Marienvesper (Monteverdi)
Die 1610 veröffentlichte „Marienvesper“, SV 206, ist das bedeutendste Sakralwerk von Claudio Monteverdi (*1567; †1643) und eines der bedeutendsten geistlichen Werke der europäischen Musik überhaupt. Der vollständige Titel des Werkes lautet Vespro della beata vergine da concerto, composta sopra canti fermi („Marienvesper zum Konzertieren komponiert über Cantus firmi“).
Monteverdi komponierte das Werk drei Jahre nach seiner richtungsweisenden Oper L'Orfeo. Er widmete die Marienvesper dem Papst Paul V. als Teil einer in acht Stimmbüchern gedruckten Sammlung. Die Veröffentlichung des Werkes erfolgte vermutlich aus persönlichen Gründen, denn aufgrund finanzieller Probleme nach seinem Dienst unter Herzog Vincenzo Gonzaga reiste Monteverdi nach Rom, wohl auch um sich um ein Kirchenamt zu bewerben.
Beschreibung
Die Marienvesper besteht aus einer Reihe von Motetten, in denen traditionelle, teils mittelalterliche Kompositionstechniken mit modernen Elementen vereint wurden. Weiterhin enthält der Originaldruck zwei Versionen eines Magnificats. Die Marienvesper ist ein vielfältiges Werk, in dem Melodie, Polyfonie, Rhythmik und der spezifische Einsatz von Instrumenten zu affektreichen und spannungsvollen Passagen kombiniert werden.
Das Werk verlangt sieben Solostimmen, einen Doppelchor und Instrumente. Dennoch handelt es sich nicht um ein Oratorium im bekannten Sinne, da die einzelnen Teile nicht in einem bestimmten Handlungsbezug stehen. Es ist unklar, ob die Musik für einen bestimmten kirchlichen Festtag geschrieben wurde.
Musikhistorisches Verständnis

Die Musikwelt begann sich in den 1950er und 60er Jahren mit dem Werk eingehend zu beschäftigen. Aufgrund seines neuartigen Charakters wurde die Marienvesper als Gesamtwerk mit definierter Reihenfolge in Frage gestellt. Einige Historiker vertreten die Ansicht, daß die Marienvesper nicht mehr sei als eine lose Sammlung von Kompositionen. Dem entgegen stehen Behauptungen, daß Monteverdi ein bahnbrechendes Meisterwerk einer neuen Musikgattung geschaffen habe.
Als Konsequenz dieser verschiedenen Ansichten weisen die zahlreichen Interpretationen der Marienvesper große Unterschiede auf, wobei der emotionale Gehalt sowie die Vielfältigkeit der Originalveröffentlichung je nach Standpunkt in unterschiedlichem Maße beibehalten wird. Daher ist die Marienvesper ein Beispiel für die unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten der historischen Aufführungspraxis.
Aufbau
- Intonation Deus in adiutorium meum intende,
Tokkata Domine ad adiuvandum me festina (sex vocibus & sex Instrumentis, si placet) - Psalm 109 Dixit Dominus Domino meo (sex vocibus & sex Instrumentis)
- Hohelied-Motette Nigra sum (motetto ad una voce)
- Psalm 112 Laudate pueri, Dominum (a 8 voci sole nel Organo)
- Concerto Pulchra es (a due voci)
- Psalm 121 Laetatus sum (a sei voci)
- Concerto Duo Seraphim (tribus vocibus)
- Psalm 126 Nisi Dominus (a dieci voci)
- Concerto Audi coelum (sex vocibus)
- Psalm 147 Lauda Jerusalem (a sette voci)
- Sonata sopra Sancta Maria Ora pro nobis (a 8)
- Hymnus Ave maris stella (a 8)
- Magnificat (septem vocibus & sex Instrumentis)
- Magnificat (a 6 voci)
Literatur
- Stephen Bonta, “Liturgical problems in Monteverdi's Marian Vespers”, Journal of the American Musicological Society, 20/1967
- Jeffrey Kurtzman, “Some historical perspectives on the Monteverdi Vespers”, Analecta Musicologica, 15/1975
- Iain Fenlon, “The Monteverdi Vespers: Suggested answers to some fundamental questions”, Early Music, 5/1977
- Helmut Hucke, „Die fälschlich so genannte „Marien“-Vesper von Claudio Monteverdi“, Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kogress Bayreuth 1981
- Andrew Parrott, “Transposition in Monteverdi's Vespers of 1610: an ‘aberration’ defended”, Early Music, 12/1984
- Graham Dixon, “Monteverdi's Vespers of 1610: ‘della Beata Vergine’?”, Early Music, 15/1987
- Jürgen Jürgens, „Claudio Monteverdis „Marienvesper“ von 1610 – ein Gesamt-Kunstwerk oder ein Sammeldruck?“, Ambitus CD amb 383826, 1987