Süntel-Buche
Süntelbuche | ||||||||||||
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Vorlage:Taxonomy | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Fagus sylvatica var. suentelensis | ||||||||||||
Schelle |
Die Süntelbuche, (Fagus sylvatica var. suntalensis Beißner (1887)) oder (Fagus sylvatica f. tortuosa Pépin (1861)), ist eine seltene Variation der Rotbuche (Fagus sylvatica).
Der Name stammt von den Vorkommen im Süntel im Weserbergland. Süntelbuchen sind je nach Standort unter verschiedenen botanischen und volkstümlichen Namen bekannt, wie zum Beispiel Krause Buche, Krüppelbuche, Schirmbuche, Schlangenbuche oder Renkbuche. Früher sah man sie häufig als verwunschen oder vom Teufel verdorben an ("Hexenholz" / "Teufelsbuche").
Eine sehr ähnliche Rotbuchenform ist die Hängebuche.
Süntelbuchen beeindrucken durch ihre verdrehten, verkrüppelten, miteinander verwachsenen Äste und sehr kurzen, drehwüchsigen Stämme. Sie wachsen mehr in die Breite als in die Höhe. Dabei erreichen sie nur selten eine Höhe von über 15 Metern. Mit ihren herabhängenden Zweigen bilden die Süntelbuchen zeltähnliche, halbkugel- oder pilzförmige Kronen aus. Die Wuchsform ist erblich, ihre Entstehung aber noch ungeklärt. Ungefähr 30 bis 50% der keimfähigen Bucheckern ergeben wieder ähnliche Formen, aus den anderen wachsen mehr oder weniger normalwüchsige Rotbuchen.
Zusätzlich pflanzen sich Süntelbuchen, sogar recht häufig, durch Absenkerbildung und Wurzelbrut fort. Dabei bewurzeln sich auf der Erde aufliegende Äste bzw. bringen oberflächlich wachsende Wurzeln neue Triebe hervor. Die Neupflanzungen der letzten Jahrzehnte erfolgten jedoch hauptsächlich mit veredelten , d. h. gepfropften, Buchen.
Die durchschnittliche Altersgrenze der Bäume liegt bei 120 bis 160 Jahren. In Deutschland sind keine Süntelbuchen bekannt, die ein Alter von 300 Jahren überschritten haben!
Die Zahl der älteren Süntelbuchen in Deutschland ist in den letzten 200 Jahren von einigen Tausend auf unter 200 zurück gegangen. An etwa 50 Standorten stehen noch Einzelbäume oder kleinere Gruppen. Im Süntel, einem kleinen Höhenzug nördlich von Hameln in Niedersachsen, gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts den größten Süntelbuchenwald Europas. Im Zuge der Verkoppelung wurde 1843 die gesamte Fläche, die 245 m hohe Westeregge zwischen Hülsede und Raden, gerodet. Die wenigen verbliebenen Einzelbäume wurden in den letzten Jahrzehnten durch zahlreiche Neupflanzungen ergänzt.
Die größten Süntelbuchen Deutschlands stehen heute in Gremsheim am Heber bei Bad Gandersheim (Naturdenkmal "Kopfbuche") und in Lauenau am Deister. In Bad Nenndorf am Deister steht eine Süntelbuchenallee aus annähernd 100 Bäumen, wobei es sich bei ca. zwei Drittel der Stämme um Wurzelbrut handelt!
Kleinere Gruppen älterer Süntelbuchen gibt es noch in Frankreich, Dänemark ("Vrange bøge") und Schweden ("Vresboken"). Im Wald von Verzy, 25 km südöstlich von Reims (Frankreich), befindet sich, nach einer Zählung von 1977, ein großer Bestand von 668 Süntelbuchen ("Faux de Verzy"). Die Zahl wurde seitdem leicht reduziert. Die schönsten Exemplare sind von Konkurrenz befreit und eingezäunt auf einem Rundweg in einem parkähnlichen Gelände zur Touristenattraktion geworden.
Biologie
Biologisch unterscheidet sich die Süntelbuche kaum von der normalen Rotbuche. So können sich beide gegenseitig befruchten, was die Süntelbuche bei Waldbesitzern unbeliebt macht, die gerade gewachsenes Holz produzieren wollen. Die größte Differenz liegt im eigenartigen Wuchs von Wurzeln, Stamm und Ästen. Dreh-, Schlangen- , Korkenzieher-, Knick-, Knie-, Zickzack- oder schlicht Krüppelwuchs wurden bei den auf unterschiedlichste Art verdrehten Bäumen beschrieben. Die stammrückigen, elefantenfußartigen Stämme sind selten höher als 2 Meter. Vereinzelt gibt es auch, offenbar erbfeste, gänzlich stammlose "Buschformen". Zusätzlich zeigen Süntelbuchen eine leichte "Trauerform". Die Zweige im äußeren Kronenbereich hängen herab, aber nicht so stark wie bei der Hängebuche. Die Zweige in der oberen Kronenmitte sind dagegen meist aufgerichtet und geben der Krone ein struppiges Aussehen.
Blüten, Blätter, Früchte und Rinde variieren auch bei der Rotbuche etwas und so gibt es ebenso zwischen einzelnen Süntelbuchen geringe Unterschiede. Auffallend sind jedoch eine andere Anordnung der Knospen, gelegentlich vorhandene gekrümmte Knospen und doppelte Endknospen an den Zweigspitzen und die starke Neigung zur Ausbildung von Wurzelbrut, besonders bei in der Jugend umgepflanzten Bäumen. Natürlich ist auch bei der Süntelbuche der Wuchs abhängig vom Standort (Konkurrenz, Schatten, Nährstoffe, Wind, etc.). Wie die Vielfalt der Wuchsformen schon erahnen ließ, bestätigen bisherige Untersuchungen eine Vielfältigkeit und Uneinheitlichkeit auch in der genetischen Ausstattung der Süntelbuchen.
Nicht zu den Süntelbuchen zählen verbissene Hudebuchen, sturmzerzauste Krüppelbuchen an der Küste und im Gebirge und häufig beschnittene Kopfbuchen, die ihre "süntelige" Form äußeren Einwirkungen verdanken und sie nicht vererben; und die oben genannten Wuchsformen sind vereinzelt und in schwächerer Form auch in jedem normalen Buchenwald anzutreffen.
Das Alter von Süntelbuchen wird wegen ihres knorrigen Wuchses oft überschätzt. Tatsächlich scheint der waagerechte, statisch ungünstige Wuchs das Auseinanderbrechen alter morscher Bäume zu beschleunigen, so dass 300 Jahre nicht erreicht werden. Sicher bekannt waren nur die hohen Alter der Tilly-Buche bei Raden im Auetal (255 Jahre) und der Süntelbuche im Schloßpark Bochum-Weitmar (270 Jahre).
Aus den Eckern von Süntelbuchen, die immer auch von normalen Rotbuchen bestäubt werden, da deren Pollen sich überall in der Luft befinden, entstehen dann normale Rotbuchen, Süntelbuchen und Mischformen in unterschiedlicher Zahl und ohne scharfe Abgrenzung zueinander. Erst nach 5 bis 10 Jahren kann man deutlich genug erkennen, ob eine Jungpflanze eine "richtige" Süntelbuche wird. Deshalb sind solche Sämlinge nur sehr selten im Handel zu bekommen. Pfropflinge dagegen werden immer häufiger angeboten.
Kreuzungen mit anderen Varietäten der Rotbuche sind erwünscht, aber erst mit der Blutbuche gelungen. Seit 1967 gibt es rotblättrige Süntelbuchen, die Blutsüntelbuchen (Fagus sylv. Kultivar `Tortuosa Purpurea` oder `Rot-Süntel`). Bei der aus Frankreich stammenden Form `Remillyensis´ (seit 1869 bekannt) könnte es sich um eine Zwischenform von Süntel- und Hängebuche handeln. Weitere Süntelbuchen-Formen sind Bornyensis, Pagnyensis, Retroflexa, Arcuata, Tabuliformis u. a.. Dabei ist die Einteilung und Abgrenzung unscharf und nicht unumstritten.
Bei der Anpflanzung junger Süntelbuchen sollten unbedingt das sehr langsame Höhenwachstum (5 bis 10 cm pro Jahr) und der große Raumbedarf beachtet werden. Die Süntelbuche mit ihren niedrigen, fast waagerecht wachsenden Ästen und den bis auf den Boden hängenden Zweigen bedeckt mit ihrer Krone einen Kreis von bis zu 25 m Durchmesser!
Kulturelle Bedeutung

Einige herausragende Süntelbuchen, die ein hohes Alter erreichten und einen besonders schönen Wuchs zeigten, wurden zu sehr bekannten und beeindruckenden Naturdenkmalen, die auch Eingang in die entsprechende Literatur fanden. Zu ihnen gehörten unter anderen der älteste Baum Bochums am Schloß Weitmar, die Krause Buche auf dem Wittekindsberg, die Parapluie-Buchen von Erpernburg bei Paderborn, das Krausbäumchen von Bad Homburg und die Kanzelbuche auf dem Stromberg.
In "Pfeils Kritische Blätter für Forst- und Jagdwissenschaft", 19. Band, 1. Heft, S. 223 aus dem Jahr 1844 berichtete der Oberförster Tilemann aus Eschede zum ersten Mal "Über den abnormen Wuchs der Buche in den Hülseder Gemeinde-Forsten, Amt Lauenau im Königreiche Hannover". In den folgenden 150 Jahren erschienen dann ungezählte Aufsätze von Botanikern und Naturfreunden voller Verwunderung und Ratlosigkeit über das seltsame Naturphänomen.
Der emeritierte Prof. Dr. Friedrich Lange befaßte sich von 1966 bis 1974 in Bad Münder am Deister und in der Universität Göttingen intensiv mit der Morphologie der urigen Bäume. Er beschrieb Aufbau und Wachstum der Pflanzen und die Entwicklungsstufen der ungewöhnlichen Wuchsform. Aber den eigentlichen Auslöser konnte auch er nicht finden. Das schon sprichwörtliche "Geheimnis der Süntelbuche" blieb ungelöst.
Eine derartige Faszination geht wohl nur von besonderen Exemplaren oder größeren Gruppen ("Märchenwald", "Zauberwald",...) aus. Kleinere Süntelbuchen werden nicht mehr beachtet als vergleichbare Wuchsformen von Korkenzieherhasel, -akazie und –lärche oder Zickzackweide. Jahrhundertelang wurden Süntelbuchensämlinge bei der Durchforstung junger Rotbuchenbestände als nutzlos angesehen und ausgemerzt.
Die bekannteste Vertreterin ihrer Art war sicher die Tilly-Buche (1739 - 1994) am Süntel, die sogar Identitätstiftend auf eine ganze Region wirkte und heute das Wappen der jungen Gemeinde Auetal prägt. Ihre Wurzeln machten Werbung für Lacalut-Zahnpasta, ihr großartiger Wuchs inspirierte Künstler zu Zeichnungen, Ölgemälden, Fotografien, Fabeln und Gedichten. Oft wurde in geradezu überschwenglichen Formulierungen die Faszination der ungezählten Bewunderer zum Ausdruck gebracht. Ihre unklare Herkunft bewegte Wissenschaftler über ein Jahrhundert hinweg zu teilweise recht gewagten Spekulationen über die Entstehung der seltsamen Wuchsform.
Literatur
- Gerhard Dönig: Die Park- und Gartenformen der Rotbuche - Fagus sylvatica L. Gartenbild, Rinteln, 1994. ISBN 3-928521-05-5
- Prof. Dr. Friedrich Lange: Morphologische Untersuchungen an der Süntelbuche. Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, Nr. 67, 1974, S. 24 bis 44.