bildete sich im östlichen Teil nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im Januar 1919 analog die Westukrainische Volksrepublik - Sachidno-Ukraijnska Narodnja Respublika (SUNR), deren Hauptstadt Stanislau (heute Iwano-Frankiwsk) war.

1921 musste die Westukrainische Volksrepublik nach einem Krieg Polens (Piłsudski) kapitulieren und auch Ost-Galizien wurde polnisch. Wolhynien wurde geteilt, in Polen entstand für 18 Jahre die Woiwodschaft Wołyn. Auch die Gegend um Lemberg (Woiwodschaft Lwów), sowie um die Stadt Ternopil (Woiwodschaft Tarnopol) und die Woiwodschaft Stanisławów gehörten nun für fast zwei Jahrzehnte zu Polen.

1922 wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik offiziell Teil der neu gegründeten Sowjetunion.

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Illustration der Hungersnot durch Anzahl der Sterbefälle nach Oblasten. Schaubild aus Kiew.
Datei:Kiev-Monument-Starvation.jpg
Mahnmal in Kiew zum Gedenken an die Hungersnot

Sowjetzeit und 2. Weltkrieg

Datei:Flag SSR-Ukraine.png
SSR Ukraine

Im Rahmen der sowjetischen Industrialisierung wurden im Osten der Ukraine in den heutigen Millionenstädten Dnepropetrowsk (u.a. Chemie), Donezk (u.a. Schwerindustrie, Kohlebergbau) und Charkov (u.a. Flugzeuge) grosse wirtschaftliche Zentren mit Universitäten entwickelt.

Durch die Kollektivierung in der UdSSR durch Stalin wurde eine Hungersnot verschuldet, die 7 - 14 Mio. Opfer forderte. Anfangs fanden die deutschen Truppen ab Juni 1941 im Zweiten Weltkrieg in der westlichen Ukraine etliche Unterstützer gegen die Sowjetmacht, was sich jedoch infolge der menschenverachtenden Besatzungspolitik schnell änderte, denn in der Ideologie der deutschen Faschisten galten Ukrainer und auch alle anderen "Slawen" als "Untermenschen". Von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) wurde kurz nach der Annexion durch Deutschland am 30. Juni 1941 in Lwow ein eigenständiger ukrainischer Staat proklamiert, welcher sich als gleichberechtigter Bündnispartner Hitlers verstand; was aber von den deutschen Nationalsozialisten selbstverständlich nicht akzeptiert wurde - im Gegenteil - die Anführer der OUN wurden verhaftet und in die KZs Ravensbrück und Sachsenhausen gebracht. Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg stand das Land als Reichskommissariat Ukraine zum größeren Teil unter deutscher Zivilverwaltung. Die Ukraine war neben den Baltischen Staaten und Weißrussland einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges. Die deutsche Wehrmacht und SS verursachte in der Ukraine 5-7 Millionen Tote, die Städte und die Wirtschaft wurden fast völlig zerstört. Der Plan Deutschlands war, im Verlauf der kommenden 20 Jahre nach 1941 in der Ukraine 20 Mio. Deutsche anzusiedeln, zuvor sollte die Ukraine als Kolonie dienen, die man ökonomisch rücksichtslos ausgeplündern wollte. Seit dem Winter 1941/42 wurden trotz hungernder ukrainischer Bevölkerung Fleisch, Milch und Getreide "requiriert" und nach Deutschland transportiert. Nur noch 30 Prozent der als Existenzminimum geltenden Lebensmittelmenge wurde ab Dezember für die Einwohner Kiews verfügbar. Über eine Mio. Ukrainer wurden zur Zwangsarbeit Richtung Deutschland deportiert. Vor Verschleppung, Erschiessungen und Deportation konnte sich viele nur durch Flucht zu Partisanenverbänden retten. Alle ukrainischen Organisationen wurden zwangsweise aufgelöst, selbst alle Sportvereine und das ukrainische Rote Kreuz. Ab Anfang 1942 wurden sämtliche Schulen und Schulklassen oberhalb der vierten Klasse geschlossen. Ukrainische Bücher und Zeitschriften wurden nicht mehr zum Druck zugelassen, einige wenige noch erlaubte Zeitungen wurden streng zensiert. Es wurden massenhafte öffentliche Geiselerschießungen durchgeführt und etwa 250 Ortschaften vollständig zerstört. Die Ukraine und Ostpolen waren die Gebiete, in denen die meisten Menschen dem Holocaust an Juden, Sinti und Roma zum Opfer fielen. Mit den SS-Einsatzgruppen begannen die massenhaften Erschießungen von Juden. Das bekannteste dieser Massaker fand am 29. und 30. September 1941 in Babi Jar bei Kiew statt, wo mehr als 33.000 jüdische Kiewer ermordet wurden, gefolgt von weiteren regelmäßigen Massenerschießungen mit weiteren etwa 70.000 Toten. Darüberhinaus wurden alle zivilen Kommunisten und KPdSU-Mitglieder erschossen, derer man habhaft werden konnte. In der Ukraine legte Deutschland etwa 180 Lager an, in denen etwa 1,4 Mio. Gefangene ermordet wurden.

Zwischen 1943 und 1947 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die deutschen Okkupanten, sondern gab es auch eine starke nationalistische Unabhängigkeitsbewegung (ukrainische Aufständischenarmee: "Ukrainska Povstanska Armija") gegen die Sowjetherrschaft, die vom NKWD niedergeschlagen wurde. Da nach Kriegsende die Ukrainischen Nationalisten einen Krieg gegen die Sowjetarmee begannen, wurden rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien umgesiedelt. Danach wurde es wieder Teil der Sowjetunion und trug den Namen USFSR (Ukrainische Sozialistische Föderative Sowjet-Republik). Im Zuge der "Westverschiebung" Polens wurde die polnische Bevölkerung aus der Ukraine und die ukrainische aus Polen gewaltsam vertrieben (Operation "Wisła/Weichsel").

Nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 fiel auch der östliche Teil der Tschechoslowakei, die Karpato-Ukraine, die nach 1938 von Ungarn annektiert worden war, zur Ukrainischen Sowjetrepublik.

1954 kam die Krim als Geschenk Nikita Chruschtschows an die Ukraine.

Im Jahre 1986 kam es zu einer Katastrophe, als eine Explosion im Kernkraftwerk von Tschernobyl große Mengen radioaktiver Stoffe freiwerden ließ, die anschließend durch den Wind über weite Teile Europas verteilt wurden.

Erneute Unabhängigkeit

Nebenartikel: Politische Entwicklung der Ukraine (1991-2004) von der Unabhängigkeit bis zur Orangenen Revolution

Unabhängigkeitsbestrebungen, die die ganze Zeit existierten und ihr Zentrum in der Westukraine in Lwiw hatten, führten nach der Perestroika 1991 im Zuge der Auflösung der Sowjetunion zur erneuten Unabhängigkeitserklärung. Die Sowjetunion gab der Ukraine die staatliche Unabhängigkeit.

Seitdem kämpfte die Ukraine v.a. in den 1990er Jahren mit starken wirtschaftlichen Problemen und versucht, außenpolitisch zum einen, eine neutrale Rolle sowohl dem Westen als auch Russland gegenüber zu spielen. In Sewastopol auf der Krim hat die Ukraine einen Militärhafen an die russische Schwarzmeerflotte verpachtet, andererseits bemüht sich die Ukraine um stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland, beispielsweise mit der Gründung des westlich orientierten Staatenbundes GUUAM nach Vorbild der EU mit Moldawien, Georgien, Aserbaidschan und Usbekistan.

Von 1991 bis 1994 war Leonid Krawtschuk der erste Präsident der Ukraine. Von 1992 bis zu seinem Rücktritt im September 1993 war Leonid Kutschma Ministerpräsident und seit 1994 Präsident der Ukraine; 1999 wurde er erneut zum Präsidenten gewählt. In seiner Amtszeit als Präsident setzte er sich ab 1994 verstärkt für eine neue Verfassung ein, konnte sich aber gegen ein Bündnis von Links-Parteien nicht durchsetzen. Erst im Juni 1996 nahm das Parlament die neue Verfassung an.

Vom 22. Dezember 1999 bis 29. Mai 2001 war Wiktor Juschtschenko Ministerpräsident der Ukraine, dieses Amt verlor er 2001 durch ein Misstrauensvotum des Parlaments, als er mit seinen Bemühungen gegen die wachsende Korruption einigen Oligarchen gefährlich wurde. Nachfolger im Amt des Premierministers wurde der aus Mikolajew stammende Anatolij Kinach (Partei der Industriellen und Unternehmer Ukraine/PPPU), danach ab 21. November 2002 Wiktor Janukowitsch, der am 31. Dezember 2004 seinen Rücktritt ankündigte. Präsident Kutschma nahm das Rücktrittsgesuch Janukowitschs am 5. Januar 2005 an und bestimmte den Ersten Stellvertreter des Regierungschefs und Finanzminister Mykola Asarow zu Janukowitschs Nachfolger. Asarow war vor seiner Tätigkeit in der Regierung seit Oktober 1996 Leiter der Staatlichen Steuerbehörde.

Im Herbst 2004 fanden Präsidentschaftswahlen statt. Der seit 1994 amtierende Präsident Leonid Kutschma durfte laut Verfassung nach zwei Amtszeiten nicht mehr zu dieser Wahl antreten, die allgemein als Richtungswahl für eine West- oder Ostausrichtung des Landes angesehen wurde. Die Ereignisse um die Stichwahl am 21. November mündeten in die so genannte Orangene Revolution, einem mehrwöchigen friedlichen Protest gegen Wahlfälschungen, in dessen Folge nach einem Beschluss des Obersten Gerichts am 26. Dezember 2004 die Stichwahl wiederholt wurde. Die Wiederholungswahl konnte Juschtschenko für sich entscheiden.

Siehe auch: Geschichte Russlands, Geschichte Weißrusslands, Geschichte der Karpato-Ukraine