Sendlinger Mordweihnacht
Als Sendlinger Mordweihnacht oder Sendlinger Bauernschlacht werden die Ereignisse des 25. Dezember 1705 in Sendling bezeichnet, bei denen nach einem missglückten Angriff auf München im Rahmen des Oberländer Bauernaufstandes gegen die österreichische Besatzung zwischen 1.100 und 3.000 Menschen getötet wurden, zum Teil auch erst nachdem sie sich bereits ergeben hatten.
Im Hintergrund der Sendlinger Mordweihnacht und der sonstigen Schlachten der Jahre 1705 und 1706 in Bayern stand der Spanische Erbfolgekrieg. Bayern kämpfte zusammen mit Frankreich gegen das zu jener Zeit von den österreichischen Habsburgern geführte Heilige Römische Reich Deutscher Nation und dessen Verbündeten England. Bayern und Frankreich unterlagen in der Schlacht von Höchstädt. Der bayerische Kurfürst Max Emmanuel musste daraufhin Bayern verlassen und die Reichstruppen unter Prinz Eugen von Savoyen besetzten das Herzogtum Bayern.
Nachdem sich der spanische Erbfolgekrieg nun verstärkt nach Italien verlagerte, sollte das Besatzungsgebiet Bayern für Nachschub an Menschen und Material sorgen. Die Soldaten der kaiserlichen Administrationen gingen bei der Rekrutierung und dem Eintreiben von Versorgungsleistungen äußerst brutal vor, worunter vor allem die Landbevölkerung zu leiden hatte.
Als Konsequenz kam es zu ersten Aufständen der Bauern in der Oberpfalz, in Niederbayern und in der Gegend um Tölz, die bereits die Losung für die folgenden Revolten prägten: Lieber bayerisch sterben, als kaiserlich verderb'n. Trotz des Einschreitens der kaiserlichen Truppen breiteten sich die Aufstände in Niederbayern und der Oberpfalz - im sogenannten Unterland - schnell aus.
Mit der Ausbreitung der Revolten übernahmen verstärkt Offiziere, Adlige, Beamte und Handwerker die Führung der Aufständischen und gaben den Umsturzbestrebungen das Ziel der Übernahme der Rentämter Bayerns. Zunächst wurde Burghausen belagert, das sich am 16. Dezember 1705 den Aufständischen ergab, genauso wie kurz darauf Braunau. Diese beiden Städte wurden damit zu den militärischen und politischen Zentren der Aufstandsbewegung. Hier entstand auch das erste demokratische Gebilde des neuzeitlichen Europa, die sogenannte Gmein der Bürger und Bauern bzw. das „Braunauer Parlament“.
Nach diesen beiden Niederlagen versuchten die kaiserlichen Besatzer in Waffenstillstandsverhandlungen mit den Aufständischen zu treten, die eine Delegation unter Freiherr Franz Bernhard von Prielmayr nach München entsandten. Währenddessen eroberten die Aufständischen die Städte Schärding und Kelheim. Die inzwischen im Ort Anzing bei München abgehaltenen Verhandlungen beschlossen einen zehntägigen Waffenstillstand.
Die Zeit des Waffenstillstands nutzten die Aufständischen, im Besonderen Matthias Ägidius Fuchs und Georg Sebastian Plinganser, zur Ausarbeitung eines Plans, wie die kaiserliche Besatzungsmacht aus München vertrieben werden könnte. Die kaiserlichen Soldaten sollten im Norden Bayerns durch Aufstände gebunden werden, um sie so im Südosten umgehen zu können und in einem Sternmarsch auf München zu marschieren. Zeitgleich sollte die ehemalige Münchener Bürgerwehr die Revolutionäre innerhalb der Stadtmauer unterstützen. Man beschloss, sich nicht an den Waffenstillstand zu halten und mit der Aktion so schnell wie möglich zu beginnen.
Die Münchener Verschwörer unter der Führung von Johannes Jäger begannen umgehend mit den Vorbereitungen, während Fuchs die Aufständischen im Oberland mobilisierte. Am 19. Dezember 1705 rief Fuchs im Tölzer Patent alle Oberländer dazu auf, sich zu bewaffen und sich bis zum 22. Dezember im Kloster Schäftlarn zu versammeln.
In diesem Tölzer Patent wurde behauptet, dass die kurfürstlichen Prinzen, die noch in München lebten, nach Österreich entführt werden sollten, was Fuchs durch ein gefälschtes Schreiben zu belegen versuchte. Zudem behauptete er, der Kurfürst Max Emmanuel würde den Aufstand mittragen und so bald wie möglich zu den Revolutionären stoßen. Das Tölzer Patent diente vor allem dazu, patriotische Gefühle anzusprechen und eventuelle Legitimitätsbedenken auszuräumen. Wo dieser Appell an die Heimatliebe und Untertanentreue zur Mobilisierung des Volkes nicht ausreichte, half man mit Druck und Zwang nach. So drohte Johann Christoph Kyrein, Bürgermeister von Tölz, seinen Bürgern mit dem Entzug der Bürgerrechte, sollten sie sich dem Aufstand verweigern; und im gesamten Land wurden Bauern vor die schwere Wahl gestellt, entweder ihre Söhne und Knechte ins Verderben ziehen oder ihre Höfe in Schutt und Asche legen zu lassen.
Am 21. Dezember 1705 fanden sich insgesamt 2.769 Mann Fußvolk und etwa 300 Reiter mit völlig unzureichender Ausrüstung und Bewaffnung im Kloster Schäftlarn ein. Auch in München liefen letzte Vorbereitungen; Raketensignale sollten den Aufständischen außerhalb der Stadtmauern die Bereitschaft der Münchener anzeigen. Doch nun kam es zu ernsten Problemen: Der Verbindungsmann zwischen Ober- und Unterland, der Anzinger Postmeister Franz Kaspar Hierner erschien nicht zum vereinbarten Treffen in München, die Verbindung zum Unterland war damit abgebrochen. Zudem musste sich der Anführer der Münchener Aufständischen, Jäger, der in München bereits durch die kaiserliche Administration überwacht wurde, zu den Oberländern absetzen. Hinzu kam noch, dass einige Städte und Gemeinden, die bereits Unterstützung der Aufstände zugesichert hatten, diese aus Angst vor Repressalien wiederriefen.

Am Heiligen Abend gegen Mittag begannen die Aufständischen ihren Marsch auf München. In Solln erhielten sie die nächste schlechte Nachricht: Die Münchener Verbündeten würden die geplanten Aktionen nicht mehr wie besprochen durchführen können. Die kaiserlichen Besatzer hatten die Truppen verstärkt und Soldaten patrouillierten in der Stadt. Rückzugswünsche wurden jedoch mit Gewalt unterdrückt, die Aufständischen sollten weiter auf München zumarschieren. Gegen Mitternacht erreichte der Tross der Oberländer Sendling, wo das Kommando im örtlichen Wirtshaus Stellung bezog, während das gemeine Volk in eisiger Winternacht im Freien kampierte. Die Unterländer standen währenddessen mit etwa 16.000 Mann bei Zorneding in der Nähe von Ebersberg, wo sie von kaiserlichen Truppen am Weitermarsch gehindert wurden. Die kaiserlichen Besatzer waren, angeblich durch Verrat des Starnbergers Oettlinger, inzwischen längst über die geplante Aktion der Revolutionäre im Bilde.
Die Oberländer teilten ihren Tross nun in drei Gruppen: Leicht- und Unbewaffnete sollten in Sendling bleiben, während die anderen beiden Gruppen sich vor Angertor und Rotem Turm postierten. Die Münchener Verbündeten sollten die Stadttore um 1 Uhr früh des 25. Dezembers öffnen, was aber nicht geschah. Dennoch konnte zunächst unter der Führung von Johann Georg Aberle der Rote Turm fast kampflos erobert werden, die Besatzer zogen sich auf das dahinterliegende, stärker befestigte und leichter zu verteidigende Isartor zurück, an dem die Revolutionäre dann auch scheiterten. Sie wurden in der Folge sogar wieder hinter den Roten Turm zurückgedrängt, wo sie sich verbarrikadierten. Im Morgengrauen wurden die Volkstruppen auch aus Osten, von der stadtabgewandten Seite her, durch kaiserliche Truppen angegriffen und aufgerieben. Einige Aufständische konnten sich noch bis Sendling durchschlagen, wo sie sich erneut verschanzten. Kurz darauf nahmen auch hier die kaiserlichen Truppen Aufstellung. Die aufständischen Oberländer ergaben sich und legten ihre Waffen nieder. Die kaiserlichen Offiziere gewährten zwar scheinbar Pardon, liessen die entwaffneten Revolutionäre dann aber noch an Ort und Stelle auf brutalste Art und Weise niedermetzeln. Einige letzte Überlebende flüchteten auf den Friedhof der alten Pfarrkirche in Sendling in der Hoffnung, die kaiserlichen Truppen würden zumindest am Weihnachtstag den heiligen Bezirk achten und dort nicht angreifen. Doch auch hier kannten die Besatzer kein Pardon und töteten jeden, auch die Kirche wurde mehr oder weniger vollständig zerstört und Sendling geplündert. Als einer der letzten Verteidiger soll der sagenhafte Schmied von Kochel gefallen sein. Den wenigsten der Aufständischen gelang die Flucht.
Nach diesem Massaker sammelten die kaiserlichen Soldaten die etwa 500 noch lebenden Verwundeten ein und brachten sie nach München, wo sie vor das Jesuitenkolleg, die heutige Michaelskirche, geworfen wurden. Um die Verwundeten durfte sich auf Befehl der Administration drei Tage niemand kümmern, um so weitere Revolutionsgedanken im Keim zu ersticken. Die gefangenen Anführer der Revolution der Oberländer wurden großteils im Januar 1706 auf dem Schrannenplatz, dem heutigen Marienplatz, öffentlich durch das Schwert hingerichtet, manche zusätzlich gevierteilt. Von den Leichen wurden auf dem alten Sendlinger Friedhof schätzungsweise ein- bis zweihundert und bis zu 800 auf dem alten südlichen Friedhof, einem Pestfriedhof vor den Toren der Stadt in der Nähe Sendlings begraben, auf beiden Friedhöfen stehen heute Denkmäler für die Opfer.
Auch die Unterländer wurden nur wenig später am 8. Januar 1706 beim Massaker am Handlberg bei Aidenbach in Niederbayern aufgerieben. Mit diesem Desaster brach der bayerische Widerstand gegen die Besatzer endgültig zusammen. Innerhalb von nur drei Wochen gab es auf bayerischer Seite knapp 10.000 Opfer zu verzeichnen.
Bis heute finden alljährlich im Dezember an verschiedenen Orten (u.a. in München-Sendling, Bad Tölz, Kochel und Waakirchen) Gedenkveranstaltungen zur Sendlinger Mordweihnacht statt.
Literatur
- Christian Probst: Lieber bayrisch sterben. Der bayrische Volksaufstand der Jahre 1705 und 1706, Süddeutscher Verlag, München 1978.
- Henric L. Wuermling: 1705. Der bayrische Volksaufstand, München 1980.
- Hubert Dorn: Die Schlacht von Sendling 1705 - Chronologie einer bayerischen Tragödie, Buchendorfer Verlag, München 2005. ISBN 3-934036-94-5
Weblinks
- Braunauer Zeitgeschichte-Tage Ausführliche Darstellung des Ablaufs des Oberländer Bauernaufstandes, in (Auszug): Geschichte der Stadt Braunau am In von Konrad Meindl, Chorherrn in Reichersberg. Braunau, 1882. Druck und Verlag von Joseph Stampfl & Comp.