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Die Abweisung

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Die Abweisung ist ein Prosastück von Franz Kafka, das 1920 entstand. Es erzählt von einem sehr entlegenen Städtchen, in dem die Obrigkeit jede Bitte der Untertanen abweist. Es handelt sich um eines der weniger interpretierten Kafka-Werke, das auch unter dem Titel (entsprechend seiner Anfangszeile) "Unser Städtchen liegt.." zu finden ist.

Ebenfalls mit dem Titel Die Abweisung (aber anderem Inhalts) gibt es eine kurze Erzählung aus dem im Jahr 1913 erschienenen Sammelband Betrachtung.

Inhalt

Ein Ich-Erzähler berichtet aus seinem Städtchen, das ganz verloren weit zwischen der Grenze einerseits und der Hauptstadt andererseits ohne Verbindung nach außen existiert. In der fernen Hauptstadt mögen Dynastien ausgelöscht, ja die Stadt selbst zerstört worden sein, ohne dass das im Städtchen irgendeinen Widerhall gefunden hätte.

Beherrscht wird das Gemeinwesen von einer Beamtenschaft, deren höchster der alte Obersteuereinnehmer ist, der über alle Angelegenheiten entscheidet. Ordnung und Spitzeldienste im Städtchen werden durch Soldaten gewährleistet. Sie sind aber nicht wirklich ernst zu nehmen, sie sprechen nicht die Sprache der Bewohner und dienen eher als Kinderschreck. Sie sind zwar nicht wirklich böse, aber sie sind unerträglich.

Der Erzähler erinnert sich, wie er als Kind miterlebte, dass die Bewohner vertreten, durch einen demütigen Mann, eine Eingabe an den Stadtoberen vorbrachten. Nach einem Brand im Armenviertel erhoffte man sich steuerliche Erleichterungen. Nicht der Obersteuereinnehmer, sondern ein niederer Beamter beschied dann:“Die Bitte ist abgewiesen. Entfernt Euch.“ Und so war es bei jeder Bitte in dieser Stadt. Und die Bewohner sind darüber gar nicht enttäuscht, sie kommen ohne diese Abweisung gewissermaßen nicht aus. Allerdings unter die jungen Burschen schleicht sich Unzufriedenheit ein.

Form und Textanalyse

Der Erzähler ist zwar einer der Stadtbewohner, aber er scheint eine größere Fähigkeit der räumlichen und zeitlichen Einordnung der Geschichte zu haben als die anderen. Er zweifelt auch die Legitimation des obersten Beamten an. Aber auch er - wie die anderen Stadtbewohner- begehrt nicht auf gegen die Verhältnisse.

Die Sprache ist unspektakulär. Es ist nicht der nüchterne Kafka-Duktus angesichts eines Schreckens. Da ist auch kein Schrecken. Die Bewohner und der Stadtobere haben sich arrangiert, es scheint fast wie ein Spiel, von dem man angeregt nach Hause geht. Die Bewohner erwarten ja auch nichts, sind aber auch nicht hoffnungslos. Die zum Schluss angeführte Unzufriedenheit der Jungen könnte einerseits einen Ausblick geben in sich ändernde Zeiten, andererseits ist die Unzufriedenheit junger Menschen nichts spektakuläres und noch keine Garantie auf wirklichen Wechsel.

Bezüge zu anderen Kafka-Werken

Das vorliegende Stück entstandt ähnlich wie Zur Frage der Gesetze und Die Truppenaushebung unter dem Eindruck der Lektüre tibetanischer Reisebeschreibungen. Thema ist jeweils die Einbindung des Individuums und seine Subordination unter dem Diktat eines Machtapparates [1]. Es ergeben sich auch starke Anklänge an Eine kaiserliche Botschaft bei der Beschreibung der riesigen Weite, in der das Städtchen verloren ist.

Zitate

  • Es hat sich seit alten Zeiten so entwickelt, dass der Obersteuereinnehmer der erste Beamte ist und der Oberst fügt sich dieser Tradition nicht anders als wir.
  • Wenn die Abordnung mit einer Bitte vor ihn kommt, steht er da wie die Mauer der Welt.
  • Es ist eine alte Sitte, die etwa bedeutet: So stützt er das Gesetz und so stützt es ihn.

Rezeption

Peter-Andre Alt (S.580).“Aus den Kampfbeschreibungen der frühen Arbeiten sind Phantasmen einer kollektiven Welt geworden, in denen sich Kafkas zwischen Hoffnung und Widerwillen schwankenden Auffassung geschlossener sozialer Ordnungssysteme spiegelt.“

Die Abweisung

Sekundärliteratur

  • Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Verlag C.H. Beck München 2005 ISBN 3-406-53441-4

Einzelnachweise

  1. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S. 579ff.