Zum Inhalt springen

Katastrophensoziologie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. April 2005 um 23:50 Uhr durch 213.6.98.9 (Diskussion) (Siehe auch: +1). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Katastrophensoziologie beschäftigt sich mit der sozialen Dimension von Katastrophen - theoretisch gehört sie damit in die Allgemeine Soziologie, im Hochschulalltag wird sie wie eine Spezielle Soziologie behandelt.

Aufgaben

Gegenstand der Katastrophensoziologie in Deutschland waren zunächst Fragestellungen direkter politischer Besorgnis. Angesichts dessen, dass 16 deutsche Bundesländer im Rahmen ihrer Katastrophenschutz-Gesetzgebung 16 verschiedene Legaldefinitionen von "Katastrophe" haben, wurden früh (ab 1971) an der späteren Katastrophenforschungsstelle des Institutes für Soziologie der Universität Kiel theoretische Antrengungen gemacht, den Begriff zu soziologisieren. Doch liegt die "Katastrophensoziologie" (ähnlich wie z. B. die "Agrarsoziologie") immer noch fernab vom deutschen soziologischen Mainstream; dem entgegen wirkend: Robert A. Stallings u. a. (vgl. unten: Einführende Literatur).

Begriffe

Derzeit (2004) sind drei soziologische Ansätze hervor zu heben, Katastrophe soziologisch-begrifflich zu fassen, die sämtlich nur teilweise miteinander kompatibel sind und faktisch einzig darin überein stimmen, dass "Katastrophen" im sozialen Diskurs (auch im umgangssprachlichen) konstruiert werden:

In der (in ihren Ursprüngen - beginnend mit Enrico Quarantelli (vgl. Emergentes Organisations-Netzwerk) - sehr pragmatisch orientierten) nordamerikanischen Sociology of Disaster wird erst neuerdings catastrophe von disaster abgetrennt, vor allem als überörtliche soziale Vernetzung von lokalen Schadereignissen.

In Deutschland wird Katastrophe soziologisch sehr unterschiedlich definiert:

Entweder (und auch erst jüngst) systemtheoretisch (in der Nachfolge von Niklas Luhmann von Klaus P. Japp – in der Abgrenzung zum Risiko) – als ein Kommunikations-Aspekt, d.h. als ein Signal unspezifizierten Nichtwissens ( eine Kontingenzentgrenzung), das absolute Signifikanz beanspruche: Durch Katastrophe wird etwas unabweisbar nicht Gewolltes kommuniziert. (Spezifiziertes Nichtwissen führe hingegen vermöge Kontingenzlimitation zur Abwägung und ggf. zur Inkaufnahme von Risiken).

Überwiegend jedoch wird Katastrophe seit 1975 figurations-, konflikt- und tauschtheoretisch (nach Lars Clausen u. a.) als ein besonderer sozialer Wandel aufgefasst, und zwar zugleich in dessen drei Dimensionen (i) der "Rapidität", (ii) der "Radikalität" (diese beiden auf Ralf Dahrendorf fußend) und (iii) der "Ritualität": als (i) extrem beschleunigter, (ii) extrem vernetzender (gründlicher) und (iii) extrem magisierter (dämonisierter) sozialer Wandel. Als erarbeitete katastrophensoziologische Schlüsselkonzepte bzw. -modelle sind hier exemplarisch zu nennen der Experten-Laien-Konflikt, das (strukturelle) Stadienmodell FAKKEL, das (operative) Phasenmodell LIDPAR, der Noah-Effekt, die Sündenbocksuche.

Einführende Literatur

Lars Clausen, Elke M. Geenen, Elísio Macamo (Hgg.): "Entsetzliche soziale Prozesse. Theorie und Empirie der Katastrophen" (mit umfangreicher internationaler Bibliographie und einem Katastrophensoziologischen Glossar), Münster (LIT-Verlag): 2003, ISBN 3-8258-6832-X

Siehe auch