Luisenstädtischer Kanal
Der Luisenstädtische Kanal im Berliner Bezirksteil Kreuzberg wurde 1852 als Wasserweg eröffnet, der den Landwehrkanal mit der Spree verband. 1926 wurde er teilweise zugeschüttet und in eine Gartenanlage umgestaltet. Mit dem Mauerbau 1961 verlief bis 1989 auf dem nördlichen Teil des Kanals die Berliner Mauer. Seit 1991 wird die Gartenanlage rekonstruiert, die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.
Verlauf
Die Anlage des Luisenstädtischen Kanals folgt den Stadtentwicklungsplänen von Peter Joseph Lenné für die Luisenstadt, die dieser 1839/40 in "Projektirte Schmuck und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung" veröffentlichte. Der als Schmuckzug gestaltete Straßenzug sollte die gestalterische Mitte des neuen Stadtviertels bilden. Der Kanal beginnt am damaligen Urbanhafen und verläuft in nordöstlicher Richtung parallel zum Straßenraster. Gegliedert wird der Kanal durch den Wassertorplatz, an dem sich ein kleineres Becken befand, den Oranienplatz, die gußeiserne Waldemarbrücke im Zuge der Waldemarstraße und ein größeres Wasserbassin, das Engelbecken. Benannt wurde es vermutlich nach dem Erzengel St. Michael. In der Flucht des Kanales steht an der Stirnseite die St.-Michaels-Kirche, heute infolge des Zweiten Weltkrieges eine Ruine. Am Engelbecken zweigt der Kanal rechtwinklig nach Osten ab und verläuft dann im Bogen nach Nordosten zur Spree. Die markante Linienführung mit den rechtwinkligen Biegungen am Urbanhafen und am Engelbecken war aus Sicht der Schifffahrt wenig sinnvoll, sondern vor allem dem Städtebau geschuldet. Der Kanal entstand zusammen mit den an seinen Uferstraßen errichteten spätklassizistischen Gebäuden und bildete mit ihnen auch ein städtebauliches Ensemble. Er ist insofern von stadtplanerischer Bedeutung, als es sich hier um den einzigen gelungenen Versuch in Berlin handelt, Wasser als städtebauliches Gestaltungselement zu nutzen.
Bau
Der Bau des Luisenstädtischen Kanals begann 1848, zwei Jahre nach Fertigstellung des Landwehrkanals. Der Kanal sollte als Transportweg für Baumaterial dienen, als Stadtentwässerung und die Überschwemmungen der Spree kanalisieren. Vor allem aber diente der Bau als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, rund 5.000 Arbeiter waren damit ohne größere technische Hilfsmittel beschäftigt. Im Oktober 1848 kam es zu blutigen Ausschreitungen der Arbeiter aus Furcht, ihre Arbeitsplätze an Baumaschinen zu verlieren. Der Kanal hat eine Länge von 2,3 km, eine Breite von 22,5 m und bei mittlerem Wasser war er 1,5 m tief. Die für Berlin untypischen Klinker-Ufermauern überragten den Wasserspiegel um rund drei Meter. Er wies nur eine minimale Steigung auf und war für Schiffe bis zu einer Tragfähigkeit von 175 t schiffbar. Die Uferpromenade wurde mit Kaiserlinden bepflanzt.
Grünanlage
Barths Kunstgriff
Der Kanal wurde am 15. Mai 1852 eröffnet. Eine große Bedeutung für die Wasserwirtschaft hat er nie erlangt. Aufgrund des kaum vorhandenen Verkehrs und des geringen Gefälles stand das Wasser im Kanal, was zu starken Geruchsbelästigungen für die Bevölkerung geführt hat. Aus diesen Gründen beschloß der Berliner Magistrat am 16. Januar 1926, den Kanal wieder verfüllen zu lassen - auch bei dieser Maßnahme handelte es sich um ein Programm zur Arbeitsbeschaffung. Zur Verfüllung des Kanals wurde Aushubmaterial vom Bau der Gesundbrunnen-Neukölln-U-Bahn (GN-Bahn, heute U8) verwendet, deren Bauarbeiten in der nahen Reichenberger Straße, am Moritzplatz und in der Neanderstraße (heute Heinrich-Heine-Str.) im Gang waren. Im Sinne von Lennés Vorstellung wohnortnahen Grüns für den dichtbesiedelten Stadtteil wurde der Kanal unter Leitung des frisch ernannten Stadtgartendirektors von Groß-Berlin, Erwin Barth und Leo Kloss zu einer Grünfläche umgestaltet. Die Schwierigkeit einer langgezogenen und nur 22 m breiten Grünfläche löste er mit einem Kunstgriff: er ließ den Kanal nicht bis zum Straßenniveau verfüllen, sondern nur bis knapp über die ursprüngliche Wasserlinie. Die Ufermauern aus Backsteinen blieben erhalten und Barth ließ ihnen Brüstungen aufmauern. Um die Grünanlage abwechslungsreich zu gestalten, telite er sie in zehn Abschnitte mit eigenständigem Charakter auf. Er schuf er Sitzecken, Veranden, Kinderspielplätze und Brunnen, sogar schmale Wasserrinnen -das Thema Wasser war bestimmend für Barths Planungen. Dazwischen gab es befestigte Wege, Rasenflächen, Blumenbeete, Blütensträucher, Gehölze und verschiedene Ziergärten mit Dahlien- Rosen-, Wald- und Alpenpflanzungen.
Das Engelbecken blieb als Wasserfläche erhalten, rundherum entstanden Laubengänge, im Becken selbst gab es sechzehn Fontänen, die abends illuminiert wurden. Die Grünanlage wurde 1932 fertiggestellt - aus Kostengründen aber nicht im ursprünglich geplanten Umfang. Insbesondere der südliche Abschnitt entsprach nicht vollständig den ursprünglichen Planungen.
Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg mußte viel Schutt aus der Stadt entfernt werden und man versuchte neben der Aufschüttung des Teufelsberges, soviel wie möglich in der Stadt abzulagern. Deshalb wurden die tiefergelegeneren Teile des Kanals mit Trümmerschutt verfüllt. entfernten sich die beiden Stadthälften mehr und mehr voneinander. Das Engelbecken und der nördlich davon gelegene Teil des Kanals gehörte zu Ost-Berlin, der Südteil zu West-Berlin. Im Zuge des Mauerbaus 1961 wurde der Kanal und das Becken komplett verfüllt und planiert, auf der Fläche entstand die Berliner Mauer und der Todesstreifen.
Für die Internationale Bauausstellung (IBA) 1984 in Kreuzberg wurde der südliche Teil der Gartenanlage wieder hergestellt und in die Form gebracht, die er auch heute noch weitgehend hat.
Wende
Schon kurz nach dem Mauerfall 1989 und der Wiedervereinigung Berlins gab es Bestrebungen, die beiden Hälften des Luisenstädtischen Kanals wieder zu vereinheitlichen und die alte Gestaltung der Vorkriegszeit wieder herzustellen. Im Rahmen von gartenarchäologischen Untersuchungen wurden Probebohrungen vorgenommen und unerwartet wurde festgestellt, daß die Kaimauern und die Gartenanlagen nur wenig beschädigt waren, sogar Reste der Vegetation waren zu finden. Seit 1991 wird die Grünanlage unter Leitung des Büros Schumacher wieder hergestellt und wird seitdem in Abschnitten der Öffentlichkeit übergeben. Im April 1993 wurde der Immergrüne Garten wieder eröffnet und im Juni 1995 der Rosengarten zwischen Engelufer und Waldemarbrücke. 1999 begann man mit der Ausbaggerung des Engelbeckens. Wegen Finanzierungsproblemen kam die Rekonstruktion des Engelbeckens seitdem ins Stocken, das Becken ist teilweise mit Regenwasser vollgelaufen. Der Luisenstädtische Kanal ist heute als schützenswertes Gartendenkmal in die Landesdenkmalliste Berlins aufgenommen.