Tataren
Tataren (Eigenbezeichnung: Tatar, Pl. Tatarları) oder - älter - Tartaren ist seit dem Mittelalter eine Bezeichnung für verschiedene Völker und Bevölkerungsgruppen. So wurden in Europa die brandschatzenden und plündernden Sturmtruppen des Dschingis Khan als Tartaren (die aus der Hölle kommen) bezeichnet. Heute wird dieser Name vor allem für ein Turkvolk gebraucht, das in vielen Teilen Russlands, insbesondere in der Republik Tatarstan lebt.
Tataren - ein Name für viele Völker
Leider wird der Name Tataren in vielen verschiedenen Zusammenhängen gebraucht. (Vergleiche hierzu die englischsprachige Wikepedia-Version.) So wurden und werden als „Tataren“ bezeichnet:
- eine im Mittelalter südlich und östlich des Baikalsees lebende (vermutlich turko-mongolische) Bevölkerung. Hauptsiedlungsgebiet war im 13. Jahrhundert der untere Kerulen und der Amur, weshalb sie auch als Kerulen-Tataren bezeichnet werden;
- bis zur frühen Neuzeit im Osten Sibiriens und Nord-Osten der heutigen Volksrepublik Chinas lebenden tungusischsprachigen Bevölkerungsgruppen;
- vor der Gründung der Sowjetunion (1922): verschiedene "eurasische" also auf dem Gebiet Russlands lebende Turkotataren, darunter die Aserbaidschaner, Nogaier, Kasachen, Chakassen und viele andere mehr.
- Die Krimtataren und die ihnen verwandten Dobrudscha-Tataren (siehe auch: Turkvölker), die aber zu einem anderen Zweig der Turksprachen gehören;
- die Muslime in Litauen, Belarus und Polen, die zum Teil Nachfahren der Krimtataren sind, aber heute Belorussisch und andere Sprachen sprechen. Auch die Muslime Finnlands werden als Tataren bezeichnet.
Tataren im eigentlichen Sinne
Die eigentlichen, sich auch selbst so bezeichnenden Tataren leben heute fast überall in Russland und den GUS-Staaten. Sie sprechen tatarisch und in der Regel auch russisch und sind überwiegend Muslime oder Nachfahren von Muslimen. Ein wichtiger Kern ihres Siedlungsgebietes sind Tatarstan und Baschkortostan.
Unterteilungen der Tataren (im engeren Sinne)
- Die vielleicht 50.000 Astrachan-Tataren leben am Unterlauf der Wolga, auf dem Gebiet des ehemaligen Khanat Astrachan. Sie standen bis ins 20. Jahrhundert der nomadischen Tradition der Nogaier-Tataren nahe und werden in der Regel ihnen als zugehörig betrachtet. (Die Astrachan-Tataren entstammen ursprünglich der Weiß-Nogaier Horde.)
- Die Kasimov-Tataren (wenige 10.000) sind die Nachfahren der Bevölkerung des im 16. Jahrhundert mit den Moskauer Großfürsten verbündeten Khanat von Kasimov
- Die Kerätschen (Keräşen, Kreschen), Noğaybaqen sind orthodoxe Christen. Sie leben an der Wolga und vor allem im Ural-Vorland.
- Die vielleicht 300.000 Mäscher (Mescheren) sind die überwiegend westlich der Wolga (auch in Tschuwaschien und Mordwinien) lebende Tataren. Der Name dieser Bevölkerung verweist auf mögliche Verwandtschaft mit den Ungarn oder den mittelalterlichen Meschera (Siehe: Finno-ugrische Völker).
- Die Wolga-Tataren (Kasan-Tataren, Qazanlıq) leben im Tatarischen Kernland (Tatarstan) an der Wolga.
- Die sibirischen Tataren leben in "Inseln" im ganzen westlichen Sibirien und unterteilen sich in zahlreiche weitere Untergruppen (Tobol-Tataren, Tumen-Tataren, Baraba-Tataren etc.). Sie sind die Nachfahren der Kernbevölkerung des Khanats Sibir.
- Die Tepter(en) sind Tataren des nördlichen Uralvorlands (Glasover Tataren) und stellen einen Teil der Tataren Baschkortostans. Sie stehen den Baschkiren sprachlich und in der traditionellen Kultur nahe.
(Zahlenangaben für Astrachaner, Kasimover und Mäscher sind Schätzungen von Benutzer: Boris ausgehend von älteren Zahlen)
Bevölkerungszahl
In der Russischen Föderation lebten nach der Volkszählung von 1989 5,552 Millionen Tataren und in der damaligen Sowjetunion insgesamt 6,6487 Millionen Tataren.
1989 betrug die tatarische Bevölkerung Tatarstans 1,7654 Millionen Menschen; in Baschkortostan lebten neben den nicht zu den Tataren gehörenden Baschkiren 1,1207 Millionen Tataren.
Geschichte
Die Tataren (oder Turkotataren) können als Nachfahren von Wolga-Bulgaren, Kiptschaken, Finno-ugrische Völkern, Mongolen und Slawen angesehen werden. Ihre eigentliche Geschichte beginnt mit der Goldene Horde im 13. Jahrhundert. Sie waren die Kernbevölkerung der Khanate Kasan, Astrachan, Kasimov und Sibir (Sibirien). Schon im 16. Jahrhundert gehörten fast alle Siedlungsgebiete der Tataren zu Russland.