Unser Sandmännchen
Das Sandmännchen ist eine Trickfilm-Fernsehpuppe, die jeweils vor und nach Ende eines kurzen Filmes in einer kurzen Rahmenhandlung erscheint. Es basiert auf der literarischen Figur des Sandmanns, der schon seit Jahrhunderten existiert, zum Beispiel von E.T.A. Hoffmann oder Hans Christian Andersen.
Das Sandmännchen ist ein kleiner Mann mit weißem Spitzbart und Zipfelmütze. Indem es am Ende jeder Sendung seinen Traumsand streut, soll es die Kleinkinder zum Ins-Bett-Gehen motivieren.
Entwicklung
Die Idee zu einem Fernseh-Sandmann hatte Anfang 1959 Dr. Ilse Obrig vom Sender Freies Berlin, die bereits den Radio-Vorläufer Abendlied beim Berliner Rundfunk entwickelt hatte, aus dem 1958 der DFF-Abendgruß wurde.
Gemeinsam mit der Puppengestalterin und Autorin Johanna Schüppel entwickelte Ilse Obrig eine einfache kleine Handpuppe. Doch noch bevor "Sandmännchens Gruß für Kinder" am 1. Dezember 1959 auf dem SFB-Bildschirm erschien, sendete die östliche Konkurrenz, der Deutsche Fernsehfunk (DFF), am 22. November 1959 "Unser Sandmännchen". Die Fernsehmacher in Berlin-Adlershof unter dem damaligen Fernsehchef Walter Heynowski hatten von der Entwicklung eines West-Sandmännchens erfahren und produzierten mit aufwendiger Tricktechnik die erste Folge des Ost-Sandmännchens. Innerhalb von zwei Wochen hatte der Bühnen- und Kostümbildner Gerhard Behrendt, der damals im Trickfilmbereich des DFF arbeitete, die gewünschte Sandmann-Figur zu schaffen. Die Kulissen und die zahlreichen Fahrzeuge baute Harald Serowski.
Die erste Folge endete damit, dass der Sandmann nach getaner Arbeit an einer Straßenecke einschlief. Die Ausstrahlung dieser Szene - es war Ende November - führte zu Protesten von Eltern. Hingegen sollen viele Kinder dem Sandmännchen in Briefen ihre Betten angeboten haben.
Im Sommer 1960 bekam das Ost-Sandmännchen seine endgültige Form mit dem bis heute typischen Bart. In der Folgezeit entstanden Sandmännchen-Folgen mit vielfältigem Inhalt - Alltagsszenen, Reisen des Sandmännchens in ferne (meist sozialistische) Länder und auch ins Weltall (u.a. reiste der Sandmann mit einer Lunochod-Kapsel auf den Mond), Märchenszenen, aber auch Szenen mit starkem politischen Inhalt, etwa Besuche des Sandmännchens bei der Nationalen Volksarmee oder den Grenztruppen an Oder und Neiße.
In den Filmen, die von der Rahmenhandlung eingeschlossen waren, erschienen zahlreiche Figuren, die Kultstatus erlangten - zum Beispiel Pittiplatsch (ein Kobold) und Schnatterinchen (eine Ente) sowie Moppi (ein Hund), Herr Fuchs und Frau Elster oder später Plumps (ein Wasserkobold) und das Küken. Andere Figuren waren z.B. Meister Briefmarke oder Frau Puppendoktor Pille (die zu Elternbeschwerden wegen des Reimes "Frau Puppendoktor Pille mit der großen klugen Brille" führte, weshalb dieser zu "mit der großen runden Brille" abgeändert wurde). Viele dieser Figuren kamen auch in anderen Kindersendungen des DDR-Fernsehens wie Zu Besuch im Märchenland vor.
Im Zuge der Wende wurde das DDR-Sandmännchen 1990 eingestellt, doch nach Protesten von Eltern schon nach kurzer Zeit wieder ins Programm genommen. Nach der Wende, als der DFF 1991 seine Tätigkeit einstellte, blieb der Abendgruß den Zuschauern erhalten. Dafür verschwand die westliche Version endgültig, die sich mit zehn verschiedenen Versionen, die von den verschiedenen regionalen Rundfunkanstalten der ARD produziert worden waren, nie recht durchsetzen konnte. In den 1970er Jahren hatte es im WDR auch eine Sendung mit dem Titel Sandmännchen international gegeben, in der die Rahmenhandlungen nicht als Puppentrick, sondern mit realen Darstellern gedreht worden waren.
Auch weiterhin wurden und werden vom ORB bzw. RBB noch Sandmännchenfolgen produziert. Heute läuft das Sandmännchen im MDR, RBB und KI.KA. Zu den altbekannten Figuren wie Pittiplatsch und Schnatterinchen oder Herrn Fuchs und Frau Elster, die noch immer zu sehen sind, gesellten sich neue Figuren wie Kalli, Die drei kleinen Spürnasen, Die obercoole Südpolgang oder Der kleine König. Die Rahmenhandlungen mit dem Sandmännchen werden zunehmend nicht mehr als reine Puppentrickfilme, sondern mit Hilfe von Computeranimationen produziert.
Bedeutung
Der Sandmann entwickelte sich bald zu einem Symbol der DDR schlechthin. Als Sigmund Jähn 1978 als erster Deutscher ins Weltall flog, führte er auch eine Sandmännchen-Puppe mit. Sein sowjetischer Kollege brachte die sowjetische Fernsehpuppe Mascha mit, so dass die beiden Kosmonauten an Bord der Raumstation spontan eine "Puppenhochzeit" feierten. Die Vertreter des DDR-Fernsehens bemerkten entsetzt, das Sandmännchen dürfe doch keine Frau haben.
Nach der Wende wurde das Sandmännchen durch seine Popularität zu einem wichtigen Werbeträger der Ostalgie-Welle. Es gibt heute zahlreiche Merchandising-Produkte (einige gab es bereits in der DDR), und mehrere ostdeutsche Firmen bewarben und bewerben ihre Produkte mit dem Sandmann. So produzierte die Thüringer Molkereifirma Osterland in den 1990er Jahren Abendgruß-Kinderjoghurt, auf dessen Deckeln verschiedene Sandmännchen-Motive zu sehen waren.
Mitte der neunziger Jahre erschienen unter dem Titel Sandmann's Dummies mehrere CDs, auf denen markante Sprüche von DDR-Figuren mit Techno unterlegt wurden. Darunter waren auch die CDs Ach du meine Nase mit Pittiplatsch und Schnatterinchen sowie Der Fuchs geht durch den Wald mit Herrn Fuchs und Frau Elster.
Daneben gibt es auch eine Postkartenserie mit dem Titel Der Sandmann auf Reisen, auf denen eine Sandmannfigur mit so bedeutenden Sehenswürdigkeiten wie dem Grab von Karl Marx zu sehen ist.
In westdeutschen Katalogen werden Sandmännchen-Produkte oft mit dem Satz "Gebt fein Acht, ich hab euch etwas mitgebracht" beworben, was aber eigentlich der Standardsatz des West-Sandmännchens war.
Seinem Status als Ost-Symbol verdankt das Sandmännchen auch einen Auftritt im Film Good bye, Lenin. Unter anderem sind Originalaufnahmen von der Puppenhochzeit des Sandmännchens im Weltraum zu sehen.
Das Sandmann-Lied
Zu Beginn des "Abendgrußes" wird folgendes Lied gespielt:
- "Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht so weit, wir sehen erst den Abendgruß, ehe jedes Kind ins Bettchen muss, du hast gewiss noch Zeit."
Zu DDR-Zeiten gab es eine zweite Strophe:
- "Sandmann, lieber Sandmann, hab nur nicht solche Eil, dem Abendgruß vom Fernsehfunk lauscht jeden Abend Alt und Jung. Sei unser Gast derweil."
Nach dem "Abendgruß" geht das Lied wie folgt weiter:
- "Kinder, liebe Kinder, es hat mir Spaß gemacht, nun schnell ins Bett und schlaft recht schön, dann will auch ich zur Ruhe gehn. Ich wünsch euch Gute Nacht."
Das Sandmannlied wurde von Wolfgang Richter komponiert. Wegen der großen Eile, in der die Sendung vorbereitet wurde, ließ sich der Komponist den Text angeblich am Telefon diktieren und schuf die Melodie an nur einem einzigen Abend. Von Experten wurde das Lied als zu kompliziert für Kinder angesehen und war daher eigentlich nur als Notlösung gedacht - doch die Melodie blieb bis heute unverändert.
Weblinks
- Offizielle Seite
- Private Seite über die Figuren des DDR-Kinderfernsehens (darunter auch das Sandmännchen und viele seiner Freunde)