Kirche Betschwanden

Die Reformierte Kirche zu Betschwanden ist ein im Kern spätromanischer Bau. Das Gotteshaus wurde womöglich schon um 1300[1] errichtet. Die Kirche wird in einem Markenbuch des Bistums Konstanz erstmals 1370 urkundlich erwähnt.[2] J. Davatz, langjähriger Kulturbeauftragter des Kantons Glarus und Konservator des historischen Museums im Freulerpalast Näfels. meint, der älteste Baubestand könne in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückreichen.[3] Eine archäologische Grabung im Spätsommer 1975 ermöglichte die Klärung der Baugeschichte, die sich in drei Phasen vollzog.
Erste Bauphase

Die Kirche ist nicht wie sonst üblich gegen Osten hin gerichtet, sondern gegen Süden. Der Grund dafür ist wahrscheinlich die unterschiedliche Beschaffenheit des Baugrundes: im Osten weicher Baugrund aus Schwemmmaterial und im Westen recht stabiler Boden. Hätte man die Kirche quer zum Tal gebaut, wäre sie mit der Zeit auseinander gebrochen.
Die Grösse der Kirche – das Kirchenschiff ist über 20 m lang und 12,5 m breit – liess lange vermuten, dass sie, wie andere Kirchen in der Gegend, aus einer kleineren Kapelle durch Vergrösserungen und Ausbauten schliesslich ihre heutige Gestalt erhalten hat. Die Grabung hat gezeigt, dass kein älterer Bau bestanden hat, ausser er wäre ausserhalb der heutigen Anlage gelegen gewesen. Grundriss und ein Grossteil des Mauerwerks gehören zur ältesten Anlage.
Der Chor, der sich heute im Erdgeschoss des Turms befindet, war ursprünglich von einem Satteldach bedeckt, das tiefer als das damals flacheres Kirchendach lag. Der Turm wurde erst in einer zweiten Bauetappe über dem Chor erbaut. Die Grabung konnte keinen Grund dafür liefern, warum der Chor 70 cm nach Osten verschoben ist.
Die spätromanische Kirche wurde durch je drei kleine, meterhohe, rundbogige Fenster mit schmalen Öffnungen in den Längsmauern spärlich erhellt. Eines dieser Fenster ist fast ganz erhalten geblieben. Es befindet sich hinter dem Bibelspruch links vom grossen Fenster neben der Kanzel und ist von aussen noch sichbar.
Auf der Ostseite zwischen dem dritten heutigen Fenster und der Chorwand ist eine Sockelmalerei mit Rautenmuster zum Vorschein gekommen. Dieser Fund lässt Emil Brunner vermuten: „Prachtvolle, bunte Wandmalereien und Rautenkränze am Wandfuss verliehen dem Inneren eine feierliche Stimmung” (Glarner Volksblatt, 13. November 1975).
Im Chor befanden sich zwei rundbogige Fenster in der Süd- und Ostmauer. In der Stirn- sowie in der Westmauer waren zwei einfache Nischen eingelassen. Chor und Schiff waren durch eine stattliche Mauer voneinander abgetrennt, deren Höhe schwer feststellbar ist. Der Chor war 60 cm höher als das Schiff und konnte über je zwei 1,2 m breite und 90 cm in das Schiff hineinragende dreistufige Treppen erreicht werden. Der Hauptaltar stand 2,20 m vor der Stirnmauer. Erst später wurde ein kleinerer Altar vor die Chorschranke, die Trennmauer zwischen Chor und Schiff, gestellt. Die Decke des Chores in der Form eines Klostergewölbes gehört zur ursprünglichen Anlage.
Von der ältesten Decke im Schiff sind alle Spuren verwischt. Anzunehmen ist eine Flachdecke, die sich auf der Höhe der heutigen Mauerkronen befunden haben dürfte. Dadurch ergab sich ein recht gedrungener und niedriger Kirchenraum mit nur 5,50 m Höhe bei einer Breite von 12,6 m.
Zweite Bauphase

Der Turm wurde erst in einer zweiten Bauetappe in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts dem ursprünglichen Bau beigefügt. Wie hoch der ursprüngliche Turm war, kann nicht mehr festgestellt werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass er nicht weit über die Schallöcher der jetzigen Glockenstube mit den beiden Säulchen hinausragte. Offenbar stellen die beiden wesentlich kleineren Fenster darunter die Schallöcher des einstigen Glockengeschosses dar.
Dritte Bauphase


In einer dritten Bauetappe 1486/87 wurde das flache Dach durch ein steileres ersetzt, dessen Dachstuhl heute noch in grossen Teilen erhalten ist. Zusammen mit der Erhöhung des Firstes erfolgte eine Erhöhung des Turmes.
Im südlichen Teil des Schiffes wurden zwei neue, grössere Fenster ausgebrochen. Die beiden kleinen romanischen neben den neuen Fenstern wurden zugemauert. Diese zwei Fenster erhellten den durch eine Mauer vom Schiff abgetrennten Vorchor, der in dieser Bauetappe entstand. Der Chorbezirk konnte vom Schiff her über zwei Stufen betreten. Die Erweiterung des Chorbezirks ist wahrscheinlich auf eine Vergrösserung der Anzahl der Priester zurückzuführen. Vorchor und Chor waren durch eine Stufe voneinander getrennt. An der Stelle der heutigen Kanzel wurde ein Seitenalter errichtet.
Zur neuen Vorchoranlage gehörte eine neue Anordnung der Bänke. Ein östliches Bankfeld reichte von der Vorchorschranke bis 4,70 m vor die Nordmauer. Ein wesentliches Bankfeld begann erst auf der Höhe des heutigen Westeinganges und reichte bis an die Nordmauer. Diese Anordnung der Bänke weist darauf hin, dass die alte Kanzel in der Südwestecke der Kirche stand.
Der neue Dachstuhl erforderte eine neue Decke: eine spätgotische, geschnitzte Flachdecke, die nur wenig über den heutigen Fenstern angebracht wurde. Der Kirchenraum war mit knapp 5,5 m Höhe im Verhälntnis zu seiner Länge und Breite eher gedrückt. Reste dieser Decke sind an der heutigen Emporenbrüstung erhalten. Laut einer Mitteilung der Restaurierung von 1857 trug die Decke die Inschrift: „Im jah als man zahlt nach Christi geburt MCCCCLXXXVI peter”. Es ist möglich, dass es bei diesem Peter um Peter Winsdanner handelt, der später die Decken in den Kirchen von Matt und Elm schnitzte.
Spätere Veränderungen und Ergänzungen zur Anlage Drei
In der Zeit zwischen 1486/87 und 1857 wurden insgesamt neun Fenstern im Schiff ausgebrochen: die einen sind mit Stichbogen, die anderen mit Rundbogen abgeschlossen. Es ist möglich, dass die rundbogigen Fenster zusammen mit der Renovation von 1857 entstanden.
1491 kam eine grössere Glocke in den Turm mit der Inschrift: „S. Joannes ora pro nobis. M.CCCC.LXXXXI” (Hl. Johannes bitt für uns. 1491). [4]
Der Korb der heutigen Kanzel ist eine Renaissancearbeit, die 1619 entstanden ist. Treppe, Rückwand und Deckel fertigte man 1915 nach einem Entwurf von Architekt Streiff an. Die Kanzelsäule wurde bei der Innenrenovation 1976 gestaltet.
Caspar Lang schrieb 1698 über ein früher entstandenes Christophorus-Bild an einer Aussenwand der Kirche: „Sihet man noch heutiges tags zu Bettschwanden ausserhalb der Kirch die Bildnuss dess h. Christophori mit der Bildnuss Christi; dann ob man sie schon gleich zum öffteren durchgestrichen, kann sie noch nicht also durchgestrichen verbleiben.” [5]
Innenrenovation von 1857

Ende April 1856 beschloss die Kirchgemeinde den Bau von Empore und Orgel sowie die dazu notwendigen Veränderungen bzw. die Erhöhung der Decke. Unter der Leitung von Baumeister Caspar Leuzinger, Glarus, wurde eine Empore zur Aufnahme der ersten Orgel erstellt. Verziert wurde die Brüstung mit einem spätgotischen Masswerkfries, der der Holzdecke von 1486 entnommen wurde. Über dem Kirchenschiff wurde ein Tonnengewölbe hergestellt, und damit wurde die Raumhöhe von knapp 5,5 m auf 8,5 m erhöht. Über der neuerrichteten Empore wurden in der Nordmauer drei Fenster ausgebrochen und ein Rundfenster in den Giebel gesetzt.
Werner Stöckli, der mit der Leitung und Durchführung der archäologischen Grabungen beauftragt wurde, schreibt zur Renovation von 1857: „Der bauliche Eingriff jener Restaurierung brachte nicht nur einen neuen Raum, sondern er führte - indem sämtliche Binder durchgesägt wurden - das Bauwerk an den Rand der Katastrophe, des Einsturzes... Der Grabungsleiter, Dr. Peter Eggenberger, der auch den archäologischen Grabungsbericht schrieb, meint: «Hinter dieser nüchternen Aufzählung (d. h. der baulichen Veränderungen anlässlich der Renovation von 1857 mit Erstellung eines Gips-Tonnengewölbes) steht ein Drama. Die 20 Rundbalken, die den Dachstuhl abbanden, sind durchgesägt worden. Dies wirkte sich verheerend auf die Ostmauer aus, die rund 40 cm nach aussen hängt. In der Folge konnte mit einer Vielzahl von Hilfsmassnahmen der drohende Einsturz der Kirche verhindert werden...”
"Im Jahr 1858 baute der Luzerner Orgelbauer Scheffold die erste Orgel für Betschwanden", berichtet Jakob Kobelt in seinem Schlussbericht über den Orgelneubau 1977. "Es war ein Werk mit einem Manual und Pedal und hatte folgende Disposition:
Manual: Bourdon 16' Principal 8' Gedeckt 8' Viola 8' Flöte 8' Octav 4' Flöte 4' Gemshorn 4' Flautino 2' Mixtur 2 2/3'
Pedal: Subbass 16' Violonbass 16' Octavbass 8' Posaune 8'
Das rein mechanische Instrument besass Kegelladen, und für die beiden Kastenbälge wurde ein „Orgeltreter” für die Winderzeugung benötigt."
Unterhalt und Erneuerungen bis 1915[6]

In diese Periode fällt der Einbau der zwei Eisenstangen, um den Bau zu befestigen.
1879 wurde eine neue Bestuhlung im Chor eingebaut.
In das südliche Chorfenster wurde 1890 eine Glasgemälde des auferstandenen Christus vom Glasmaler Friedrich Berbig, Zürich-Enge.
Die Bestuhlung und Wandverkleidung, die als Vorbild für die heutige Gestaltung verwenden wurden, fertigte man in den Jahren 1892-94 an. Sie wurden aber im Gegensatz zu heute mit einer Eichenholzmaserung ausgeführt.
Die Gebrüder Theus, Felsberg GR, wurden 1898 mit dem Giessen von vier Glocken im Des-Dur-Akkord (des, f, as, des) beauftragt. Dabei wurden zwei der drei alten Glocken eingeschmolzen. Die kleinste Glocke, von der man annimmt, sie habe schon 1388 zur Schlacht nach Näfels gerufen, wurde nach Braunwald geschenkt. [7]
Die Firma Mäder, Andelfingen, lieferte 1899 eine neue Turmuhr und vier Zifferblättern.
Innenrenovation von 1915

„Ende 1914 beauftragt der Kirchenrat die Glarner Architekten Streiff und Schindler, Zürich, mit der Planung der Innenrenovation. Das Gewölbe wird neu gegepst und von Bildhauer Kalb, Zürich, sparsam mit Stukkaturen verziert. ‘Bei der Besprechung des Kostenvoranschlags der Architekten erregt allerdings der Posten für die Stuckarbeiten Fr. 2000 - 3000 ziemliches Befremden’, vermerkt das Protokoll des Kirchenrates. [Der ornamenthafte Stuck ist nur sehr sparsam als Schmuck von Chorbogen und Gewölbansatz eingesetzt. Bildhauer Kalb verwendete offensichtlich keine Gussformen, sondern modellierte die sich wiederholenden Pflanzenmotive künstlerisch frei mit mancherlei Variationen[8]].Die Kanzel wird von einem Farbanstrich befreit und restauriert; sie erhält einen neuen Aufgang und Schalldeckel. Neu angefertigt wird auch der [heute auf dem Estrich des Pfarrhauses stehende) Pfarrstuhl. Anbringen zweier Leuchter an den beiden Verankerungsstangen. Die Farbwahl für Decken, Wände und Holz gibt in drei Sitzungen viel zu diskutieren. Einen grünen Anstrich für Decken und Wände, lehnt der Kirchenrat ab; er entscheidet wich für einen weissen. Beim Holzwerk kommt er am 17. März 1915 zu folgendem Schluss: ‘Blau und Grün gefallen nicht, ebensowenig Gelb und Braun. So gewinnen die sämtlichen Anwesenden den Eindruck, da der alte Anstrich (Eichenimitation) nicht mehr gut beibehalten werden könne, sei der ursprüngliche von den Architekten auch jetzt noch in erster Linie empfohlene Vorschlag: Rot mit Schwarz und eventuell wenig Weiss, am ehesten annehmbar.’”[9]
Bei der Renovation wurde eine neue, zweite Orgel der Firma Groll, Luzern, aufgestellt. Es war eine typisch spätromantische Orgel mit 27 Register, 2 Auszüge und 2 Transmissionen auf II Manualen mit Pedal. Der Zinnprospekt war zu beiden Seiten des Spieltisches und des Mittelfensters auf der Empore eingebaut. Die Plazierung der Orgel hatte zur Folge, dass die Fenster links und rechts vom Mittelfenster wieder vermauert wurden. Das Instrument war mit einer pneumatischen Spiel- und Registertraktur versehen, sich als unpräzis und störungsanfällig erwies.
Disposition I Manual: Bourdon 16', Principal 8', Gamba 8', Bourdon 8', Suavialflöte 8', Dolce 8', Octav 4', Rohrflöte 4', Mixtur 2 2/3', Octav 2'
II Manual: Stillgedackt 16', Salicional 8', Geigenprincipal 8', Flûte harm. 8', Aeoline 8', Voix céleste 8', Lbl. Gedackt 8', Quintatön 8', Trompete 8', Clarinette 8', Fugara 4', Traversflöte 4', Harm. aetherea 2 2/3' (Piccolo 2')
Pedal: Violonbass 16', Subbass 16', Posaune 16', Violoncello 8', Octavbass 8' [10]

Innenrenovation von 1975 - 1977
Einige besondere Ergebnisse der archäologischen Untersuchung
Unter dem, wahrscheinlich für die Bestattung aufgebrochenen Mörtelboden der dritten Bauphase von 1487 wurden beim Haupteingang ein Grab und lose Knochen von früheren Bestattungen gefunden. Das freigelegte Skelett im noch vollständig erhaltenen Grab lag mit dem Kopf gegen Norden. Bei jener Bestattung wurde ein älteres Grab eines Erwachsenen gestört. Leicht unter das Fundament der Nordmauer gedrückt lag ein Schädel. Weiter östlich vom Gab lagen weitere Knochen.[11]
Unter Anderem wurden folgende Fundgegenständen bei der Grabung entdeckt: vierMünzen, Elfenbeinringe, Butzenscheiben, ein Spinnwirtel. Zu den Münzen gehören eine Berner Münze und die älteste mittelalterliche Fundmünze des Kantons, ein Augsburger Heller aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.[12][13]

Renovation und Reinigung 2001 und 2002

Quellen
- ↑ Karl Hasler Archäologische Grabung in der Kirche Betschwanden In: Nejharsbote für das Glarnre Hinterland 1977
- ↑ J. Davatz, "Die Kirche Betschwanden als Bauwerk", in Zeitungsausschnitt aus einer nicht angegebenen Zeitung vom 1. April 1975 im Archiv der Reformierten Kirchgemeinde Grosstal, 8777 Betschwanden
- ↑ J. Davatz, Die Kirche Betschwanden vor der Innenrenovation, In: unbekannter Zeitung im Kirchenarchiv.
- ↑ J. Davatz, Die Kirche Betschwanden vor der Innenrenovation, In: unbekannter Zeitung im Kirchenarchiv.
- ↑ J. Davatz, Die Kirche Betschwanden vor der Innenrenovation, In: unbekannter Zeitung im Kirchenarchiv.
- ↑ J. Davatz, Die Kirche Betschwanden vor der Innenrenovation, In: unbekannter Zeitung im Kirchenarchiv.
- ↑ J. Davatz, Die Kirche Betschwanden vor der Innenrenovation, In: unbekannter Zeitung im Kirchenarchiv.
- ↑ J. Davatz, „Die Kirche Betschwanden als Bauwerk”, in Zeitungsausschnitt aus einer nicht angegebenen Zeitung vom 1. April 1975 im Archiv der Reformierten Kirchgemeinde Grosstal, 8777 Betschwanden
- ↑ J. Davatz, Die Kirche Betschwanden vor der Innenrenovation, In: unbekannter Zeitung im Kirchenarchiv.
- ↑ Jakob Kobelt: Schlussbericht über den Neubau 1977 der Orgel in der Kirche Betschwanden GL In: Archiv der Kirchgemeinde Grosstal, 8777 Betschwanden.
- ↑ K. Hasler, ‘’Archäologische Grabung in der Kirche Betschwanden, In: Neujahrsbote für das Glarner Hinterland 1977
- ↑ K. Hasler, Archäologische Grabung in der Kirche Betschwanden, In: Neujahrsbote für das Glarner Hinterland 1977
- ↑ Veronika Feller-Vest, Von gefundenem und wieder verlorenem Geld im Kanton, In Südostschweiz vom 15. Dezember 2008.
Literatur
- E. Brunner, „Aelter als die Eidgenossenschaft...!”, in Glarner Volksblatt, 13. November 1975
- J. Davatz, «Die reformierte Kirche Betschwanden», in: Unsere Kunstdenkmäler, Bd. 29, 1978, S. 91–100
- J. Davatz, „Die Kirche Betschwanden als Bauwerk”, in Zeitungsausschnitt aus einer nicht angegebenen Zeitung vom 1. April 1975 im Archiv der Reformierten Kirchgemeinde Grosstal, 8777 Betschwanden
- Karl Hasler, Archäologische Grabung in der Kirche Betschwanden, in: Neujahrsbote für das Glarner Hinterland 1977