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Arbeitslosengeld (Deutschland)

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Arbeitslosengeld wird in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland bei Arbeitslosigkeit gezahlt. In der Schweiz heisst es Arbeitslosenentschädigung.

Arbeitslosengeld I (ALG I)

In Deutschland wird es als Lohnersatzleistung und daher auch als Entgeltersatzleistung bezeichnet. Es ist die wichtigste Barleistung der Arbeitsförderung nach dem SGB III [[1]].

Anspruchsvoraussetzungen

ALG I erhält auf Antrag, wer

  1. arbeitslos ist,
  2. sich bei der Bundesagentur für Arbeit als Arbeit suchend gemeldet hat,
  3. die Anwartschaftszeit einer mindestens 12-monatigen versicherungspflichtigen Beschäftigung innerhalb von drei Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit erfüllt hat und
  4. das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung sucht. Arbeitslos ist also auch ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis (formell) noch fortbesteht, der aber weder zur Arbeit verpflichtet ist noch Vergütung erhält (zum Beispiel bei einseitiger Freistellung im Fall der Insolvenz ohne Vergütungszahlung). Beschäftigungssuche setzt (neben der bestehenden Arbeitsfähigkeit - arbeitsunfähige Erkrankung bei Beginn der Arbeitslosigkeit schließt also den Anspruch aus) eigene Bemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit voraus und erfordert zusätzlich, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts zur Verfügung steht, also bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen (zur Zumutbarkeit vgl. § 121 SGB III).

Vorhandenes Vermögen steht der Gewährung von ALG I nicht entgegen, da es aus Beiträgen finanziert wird, nicht aus Steuermitteln, wie zum Beispiel Arbeitslosengeld II. Es handelt sich nicht um eine Sozial-, sondern um eine Versicherungsleistung.

Höhe des Anspruchs

Die Höhe des ALG I richtet sich nach dem "Bemessungsentgelt". Bei Beginn der Arbeitslosigkeit bis zum 31. Dezember 2004 wurde das ALG I auf Basis einer pauschalierten Tabelle berechnet, die sich auf die wöchentliche Bruttovergütung der letzten 12 Monate bezog. Seit dem 1. Januar 2005 ist Bemessungsentgelt im Regelfall das im letzten Jahr vor Beginn der Arbeitslosigkeit im Durchschnitt auf einen Tag entfallende, versicherungspflichtige Entgelt (maximal also bis zur Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 5.200 Euro). Von diesem (Brutto-)Bemessungsentgelt wird durch Abzug der (regelmäßig) bei Arbeitnehmern anfallenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge (pauschal 21 % Sozialversicherung sowie Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse nach der entsprechenden Lohnsteuertabelle ohne Kirchensteuer) das (Netto-) Leistungsentgelt (also pauschaliert die durchschnittliche Nettovergütung) ermittelt. Die Höhe des ALG I pro Tag ergibt sich aus der Multiplikation dieses Leistungsentgelts mit dem so genannten Leistungssatz von 60 bzw. 67 %. Arbeitslosen mit Kindern wird hierbei der erhöhte Satz von 67 Prozent gezahlt. Das monatlich auszuzahlende ALG I beträgt (unabhängig vom jeweiligen Monat des Leistungsbezugs) das 30-fache des täglichen ALG I.

Minderung der Höhe

Die Höhe des Anspruchs mindert sich, wenn sich der Arbeitslose nicht unverzüglich nach Erhalt einer Kündigung (also nicht erst bei Auslaufen der Kündigungsfrist!) arbeitssuchend meldet für jeden Tag der verspäteten Meldung bei einem (täglichen) Bemessungsentgelt bis zu 60 € (= 30*60 € = 1.800 € monatlich) um 7 €, bis 100 € (= 3.000 € monatlich) um 35 € und darüber um 50 € (längstens jedoch 30 Tage!). Eine Minderung erfolgt höchstens bis zu 50% des ALG I. (Beispiel bei 21 Tagen verspäteter Meldung: Bemessungsentgelt monatlich: 2.786 € = 92,87 € täglich, Steuerklasse III, keine Kinder; ALG I: ca. 1.190 € monatlich, Minderungsbetrag = 21 mal 35 € = 735 € höchstens aber 50% von 1.190 € = 595 €. Kürzung monatlich 595 €.) Die Bundesagentur für Arbeit geht von einer noch rechtzeitigen Meldung aus, wenn sie spätestens eine Woche nach Erhalt der Kündigung (bzw. nach Ausspruch der Eigenkündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags) erfolgt. Im Fall befristeter Arbeitsverträge muß die Meldung drei Monate vor Ende der Befristung erfolgen.

Nach zwei neuen Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 2005 (vgl. Pressemitteilung vom 25.5.2005) ist aber Vorausssetzung für eine solche Kürzung, dass der Arbeitslose die verspätete Meldung (zumindest fahrlässig) verschuldet hat. Unverschuldete Rechtsunkenntnis darf nach diesen Urteilen nicht zur Kürzung führen. Damit dürften die Fälle, bei denen der Arbeitslose über seine Pflicht zur unverzüglichen Arbeitslosmeldung nicht infomiert war, etwa weil er vom kündigenden Arbeitgeber entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht darauf hingewiesen worden war, entgegen der bisherigen Praxis und Weisungslage der Bundesagentur nicht mehr zu einer Kürzung führen. Es spricht viel dafür, dass auch die Regelung zur frühzeitigen Meldepflicht bei befristeten Arbeitsverhältnissen, jedenfalls in der gegenwärtigen Fassung, vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen Bestand haben wird.

Dauer des Anspruchs

Die Dauer des Bezugs hängt vom Lebensalter und der ununterbrochenen Dauer der versicherungspflichtigen Beschäftigung ab und wird mit den Ende 2003 beschlossenen Neuregelungen ab 2006 drastisch gekürzt. Die Anspruchsdauer ergibt sich aus nachfolgender Tabelle. Die bisherige Regelung gilt noch für Arbeitslose, die bis zum 31. Januar 2006 arbeitslos werden und sich bis dahin auch gemeldet haben. Die verkürzte Anspruchsdauer gilt dann ab 1. Februar 2006.

Altregelung bis 31. Januar 2006 Neuregelung ab 1. Februar 2006
Mon. Beschäft. Lebensalter in J. ALG I in Mon Mon. Beschäft. Lebensalter in J. ALG I in Mon.
12 - 6 12 - 6
16 - 8 16 - 8
20 - 10 20 - 10
24 - 12 24 - 12
30 45 14 - - -
36 45 18 - - -
44 47 22 - - -
52 52 26 30 55 15
64 57 32 36 55 18


Diese Anspruchsdauer mindert sich für Zeiten, in denen eine Sperrzeit eingetreten ist, bei einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe mindestens um ein Viertel der gesamten Anspruchsdauer. Bei einer gerade genannten Sperrzeit, wenn der Arbeitsaufgabe kein wichtiger Grund zu Grunde liegt, wird also AlG nicht nur erst nach 12 Wochen bezahlt, sondern danach auch nicht für 12 Monate sondern nur noch für maximal 9 Monate.

Ruhen des Anspruchs

Der Anspruch auf ALG I „ruht“, das heißt, dass in diesem Zeitraum ALG I nicht gezahlt wird, u.a. in folgenden Fällen:

  1. wenn der Arbeitslose nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung erhält (Ruhensdauer = Zeit des abgegoltenen Urlaubs;
  2. wenn eine Sperrzeit eintritt (zwischen einer und 12 Wochen);
  3. wenn eine Abfindung gezahlt wird und das Arbeitsverhältnis vor dem Datum beendet wird, zu dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfrist (vgl. Kündigungsfristen im Arbeitsrecht) beendet worden wäre.

Die Ruhensdauer bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung hängt ab von der Höhe der Abfindung, dem Lebensalter und der Dauer des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 143a SGB III). Höchstens ruht der Anspruch bis zum Datum des Auslaufens der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist bzw. maximal ein Jahr.

Sperrzeit

Der Abschluss eines Auflösungsvertrags (oder Aufhebungsvertrags), eine vom Arbeitslosen verschuldete verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers oder eine Eigen-Kündigung durch den Arbeitnehmer führt zu einer „Sperrzeit wegen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses“ (§ 144 SGB III) und damit zum Ruhen des AlG-Anspruchs. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn einer solchen einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine betriebsbedingte arbeitgeberseitige Kündigung voraus gegangen ist. Auch im Fall solcher so genannter "Abwicklungsverträge" soll nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Dezember 2003 (AZ: B 11 AL 35/03) die Sperrzeitfolge eintreten. Eine Sperrzeit soll danach immer dann eintreten, wenn der Arbeitslose in irgend einer Weise aktiv an der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses mitgewirkt hat. Die bloße Hinnahme einer Kündigung auch wenn damit das Angebot einer Abfindungszahlung verbunden ist, begründet auch im Fall einer objektiv rechtswidrigen Kündigung keine Sperrzeit. Das Urteil deutet darüber hinaus an, dass die vergleichweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann keine Sperrzeit auslöst,wenn der Arbeitnehmer gegen die Kündigung Klage zum Arbeitsgericht erhoben hat und eine solche Abwicklungsvereinbarung als gerichtlicher Vergleich geschlossen wird.

Die Sperrzeit entfällt aber, wenn der Arbeitnehmer für sein Verhalten einen wichtigen Grund hat. Wichtige Gründe sind zum Beispiel schwerwiegende gesundheitliche Probleme am Arbeitsplatz (die aber ein Arzt attestiert haben muss) oder familiäre Umstände (beruflich bedingter Umzug des Ehepartners o.ä.). Nach den derzeit gültigen Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit liegt ein wichtiger Grund im Fall eines Abwicklungsvertrages (einvernehmliche Beendigung nach arbeitergeberseitiger, betriebsbedingter Kündigung) auch dann vor, wenn der Arbeitlose auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte und das Beschäftigungsverhältnis nicht vor dem Termin beendet wird, zu dem die Kündigungsfrist ausgelaufen wäre.

Sperrzeiten können ebenso während des Bezugs von ALG I verhängt werden, wenn der Arbeitslose sich auf Vermittlungsangebote nicht bewirbt, ein zumutbares Arbeitsangebot nicht annimmt oder das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses (z.B. durch deutlich überhöhte Lohnforderungen vereitelt). Die Sperrzeiten beträgt dabei bei der ersten Ablehnung drei Wochen, bei der zweiten sechs und danach 12 Wochen. Treten Sperrzeiten von insgesamt 21 Wochen ein erlischt der Anspruch ganz.

Die Sperrzeit beginnt grundsätzlich am Tag nach dem die Sperrzeit begründenen Ereignis, also z.B im Fall des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags, mit dem ersten Tag, an dem Arbeitslosigkeit besteht. Weil aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Arbeitslosigkeit bereits dann vorliegt, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet ist, kann Arbeitslosigkeit auch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis eintreten. Dies wird etwa dann angenommen, wenn (etwa im Rahmen eines Abwicklungsvertrags) eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht unter Vergütungsfortzahlung bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist vereinbart ist. In solchen Fällen beginnt der Lauf der Sperrzeit bereits mit der (unwiderruflichen) Freistellung und ist deshalb bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (und Beginn des Arbeitslosengeldbezugs) ganz oder teilweise abgelaufen.

Nebenbeschäftigungen

Während des Arbeitslosengeldbezuges darf man eine oder mehrere Nebenbeschäftigung(en) ausüben, solange diese unter 15 Stunden in der Woche bleiben. Des Weiteren gibt es einen monatlichen Freibetrag in Höhe von 165 Euro, zzgl. Fahrkosten. Wenn das Nebeneinkommen diesen Freibetrag übersteigt, wird der übersteigende Betrag mit dem monatlichen ALG I verrechnet. Die Aufnahme eines Nebenverdienstes ist mit der schriftlichen Veränderungsmitteilung bei der Arbeitsagentur unverzüglich anzuzeigen und monatlich sind die vom Arbeitgeber ausgefüllten Nebenverdienstbescheinigungen vom Arbeitslosen einzureichen.(§ 141 SGB III).

Ableitbare Ansprüche

Wer Anspruch auf ALG I hat, hat (unter weiteren Voraussetzungen) Anspruch auf:

Folgen der Reform

Seit dem 1.1.2005 leiten sich aus dem Bezug von ALG I keine Ansprüche mehr auf Arbeitslosenhilfe ab. Diese wurde abgeschafft und durch das Arbeitslosengeld II ersetzt. Dieses ähnelt nach Höhe und Berechnungsart der Sozialhilfe. Arbeitslosengeld II erhalten auch die bisherigen erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger. Aus dem vorangegangenen Bezug von ALG I ergeben sich - anders als bei der bisherigen Arbeitslosenhilfe - keine besonderen Ansprüche beim Bezug von Arbeitslosengeld II mehr, da dieses sich ausschließlich nach der Bedürftigkeit bemisst und nicht - wie Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe - nach dem zuvor erzielten Einkommen bzw. dem daraus abgeleiteten Beitrag zur Arbeitslosenversicherung.

Zum Jahreswechsel 2004/2005 haben rund 500.000 Personen durch die Neuregelungen ihren Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung verloren. Daraus ergeben sich bei ehemaligen Arbeitslosenhilfeempfängern oft deutliche Einschnitte, wohingegen bisherige Sozialhilfeempfänger teilweise profitieren (etwa durch den nun erlaubten Besitz eines Autos). Vermögende Arbeitslose (dazu zählt schon der Besitz eines Hauses oder einer Eigentumswohnung) verlieren ihre Unterstützung ganz. Die Einführung war daher heftig umstritten. Größere Proteste sind aber bisher (22. April 2005) ausgeblieben.

Volkswirtschaftlich gesehen wird mit positiven Effekten gerechnet, da einerseits Anreize zur Aufnahme einer Arbeit entstehen, andererseits staatliche Mittel auf Bedürftige konzentriert werden können. Zudem erhofft man sich - insbesondere durch die Pauschalierung von Leistungen - die Förderung der Eigenverantwortung.

Siehe auch

Literatur

Erscheinungsjahr: Sommer 2005]

Arbeitsloseninitiativen bzw. Ansprechstellen in Deutschland