Nichiren


Nichiren (jap. 日蓮 dt. Sonnenlotus; * 16. Februar 1222; † 13. Oktober 1282) war ein japanischer buddhistischer Reformer. Das Geburtsdatum 16. Februar 1222 bezieht sich auf den damals in Japan gültigen Mondkalender. Dies entspricht dem 30. März 1222 unserer Zeitrechnung.
Geburt und Erziehung
Nichiren wurde im Fischerdorf Kominato in der Provinz Awa, der heutigen Präfektur Chiba, geboren. An seinem Geburtsort stand ursprünglich der Tempel Tanjō-ji – der heutige Tempel ist etwas davon entfernt. Als Kind hieß er Zennichimaro. Im Alter von zwölf Jahren verließ er sein Elternhaus, um im nahe gelegenen Seichō-ji der Tendai-Schule eine buddhistische Ausbildung zu erhalten.
Wie er später schrieb beschäftigte ihn in seiner ganzen Jugend die Frage nach dem Sinn des Lebens: „Seit meiner Kindheit habe ich Buddhismus mit einem einzigen Gedanken im Sinn studiert. Ein Mensch stößt seinen letzten Atem aus ohne die Hoffnung, einen weiteren Atemzug zu tun. Nicht einmal der Tau, getragen vom Wind, reicht aus, diese Vergänglichkeit zu beschreiben. Niemand, weise oder närrisch, jung oder alt, kann dem Tod entrinnen. Daher war es mein einziger Wunsch, dieses ewige Geheimnis zu lüften. Alles andere war zweitrangig.“ Während seines Studiums tauchten in ihm viele Fragen auf, vor allem angesichts der verwirrenden Vielfalt buddhistischer Schulen und der Widersprüche im buddhistischen Kanon. So betete er mit zwölf Jahren vor Bodhisattwa Kokuso (Akashagarbha), mit dem Wunsch der „weiseste Mann Japans“ zu werden.
Als er fünfzehn Jahre alt wurde (bzw. sechzehn je nach Quelle) entschloss er sich zur Priesterweihe und nahm den religiösen Namen Zeshō-bō Renchō (übersetzt: „glänzende Sonne“) an. Kurz darauf begab er sich auf eine Studienreise nach Kamakura, dem damaligen Regierungssitz, und dann weiter nach Kyoto und anderen Städten, um sich mit allen wichtigen Lehren seiner Zeit auseinander zusetzen. In diesem zehnjährigen Studium gelangte er zu der Überzeugung, dass sich die wesentliche Aussage des Buddhismus im Lotos-Sutra findet.
Verkündung seiner Lehre und Konflikte mit dem Staat
Zu Beginn des Jahres 1253 kehrte er zum Seicho-ji zurück und bereitete die Verkündung seiner Lehre vor. Am Morgen des 28. April 1253 rezitierte er zum ersten mal auf einem nahe gelegenem Berg das Mantra „Nam(u)-Myoho-Renge-Kyo“ (auch Daimoku oder Odaimoku genannt) und verkündete darauf seine Lehre im Hof des Tempels. Er nannte sich fortan Nichiren(übersetzt: Sonnenlotus). Diese Ereignisse sind auch als die „Rikkyo Kaishu-Deklaration“ bekannt.
Kurz darauf ging er in die damalige Hauptstadt Japans, Kamakura, um dort das Lotos-Sutra zu predigen. Das Japan des 13. Jahrhunderts war eine unruhige Zeit, geprägt von kriegerischen Auseinadersetzung innerhalb der regierenden Herrscherfamilien wie auch der ständigen Bedrohung durch eine Invasion der Mongolen. Naturkatastrophen und Hungersnöte machten das Leben der Menschen nicht einfacher. Für Nichiren lagen diese katastrophalen Ereignisse darin begründet, dass sich Regeierung wie auch Teile der Bevölkerung auf buddhistischen Lehren beriefen, die der Welt abgewandt schienen und auf ein besseres Leben im Jenseits vertrösteten.
Am 16. Juli 1260 legte Nichiren schließlich dem damals mächtigsten Mann des Landes, Hojo Tokiyori (einem ehemaligen Regenten des Kamakura-Shogunats), eine Schrift mit dem Titel „Rissho Ankoku Ron“ (Über die Sicherung des Friedens im Lande durch die Verbreitung des Wahren Gesetzes) vor. In dieser Schrift machte Nichiren das Festhalten an seiner Ansicht nach abergläubischen religiösen Ausübungen für die Lage Japans verantwortlich und hob dagegen die Wichtigkeit des Lotos-Sutra und Shakyamuni Buddhas hervor. Diese Schrift welche in einer Dialogform zwischen Gast und Gastgeber abgefasst wurde stellt bis zum heutigen Tag einen der Kernpunkte der Lehren des heutigen Nichiren-Buddhismus dar. Dennoch sollte an dieser Stelle klargestellt werden, dass die „Rissho Ankoku Ron“ im feudalistischen Japan geschrieben wurde. Die Kritik an Religion und Politik ist im Rahmen des 13. Jahrhunderts zu verstehen. Im Kern verweist Nichiren darauf, dass das Lotos-Sutra die Würde des menschlichen Lebens unterstreicht und dies, wie von Shakyamuni Buddha gelehrt, Ausgangspunkt allen Handelns sein sollte.
Einige Schulen des Nichiren-Buddhismus, vor allem diejenigen die in der Tradition der Nichiren-Shōshū stehen, sehen auch heute noch in der „Rissho Angoku Ron“ eine Begründung für ihre weiterhin unnachgiebige Haltung gegenüber anderen (buddhistischen) Glaubensbekenntnissen. Den Inhalt dieser Schrift im Hinblick auf andere buddhistische Traditionen wortwörtlich in unsere Zeit zu übertragen wird von Schulen wie der Nichiren-Shū kritisch hinterfragt.
Nichiren predigte seine Lehre weiter und scharte eine große Zahl Anhänger um sich, was den Unmut der Regierung und religiöser Autoritäten hervorrief. Eine Folge dessen waren die teils gewalttätige Verfolgung seiner Anhänger in Matsubagayatsu, Komatsubara und Tatsunokuchi. Er selbst wurde auf die Halbinsel Izu und später für drei Jahre auf die Insel Sado verbannt. Er verfasste jedoch weitere Schriften, auch solche die an die Regierung gerichtet waren. Seine Anhänger ermutigte er mit Briefen die bis zum heutigen Tag in großer Anzahl erhalten geblieben sind und als Gosho oder Goibun bezeichnet werden. Mit zu den wichtigsten Schriften gehören die „Kaimoku Sho“ (Das Öffnen der Augen) und die „Kanjin Honzon Sho“ (Schrift über das Objekt der Verehrung um den Geist zu beobachten eingeführt in der fünften Fünfhundertjahrsperiode nach dem Tod Buddhas). Die letztere Schrift dient als theoretische Grundlage für Nichirens kalligraphisches Mandala, den Gohonzon. Ab dem Jahr 1272 begann er damit diese Mandalas für einige seiner Anhänger anzufertigen. Ein Beispiel hierfür ist der sog. Shutei Gohonzon [1].
Die letzten Jahre auf dem Berg Minobu
Im Jahr 1274 zog sich Nichiren auf den Berg Minobu (an dem sich heute der Kuon-ji Tempel und sein Grab befindet) zurück, der für die letzten neun Jahre seines Lebens der Ort seines Selbstauferlegten Exils wurde. Hier fasste er seine Lehren weiter zusammen und verfasste unter anderem Schriften wie die „Senji Sho“ (Die Wahl der Zeit). In seinem 61. Lebensjahr, wurde sein Gesundheitszustand zunehmend schlechter. Im September 1282 verließ er den Berg Minobu für eine Kur an der heißen Quelle in Hitachi. Auf dem Weg dorthin verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass er in der Residenz der Brüder Ikegami im Gebiet des heutigen Tokyo Halt machen musste, an dieser Stelle befindet sich heute der Honmon-ji Tempel. Dort verstarb er schließlich im Kreise seiner Anhänger am frühen Morgen des 13. Oktober 1282. Hier wurde Nichiren schliesslich auch eingeäschert und seinem Wunsch gemäß wurden seine Überreste nach Minobu überführt.
Entwicklung nach Nichirens Tod
Es muss erwähnt werden, dass Nichiren selbst nachweislich keine eigene Schule gründete und nach heutigem Kenntnisstand seine Zugehörigkeit zur Tendai-Schule nie niederlegte. Einige Zeit nach Nichirens Tod zeigten sich jedoch Unstimmigkeiten unter seinen Schülern. Zur Formierung von verschiedenen offiziellen Schulen innerhalb des Nichiren-Buddhismus kam es jedoch erst ab dem 19. Jahrhundert. Zum einen gründete sich die Nichiren-shū (Nichiren-Schule) bestehend aus Tempeln welche sich auf die Nichiren Schüler Nisshō (日昭), Nichirō (日朗), Nikō (日興), Nichiji (日持), Nikkō (日興) und Nicchō (日頂) berufen. Sowie der Nichiren-Shōshū (Wahre Nichiren-Schule) welche sich alleinig auf den Nichiren-Schüler Nikkō (日興) beruft und auch als Fuji-Schule bekannt wurde. Im 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche neureligiöse Gruppierungen, welche sich auf Nichirens Lehren berufen. Die bekanntesten hierbei sind: die Nipponzan-Myohoji, die Reiyūkai, die Risshō Kōseikai und die Sōka Gakkai International.
Namen und Titel in der Literatur
In der Literatur wird meist von Nichiren Shōnin (日蓮上人) und Nichiren Daishōnin (日蓮大聖人) gesprochen - letzterer Name wird vor allem in den Schulen verwendet, die sich auf den Nichiren Schüler Nikkō berufen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Namen ist, dass Shōnin mit "Weiser" oder "Heilger" übersetzt werden könnte, während Daishōnin mit "grosser Weiser" übersetzt werden könnte und somit ein Steigerung darstellt.
Im Jahre 1322 verlieh der japanische Kaiserhof ihm den Titel Nichiren Daibosatsu (日蓮大菩薩; "Grosser Bodhisattva Nichiren") und 1922 den Titel Risshō Daishi (立正大師; "Grosser Lehrer Risshō).
Literatur
- Nichiren: Leader of Buddhist Reformation in Japan, Jain Pub (April 2001), ISBN 0875730868
- Yukio Matsudo: Nichiren, der Ausübende des Lotos-Sutra, Norderstedt: Books on Demand, 2004. ISBN 3833407670
- Original Enlightenment and the Transformation of Medieval Japanese Buddhism, Jacqueline I. Stone, University of Hawai'i Press (30 Jun 2003), ISBN 0824827716
Weblinks
- Vorlage:PND
- Bernhard Scheid: Nichirens Lotos-Fundamentalismus
- Nichiren-shū
- Rissho Ankoku Ron: Kommentierte Version eines Priesters der Nichiren-shū, englisch
Personendaten | |
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NAME | Nichiren |
ALTERNATIVNAMEN | 日蓮 (japanisch); Nichiren Daishonin |
KURZBESCHREIBUNG | japanischer buddhistischer Reformer |
GEBURTSDATUM | 16. Februar 1222 |
STERBEDATUM | 13. Oktober 1282 |