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Ronald Biggs

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Ronald Arthur Biggs (* 8. August 1929 in Lambeth, London) war Mitglied einer britischen Räuberbande, die am 8. August 1963 bei der Bridego-Eisenbahnbrücke in Ledburn den königlichen Postzug von Glasgow nach London überfallen hatten und 2,63 Millionen Pfund erbeuteten. Dem Überfall gab man die Bezeichnung The Great Train Robbery (zu Deutsch: Der Große Zugraub). Seit dem 7. Mai 2001 saß Biggs im Belmarsh-Gefängnis seine dreißigjährige Gefängnisstrafe ab. Medienberichten zufolge sollte er am 4. Juli 2009 begnadigt werden. Der britische Justizminister Jack Straw wies sein Gnadengesuch am 1. Juli 2009 allerdings ab.[1] Am 6. August 2009 wurde Biggs aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes begnadigt und aus der Haft entlassen. [2]

Leben

Biggs, später nur noch Ronnie Biggs genannt, wurde am 8. August 1929 in Lambeth geboren. Er arbeitete und lebte bis zu seinem 34. Geburtstag als Zimmermann mit seiner Ehefrau Charmian Rothen und seinen beiden Söhnen in Redhill in Surrey. Er war ein Mitglied der sogenannten Fulham-Boys, die verschiedene kleine Verbrechen im Großraum London verübten. Die Gruppe wurde von den eigentlichen Posträubern um Bruce Reynolds und Ronald Edwards angeheuert. Mit der Planung des Überfalls hatte Biggs, nach neueren Erkenntnissen, nichts zu tun.

Der große Überfall

Grafschaft Buckinghamshire

Am 8. August 1963, an seinem 34. Geburtstag, überfiel Biggs zusammen mit Bruce Reynolds, Ronald „Buster“ Edwards, Charlie Wilson „Der Schweiger“, Roy James „Das Wiesel“, Brian Field, Thomas Wisbey, Robert Welch, Gordon Goody, James Hussey, Rodger Cordrey, James White, William Boal, Leonard Field und John Wheater um 3.10 Uhr morgens den königlichen Postzug, der auf dem Weg von Glasgow nach London war. Der Zug wurde an der Bridego Eisenbahnbrücke in Ledburn, nahe Mentmore, in der Grafschaft Buckinghamshire durch ein manipuliertes Zugsignal zum Stehen gebracht. Einer der Räuber schlug den Lokführer Jack Mills nieder, der noch Jahre später an den Folgen litt.

Die Räuber erbeuteten 120 Geldsäcke mit 2.631.784 Pfund. Das entspräche heute einer Summe von rund 30 Millionen Pfund.

Biggs behauptete, dass die drei nicht gefassten Bandenmitglieder zusammen mit dem Geld auch fünfzig ungeschliffene Diamanten erbeutet hätten. Diese Aussage über eine größere Anzahl von Bandenmitgliedern - demnach hätte die Bande aus 18 Mitgliedern bestanden - ist nachvollziehbar: Biggs hatte nach eigenen Angaben einen Anteil von 148.000 Pfund bekommen. Dies entspräche bei 18 Mitgliedern etwa der erbeuteten Summe.

Wandsworth Prison

London Borough of Wandsworth

Die Täter trugen bei dem Überfall Masken und Handschuhe und so suchte die Polizei lange Zeit vergebens nach Spuren. Scotland Yard entdeckte ihre Fingerabdrücke in einem abgelegenen Bauernhof nahe dem Tatort in der Grafschaft Oxfordshire, in dem die Räuber ihre Beute deponiert hatten. Ein Team von Polizisten unter der Führung von Detective Chief Superintendent Jack Slipper, Slipper vom Yard genannt, fasste 13 Räuber.

Im Jahre 1964 wurde Biggs zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. 15 Monate später gelang ihm im Gefängnis von Wandsworth zusammen mit drei anderen Gefangenen die Flucht, indem sie über die Außenmauer mit einer Strickleiter kletterten und in einen präparierten Möbelwagen sprangen.

Biggs floh mit seiner Familie nach Paris, versorgte sich dort mit gefälschten Papieren und ließ sein Gesicht verändern. Sie flohen weiter nach Australien in die Hibiscus Road in der Stadt Blackburn nahe Melbourne. Biggs floh 1974 von dort aus ohne Familie nach Rio de Janeiro in Brasilien.

Slipper vom Yard

Im selben Jahr reiste Jack Slipper nach Brasilien, um Biggs festzunehmen. Biggs hoffte, 35.000 Pfund durch ein Exklusivinterview mit der Zeitung Daily Mail zu verdienen. Im Hotel Trocadero sollte Slipper ihn aufgesucht und mit den Worten „Hallo Ronnie, lange nicht gesehen!“ begrüßt haben, die Verhaftung gelang jedoch nicht. Die brasilianische Regierung erlaubte Biggs' Auslieferung nicht, da die britische Regierung nicht der Reziprozität zustimmte, d. h. im umgekehrten Falle jemanden aus England nach Brasilien auszuliefern. Des Weiteren erwartete die einheimische Stripperin Raimunda de Castro ein Kind von Biggs und so durfte er nicht aus Brasilien ausgewiesen werden. Getauft wurde der Sohn auf den Namen Michael. Auf dem Rückweg wurde Slipper schlafend im Flugzeug von einem Daily Mail-Fotografen aufgenommen – inklusive des leeren Sitzes neben ihm.

1993 besuchte Slipper Biggs in Rio, wobei dieser beichtete, dass er vollkommen pleite sei .

Gefangen in Rio

Aufgrund seines Status als Verbrecher durfte Biggs in Brasilien keine Arbeit haben. Er verdiente sein Geld mit Werbung für Alarmanlagen und dem Verkauf von „Ronald Biggs“-Kaffeebechern und T-Shirts mit seinem Konterfei. Für 60 US-Dollar bot er Touristen ein Frühstück mit einem echten Verbrecher und seinem Rottweiler Blitzkrieg an.

Biggs nahm mit der britischen Punkband The Sex Pistols im Jahre 1978, kurz nachdem Johnny Rotten die Band verlassen hatte, das Album The Great Rock ’n’ Roll Swindle und das Lied No One Is Innocent (Zu Deutsch: Niemand ist unschuldig) auf. Außerdem spielte er in der gleichnamigen „Pistols-Dokumentation“ unter der Regie Julien Temples sich selbst als „The Exile“. Der Film erschien 1980.

Im Jahre 1981 wurde Biggs von einer Gruppe Abenteurer entführt, die ihn in Barbados gegen eine Belohnung der britischen Polizei auslieferten. Das Verbrechen wurde bemerkt und er kehrte nach Brasilien zurück. Dort spielte sein Sohn Michael in der Kinderband Turma do Balão Mágico, die zu einer Geldquelle hätte werden können. Jedoch verlor die Band an Bedeutung und löste sich auf.

Ca. zehn Jahre später, dreizehn Jahre nach Ronnies Musikaktivitäten mit den Sex Pistols, nahm Biggs mit der deutschen Punk- und Rockband Die Toten Hosen die Single Carnival In Rio (Punk Was) für deren Album Learning English Lesson One auf und feierte mit ihr seinen 62. Geburtstag.

Erst 1999 unterschrieben Biggs und Reynolds einen Vertrag bei SCi Entertainment. SCi Entertainment wollte mit ihrer Unterstützung das Computerspiel The Great Train Robbery entwickeln. Der Spieler sollte entweder die Rolle der Polizei oder die Rolle von Biggs übernehmen. Dieses Spiel wurde aber nie veröffentlicht.

Rückkehr nach England

Am 7. Mai 2001, mit 71 Jahren, nach 35 Jahren Flucht und 30 Jahren in Brasilien, kehrte Biggs zusammen mit Bruce Reynolds aus gesundheitlichen Gründen nach England zurück. In Rio unterzeichnete er unter Aufsicht der brasilianischen Polizei eine Erklärung, dass er freiwillig nach England zurückkehrt. Ronald ließ seinen Sohn Michael und Enkelin Ingrid in Brasilien zurück.

Die britische Boulevardzeitung The Sun spendierte ihm den Rückflug in einem Privatjet und verschiedene Auslagen als Gegenleistung für die Exklusivrechte. Zu den Fragen der Journalisten musste Briggs auf Grund von zwei erlittenen Schlaganfällen schriftlich Stellung nehmen.

Auf dem Militärflughafen Northolt (bei London) wurde er von sechzig Scotland Yard-Beamten festgenommen. Auf die sofortige Inhaftierung reagierte Biggs geschockt und brach schluchzend in seiner Zelle im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh zusammen. Unter seiner neuen Adresse, HM Prison, Western Way, Thamesmead, London SE 28 OEB, musste er die noch ausstehenden 28 Jahre seiner Haftstrafe absitzen. Dort heirateten Biggs und Raimunda de Castro 2002 unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in der Gefängniskapelle im Beisein Michaels, Ingrids und einiger Fotografen.

Zwei Jahre später erlitt Biggs mehrere Schlaganfällen und einen Herzinfarkt und wurde vom Belmarsh Prison in das Queen Elizabeth Hospital verlegt. Am 10. August 2005 wurde MRSA bei Biggs diagnostiziert. Laut seinen Anwälten, die nach einem Grund für seine Entlassung suchten, stand sein Tod kurz bevor. Außerdem hatte er Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen.

Am 4. Juli 2007, im Alter von mittlerweile 77 Jahren, wurde Biggs aus „Mitgefühl“ aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in eine normale Haftanstalt nach Norwich verlegt.

Im Februar 2009 meldeten die Agenturen, Biggs sollte noch vor seinem 80. Geburtstag im August 2009 wegen seiner schweren Erkrankung begnadigt werden.[3] Diese Meldung erwies sich aber als falsch. Am 6. August 2009 wurde Biggs aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes vom Justizminister Jack Straw doch noch begnadigt und aus der Haft entlassen.[4]

Filme

  • 1966 wurde die Geschichte des legendären Postraubes mit Horst Tappert in der Hauptrolle für das deutsche Fernsehen mit dem Titel Die Gentlemen bitten zur Kasse verfilmt und war ein sogenannter „Straßenfeger“.
  • 1988 verfilmt Regisseur Lech Majewski den Großen Postzugraub unter dem Namen Prisoner of Rio. Die Filmmusik komponierte Hans Zimmer, das Drehbuch schrieb Ronald Biggs selber. Der Film erscheint in Deutschland unter dem Namen Gefangen in Rio.
  • 1988 spielte Phil Collins die Hauptrolle in dem Spielfilm „Buster“, der ebenfalls den legendären Postraub als Vorlage hatte.

Werke

Zitate

  • „Ich hatte ein großartiges Leben, ich bereue nichts.“ -- Ronald Biggs
  • „Mein letzter Wunsch ist es, als Engländer in den Margate Pub zu gehen und ein Bier zu trinken.“ -- Ronald Biggs in einem Interview mit The Sun
  • „Die Queen möchte meinen Vater haben, aber ich brauche ihn mehr.“ -- Michael Biggs
  • „Hallo Ronnie, lange nicht gesehen!“ -- Jack Slipper, als er fälschlicherweise meint, Biggs endlich zu haben Quelle
  • „Direkt nach der Ankunft machte sich Ronnie einen Spaß daraus, uns erst beim Billard um die gesamte Reisekasse zu bringen und anschließend mit für europäische Verhältnisse mörderischen Caipirinha-Mischungen total abzufüllen. Die Quittung bekam er allerdings umgehend: Ich hätte die Kotze vor seiner Tür nicht entfernen wollen...“ -- Kiki Ressler, Tourleiter der Toten Hosen, im Booklet zu Reich und Sexy

Einzelnachweise

  1. Posträuber Biggs bleibt im Knast, Blick online, vom 1. Juli 2009.
  2. Posträuber Biggs wird doch begnadigt
  3. Keine Gefahr für die Öffentlichkeit, ORF-online, 18. Februar 2009
  4. Keine Gnade für legendären Posträuber, Bild Online vom 2. Juli 2009