Eiserner Vorhang

Als „Eiserner Vorhang“ wird in der Politik und Zeitgeschichte eine hauptsächlich ideologisch unüberwindbare Grenze nach ihrem Vorbild aus dem Theaterbau beschrieben. Insbesondere bezieht sich der Begriff auf die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bzw. zwischen den marktwirtschaftlich und größtenteils demokratisch orientierten Staaten des Westens (teilweise angeführt durch die USA) und den planwirtschaftlich gelenkten, sozialistischen Staaten Osteuropas (teilweise unter Vorherrschaft der UdSSR) während des Kalten Krieges.
Entstehung des Begriffs

Die Bezeichnung wurde von Joseph Goebbels am 23. Februar 1945 als Reaktion auf die Ergebnisse der Krimkonferenz (vgl. F.A.Z. vom 10. Januar 2002) in der Zeitschrift Das Reich (übernommen von der Times) in Anspielung auf den eisernen Vorhang im Theater geprägt: bei einer deutschen Kapitulation vor dem von der UdSSR besetzten Territorium "sofort ein eiserner Vorhang heruntersenken" würde, "hinter dem dann die Massenabschlachtung der Völker" begänne. Winston Churchill hat den Ausdruck dann als Bezeichnung für die Abschottung des Ostblocks gegen den Westen übernommen: Nachdem er diesen Begriff erstmals am 12. Mai 1945 in einem Telegramm an US-Präsident Truman verwendete, formulierte er am 5. März 1946 in Fulton, Missouri:
“From Stettin in the Baltic to Trieste in the Adriatic an Iron Curtain has descended across the Continent. Behind that line lie all the capitals of the ancient states of Central and Eastern Europe. Warsaw, Berlin, Prague, Vienna, Budapest, Belgrade, Bucharest and Sofia; all these famous cities and the populations around them lie in what I must call the Soviet sphere, and all are subject, in one form or another, not only to Soviet influence but to a very high and in some cases increasing measure of control from Moscow.”
„Von Stettin an der Ostsee bis Triest am Mittelmeer hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt. Dahinter liegen all die Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas. Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Diese berühmten Städte und die Bevölkerung ringsum liegen alle im sowjetischen Wirkungskreis, so muss ich es nennen, und unterliegen, auf die eine oder andere Weise, nicht bloß sowjetischem Einfluss, sondern zu einem sehr hohen und in einigen Fällen zunehmendem Maße der Lenkung durch Moskau.“
In ähnlicher Weise hatte bereits am 5. Juli 1945 Konrad Adenauer den Begriff in einem Brief verwendet:
„Ich sehe die Entwicklung mit [steigender] Sorge. Rußland läßt einen eisernen Vorhang herunter. Ich glaube nicht, daß es sich bei der Verwaltung der Hälfte Deutschlands, die ihm überantwortet ist, von der Zentralen Kontrollkommission irgendwie beeinflussen lassen wird.“
Jedoch waren Goebbels, Churchill und Adenauer nicht die Schöpfer dieser Metapher. Der Begriff wurde 1918 vom russischen Autor Wassilij Rosanow benutzt, um die Isolation der Sowjetunion vom Rest Europas zu beschreiben. Rosanow schrieb in seinem Buch „Die Apokalypse unserer Zeit“:
„Unter Rasseln, Knarren und Kreischen senkt sich ein eiserner Vorhang auf die russische Geschichte [...] herab. Die Vorstellung geht zu Ende.“
Im englischen Schriftgut wurde der Begriff in diesem Zusammenhang erstmals von Ethel Snowden im Jahre 1920 in ihrer Publikation "Through Bolshevik Russia" (New York und London) verwendet:
“We were behind the 'iron curtain' at least”
Am 28.Juni 1948 kam es zum sog. Tito-Stalin-Bruch zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien. Jugoslawien war fortan kein Ostblockstaat und gründete später mit Ägypten, Indien und Indonesien die blockfreie Bewegung.
Aufbau und Verlauf


Zum Eisernen Vorhang zählten nicht nur die Berliner Mauer (13. August 1961 - 9. November 1989), die Innerdeutsche Grenze und die Grenzbefestigungen der ČSSR zur Bundesrepublik Deutschland - also die realen Grenzbefestigungen aus Stacheldraht, Schießbefehlen, Hundelauf-Anlagen, Wachtürmen, Selbstschussanlagen und Minenfeldern von Ungarn bis zur Ostseeküste - sondern im übertragenen Sinn auch die Politik der Abgrenzung. Diese Politik wurde, im Gegensatz zu den nur im Osten errichteten Befestigungsanlagen, auch vom Westen in den Nachkriegsjahren auf den unterschiedlichsten Feldern betrieben.
Wenn auch der Eiserne Vorhang Deutschland wegen der Teilung besonders traf, zog er sich durch ganz Europa vom Eismeer bis zum Mittelmeer und zum Schwarzen Meer. Die Beringstraße zwischen Alaska (USA) und Sibirien (UdSSR) war meist nicht mitgemeint, obwohl sie de facto zur Blockgrenze dazugehörte.
Der Eiserne Vorhang hinterließ in allen betroffenen Ländern seine Spuren. Es bestand bis 1955 auch in Österreich die Gefahr einer solchen Trennung quer durch das Land. Viele nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Staaten diesseits und jenseits des Vorhangs verschwanden im Laufe der Jahrzehnte. Besonders im wirtschaftlichen Bereich war diese Grenze eine tote Grenze, so dass bis zum Krieg dort bestehende Betriebe abwanderten. Als Folge wanderten auch viele Bewohner aus diesen Gegenden ab. Auch die Sprachbarrieren wurden wesentlich größer, denn kaum jemand in den westlichen Ländern lernte die Sprache des unmittelbaren, aber doch nicht erreichbaren Nachbarlandes.
Österreich konnte auf Grund seiner dem Staatsvertrag folgenden Neutralität wenn auch nicht auf politischer, so doch auf kultureller Ebene den Vorhang in Richtung seiner nördlichen und östlichen Nachbarn etwas aufweichen. So konnten Österreicher wesentlich früher als die übrigen Europäer nach Ungarn ohne Visum einreisen. Allerdings durften trotzdem keine Ungarn nach Österreich ausreisen.
Auf östlicher Seite wurden oft kilometerbreite Sperrzonen errichtet und vom Militär in Beschlag genommen, nachdem die Bewohner ausgesiedelt worden waren.
Trotz der Grenzbefestigungen, die im Laufe der Zeit immer weiter und effizienter ausgebaut wurden, gelang zahlreichen Menschen die Flucht in den Westen. Wer bei dem Versuch scheiterte, wurde in der Regel wegen Republikflucht zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Viele hundert Menschen wurden bei Fluchtversuchen getötet, genaue Zahlen zu gelungenen und gescheiterten Fluchten sind bis heute nicht bekannt.
Der Eiserne Vorhang war nicht nur physisch existent, er war ebenfalls in der Politik und in der UNO, aber auch in den Medien, im Sport und in der Wirtschaft präsent und fand seine Verlängerung bis in die Länder der Dritten Welt, wo zahlreiche Stellvertreterkriege zwischen Ost und West ausgetragen wurden.
- Teilstücke
- Innerdeutsche Grenze
- Berliner Mauer
- Grenzbefestigungen der ČSSR zur Bundesrepublik Deutschland im Kalten Krieg
- bulgarisch-jugoslawische Grenze
- bulgarisch-griechische Grenze
- weitere Befestigungen gab es zwischen:
- Ungarn und Jugoslawien
- Rumänien und Jugoslawien
- Bulgarien und der Türkei
- Ungarn und Österreich
- Tschechoslowakei und Österreich
Reisefreiheit
Reisen für Bürger der DDR unter 65 Jahren in das nichtsozialistische Ausland waren nach 1961 nur auf Antrag, nur zu bestimmten Anlässen und meist nur dann möglich, wenn eine Rückkehr in die DDR wahrscheinlich war (z.B. zurückgelassene Kinder oder Ehepartner, keine „Westverwandtschaft“). Ab 1964 durften alle Rentner einmal im Jahr Besuchsreisen zu Westverwandten machen, später gab es weitere Reiseerleichterungen. In anderen Ostblockstaaten war dieses ähnlich gegliedert oder es gab noch verschärftere Reisebedingungen, wie etwa in Rumänien oder der UdSSR. Jugoslawien war dagegen als kommunistischer aber blockfreier Staat priviligierter, da es keinem Militärblock (Nato oder Warschauer Pakt) angehörte. Nach Jugoslawien zu reisen war z.B. für Westeuropäer nicht unkomplizierter als wie nach Italien oder Frankreich. Jugoslawien war auch das einzige kommunistische Land wessen Staatsbürger visafrei nach Westeuropa, Nordamerika und andere Teile der Erde reisen konnten. Außerdem profitierten die Jugoslawen von westlichen Touristen die jährlich zu Millionen an die Mittelmeerküste kamen. Schon in den 60er Jahren kamen z.B. Gastarbeiter aus Jugoslawien nach Deutschland, Österreich und die Schweiz. So genossen die Jugoslawen, dank Präsident Titos (Außen-)Politik, schon damals einen westlichen Lebensstyl und Reisefreiheit.
Öffnung des Eisernen Vorhangs
In Europa wurden die Grenzanlagen entlang des Eisernen Vorhangs zuerst von Ungarn ab dem 2. Mai 1989 abgebaut. Die symbolische Öffnung eines Grenztors zwischen Österreich und Ungarn beim Paneuropäischen Picknick am 19. August 1989 mit Zustimmung beider Regierungen galt als erste "offizielle" Öffnung des Eisernen Vorhangs. Die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 bedeutete das Ende des Eisernen Vorhangs und damit auch die Beendigung des Kalten Krieges. Die Tschechoslowakei baute ihre Grenzbefestigungen noch im Dezember des gleichen Jahres ab.
Heute wird versucht, mit dem durch die Weltnaturschutzunion koordinierten Grünen Band Europas einen Biotopenverbund entlang der 8500 km langen ehemaligen Grenzanlagen zu schaffen.
Ähnliche Grenzen

Nach dem Vorbild „Eiserner Vorhang“ sind ähnliche Begriffe geprägt worden: Die Abschottungspolitik der Volksrepublik China wurde teilweise als Bambusvorhang bezeichnet, die entsprechende Politik Myanmars (früher Birma) wird gelegentlich mit Teakvorhang beschrieben. Die Grenze zwischen Nordkorea und Südkorea wird aufgrund ihrer Undurchlässigkeit heute als der letzte Eiserne Vorhang der Welt bezeichnet. Darüber hinaus haben die USA an ihrer Grenze zu Mexiko mehrere hundert Kilometer Metallzaun und Sicherungsanlagen errichtet, mit denen der Übertritt von illegalen Einwanderern und Arbeitssuchenden verhindert werden soll. Auch Israel errichtet seit einiger Zeit ein Mauer- und Zaunanlage zur Abschottung gegenüber dem Westjordanland.
Verweise
Interne Verweise
Literatur
- Andreas Schmidt-Schweizer: Die Öffnung der ungarischen Westgrenze für die DDR-Bürger im Sommer 1989. Vorgeschichte, Hintergründe und Schlußfolgerungen. In: Südosteuropa-Mitteilungen 37 (1997) 1, S. 33-53.
- Dietmar Schultke: Keiner kommt durch - Die Geschichte der innerdeutschen Grenze und Berliner Mauer von 1945 bis 1990, Aufbau-Verlag Berlin 2008
- Manfred Sapper/Volker Weichsel: Freiheit im Blick. 1989 und der Aufbruch in Europa, Berlin 2009, ISBN 978-3-8305-1604-0
Weblinks
- Ursprung des Ausdrucks in Die Zeit
- Unterrichtsmaterialien über den Eisernen Vorhang an der Grenze der Bundesrepublik Deutschland (Bayern) zur Tschechoslowakei de/cz
Einzelnachweise
- ↑ vgl. http://www.hpol.org/churchill/
- ↑ Siehe Konrad Adenauer: Briefe über Deutschland 1945-1955, ausgewählt und eingeleitet von Hans Peter Mensing, Mai 1999: S. 18
- ↑ Hinweis auf Ethel Snowden