Zum Inhalt springen

Karl Gass

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Juli 2009 um 18:47 Uhr durch Peter B. Liebig (Diskussion | Beiträge) (Dokumentarfilmer: allg. red. Überarb.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Karl Gass (* 2. Februar 1917 in Mannheim; † 29. Januar 2009 in Kleinmachnow[1]) war ein deutscher Regisseur für Dokumentarfilme, Reportagen und Porträts sowie in verschiedenen administrativen Funktionen im Filmbereich tätig. Er zählte mit seinen über 120 Werken zu den wichtigsten Dokumentarfilmern in Ostdeutschland und galt als Wegbereiter und „Nestor“ des DEFA-Dokumentarfilms.

Leben

Vor- und Nachkriegszeit

Gass wuchs zunächst in Mannheim als Sohn eines Automechanikers auf, 1925 siedelte die Familie nach Köln über.[2] Nachdem er 1936 das Abitur erlangt hatte, war er Volontär bei einer Wohngesellschaft. Anschließend begann er ein Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in Köln.[3] Da er sich auch sportlich betätigte, gehörte er 1940 zur Mannschaft der Achter-Ruderer bei den deutschen Meisterschaften. 1940 – ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkriegs – wurde er Soldat und diente bis 1945 in der Panzergrenadierbrigade Großdeutschland. Als Leutnant der Reserve ging er nach Kriegsende in britische Gefangenschaft.

Ab Dezember 1945 war er Wirtschaftsredakteur beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Köln. Als Radiojournalist wollte er die Aufarbeitung der NS-Zeit voranbringen. Dies stieß bei seinen Journalistenkollegen allerdings nur auf wenig Interesse. Man warf ihm seine Nähe zur KPD vor und kritisierte seine entsprechenden politischen Kommentare.[4] Gass zog daraus die Konsequenz, in die damalige Sowjetische Besatzungszone (SBZ), der späteren DDR überzusiedeln.

Übersiedlung in die DDR

1948 zog er von Westdeutschland nach Ost-Berlin.[5] Dort produzierte er als Redakteur für Wirtschaft beim Berliner Rundfunk Kommentare und Reportagen. Durch diese Tätigkeit lernte er die Dokumentarfilmer Andrew Thorndike und Joop Huisken kennen. Die Berührung mit diesem Medium veranlasste ihn, seine künftige Arbeit auf den Dokumentarfilm zu konzentrieren. Darüber hinaus verfasste er Drehbuch-Konzepte und filmwissenschaftliche Schriften. Ab 1950 arbeitete er als freier Mitarbeiter für die DDR-Wochenschau „Der Augenzeuge“, die zumeist im Vorprogramm der Kinos gezeigt wurde.

Dokumentarfilmer

Ab 1954 übernahm er die künstlerische Leitung der Dokumentarfilm-Produktion bei der DEFA. Im Juli 1960 wurde er Leiter einer künstlerischen Arbeitsgruppe beim 1952 neu geschaffenen DEFA-Studio für Dokumentarfilme [6] Bis 1972 leitete er die Gruppe Effekt. In dieser Zeit wurde er Mitglied der SED. Von 1965 bis 1968 wirkte er als Dozent und Leiter der Regieklasse für Dokumentarfilme an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam. Von 1964 bis 1970 war er mit der Regisseurin Gitta Nickel verheiratet.

1962 drehte er die Dokumentation „Schaut auf diese Stadt“ über West-Berlin und die Reaktion auf den Mauerbau aus Sicht der DDR. Mit der Dokumentation „Feierabend“ (1963–1964) über den Arbeitsalltag von Bauarbeitern auf der Großbaustelle Schwedt zeigte er sich kritisch und jenseits des zu dieser Zeit geforderten „Sozialistischen Realismus“ in der DDR-Kunst. Sein Porträt einer Landwirtschaftlichen Produktions-Genossenschaft mit dem Titel „Ecken und Kanten“ (1980) wurde lange nicht zur öffentlichen Aufführung freigegeben. Erneut zog er daraus die Konsequenz und wandte sich von da an eher historischen Stoffen zu.[7]

Erfolge

Gass war Mitbegründer der Leipziger Dokfilmwoche und der Nationalen Dokumentarfilmwochen der DDR. Von ihm beeinflusst wurden unter anderem die Dokumentarfilmer Volker Koepp und Gitta Nickel, Winfried Junge und Eduard Schreiber. Konrad Weiß nannte ihn einen „redlichen Filmemacher, der seine schützende Hand über uns hielt“.[7]

International erfolgreich war er besonders mit seiner Dokumentation Das Jahr 1945 (1985), mit der er mehrere Preise gewann. Der Streifen über die letzten 143 Tage des Zweiten Weltkriegs konnte im Erscheinungsjahr 1985 zwei Millionen Zuschauer in die Kinos locken und wurde damit zum erfolgreichsten DEFA-Film des Jahres.

Des Weiteren war Gass auch als Fernsehmoderator der DDR-Fernseh-Quizsendungen „Sind Sie sicher?“ und „Sie und er und 1000 Fragen“ erfolgreich. Als Sachbuchautor widmete er sich in seinen späten Jahren seit 1990 bevorzugt dem Themengebiet der Historie Preußens.

Gass, der seit 1961 mit seiner Ehefrau, der Film-Schnittmeisterin Christel Gass, zusammenarbeitete, lebte zuletzt in Kleinmachnow.

Seinen filmkünstlerischen Nachlass hält das Filmmuseum Potsdam zur weiteren Erforschung und Erhaltung.[8]

Filmproduktionen

Filmtheater Babylon im Ostteil Berlins im Jahr 1962, einen Tag nach dem Start des DEFA-Dokumentarfilms Schaut auf diese Stadt von Karl Gass
  • 1952: Das entscheidende Jahr[9]
  • 1953: Turbine I
  • 1957: Hellas ohne Götter[10]
  • 1959: Freiheit, Freiheit über alles[11]
  • 1960: Licht über Palermo
  • 1960: Kosmos – Erinnerungen an Alexander von Humboldt[12]
  • 1961: Sorah und Ali
  • 1962: Schaut auf diese Stadt[13]
  • 1963–1964: Feierabend[14]
  • 1972: Raketeers, Sternenbanner und Bundesadler in der NATO
  • 1975: Toscanerinnen
  • 1975: Die grüne, weiße, rote Toscana
  • 1975: Asse-Anno '74[15]
  • 1976: Wollt ihr unser Elend filmen
  • 1977: Richard – Der Bauer[16]
  • 1980: Ecken und Kanten
  • 1982: Zwei Tage im August, Rekonstruktion eines Verbrechens
  • 1982: Wenn NATO-Generale träumen
  • 1982: Jetzt lebe ich
  • 1984: Das Jahr 1945[17]
  • 1986: Nürnberg – nicht schuldig[18]
  • 1987: Eine deutsche Karriere

Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1940 „Deutsche Meisterschaft“ als Mitglied des Ruderer-Achters
  • 1951, 1952, 1954: Heinrich-Greif-Preis
  • 1964: BBC-Preis „Weltbester Dokumentarfilm“ für „Feierabend“[8]
  • 1977: Nationalpreis III. Klasse
  • 1985: Nationalpreis I. Klasse

Einzelnachweise

  1. Die Zeit – „Vater des DDR-Dokfilms“ Karl Gass gestorben
  2. Müller Enbergs, Wer war wer in der DDR, Augsburg 2003, S.242
  3. Gabriele Baumgartner, Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945–1990, München 1996, Band 1, S. 211
  4. Müller-Enbergs, ebenda
  5. Deutschlandradio Kultur vom 30. Januar 2009: "Er hat uns den Weg geebnet" Volker Koepp zum Tod von DEFA-Regisseur Karl Gass
  6. Gabriele Baumgartner, ebenda
  7. a b Märkische Allgemeine vom 30. Januar 2009: Nachruf: Karl Gass – Nestor des Dokfilms
  8. a b dpa vom 30. Januar 2009: DDR-Dokumentarfilmer Gass gestorben
  9. http://www.progress-film.de/de/filmarchiv/film.php?id=519&back=true
  10. http://www.imdb.de/title/tt0474715/
  11. http://www.filmportal.de/df/df/Uebersicht,,,,,,,,A14203EA084E44D6AE0993B7B7E53777,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html
  12. http://www.imdb.de/title/tt0474765/
  13. http://www.progress-film.de/de/filmarchiv/film.php?id=487&back=true
  14. http://www.progress-film.de/de/filmarchiv/film.php?id=309&back=true
  15. http://www.imdb.de/title/tt0386295/
  16. http://www.imdb.de/title/tt1321464/
  17. http://www.progress-film.de/de/filmarchiv/film.php?id=141&back=true
  18. http://www.imdb.de/title/tt0474837/