Minnesang
Kurz-Geschichte des deutschen Minnesangs (ca. 1150 – 1350)
Die frühest bezeugten Minnesänger sind Provenzalen. Dieser südfranzösisch-provenzalische Minnesang der Troubadours, später auch der nordfranzösische der Trouverès hat wesentlichen Einfluss mindestens auf die Anfänge des deutschen Minnesangs. Am klarsten nachweisbar ist dieser Einfluss anhang sogenannter Kontrafakturen, also der (deutschen) Neutextierung provenzalischer „Töne“ (Unter einem „Ton“ ist die Einheit von Versmetrum plus Melodie zu verstehen). Weniger deutlich als derartige Kontrafakturen wird der französische Einfluss im erkennbaren Bemühen deutscher Minnesänger, mit raffinierten Metren und Reimtechniken ähnlich artifiziell zu glänzen wie die französischen Sänger. Diese am Ende der Minnesang-Entwicklung (etwa bei „Frauenlob“ – Künstler-Pseudonym für Heinrich von Meissen, +1318) eklatante Sprachkunst (Wortschatz, Reimtechnik) läßt sich zum größeren Teil auch ohne französischen Einfluss als interner Prozess beschreiben.
Zur Soziologie: Minnesang versteht sich an der Wurzel als Hobby und Konkurrenz hochadeliger Ritter. Der Vortrag eines geglückten Minneliedes durch einen Fürsten ist in erster Linie als Kompetenzbeweis in diesem elitären Hobby zu begreifen - ähnlich einem Jagderfolg oder einem Sieg im Ritterturnier. Allerdings kommt durch die in aller Regel unerfüllte Liebe (es gibt auch Ausnahmen sowie parodierende Lieder) die ritterlich-ethische Komponente hinzu, dass der Sänger trotz ihrer Unerfüllbarkeit an seiner Liebe festhält. Eine biografische Authentizität, wie sie die frühere Literaturforschung regelmäßig annahm, ist zwar nie auszuschließen, dürfte aber nur eine geringe Rolle spielen: Minnesang ist kein romantischer Gefühlausdruck, sondern ein ritterlich-ethisch geprägtes Sprach- und Musikhobby. Insbesondere bei Berufssängern wie Walther von der Vogelweide wird unwahrscheinlich, eine jahrzentelange Dauerverliebtheit anzunehmen.
Die frühesten handschriftlichen Zeugnisse des deutschen Minnesangs stammen vom Ende des 12. Jahrhunderts (noch sehr spärlich). Gipfelpunkt der Aufzeichnung ist die reine Minnesang-Sammlung der sogenannten Manesse-Hs. (Sigle C) Anfang des 13. Jahrhunderts. Die wichtigsten Handschriften: C: Codex Manesse, Große Heidelberger Liederhandschrift, Cod. Pal. germ. 848 der UB Heidelberg (Codex "Manesse" wg. des vermuteteten Züricher Auftraggebers Manesse). Größte und prachtvollste Sammlung des deutschen Minnesangs, entstanden erst im 14. Jh., die enthaltenen Texte reichen jedoch in die früheste Zeit des Minnesangs hinab, etwa bis 1160. Die Klassiker Walther, Reimar, Morungen sind ebenso enthalten wie Spruchdichtung, Leich und Schweizer Epigonen. Auf 426 Pergamentblättern (=852 Seiten) enthält der Codex fast 6.000 Strophen von 140 Dichtern. 137 Sängern ist eine ganzseitige Miniatur gewidmet. Abbildungen siehe http://zr13.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/ebind_manessebilder/manessebilder. Der Codex war 1622 vor der Eroberung Heidelbergs durch die Truppen der Liga unter Tilly in Sicherheit gebracht worden und befand sich seit 1657 im Besitz der Pariser Bibliothèque Nationale. 1888 kehrte die berühmteste deutsche Handschrift durch Vermittlung des Straßburger Buchhändlers Karl Ignaz Trübner nach Heidelberg zurück. Der Original-Codex kann aus konservatorischen Gründen nur sehr selten im Rahmen von Ausstellungen gezeigt werden. Das Original-Faksimile von 1925-27, erschienen in 320 Exemplaren in Leipzig, wird ständig im Foyer des Obergeschosses der UB präsentiert.
A: Kleine Heidelberger Liederhandschrift (13. Jh.; elsässisch)
B: Weingartener Handschrift (Stuttgart; Anf. 14. Jh., geschrieben in Konstanz)
E: Würzburger Handschrift (München; um 1350; Hausbuch des Kanzlers Michael de Leone)
J: Jenaer Handschrift (Mitte 14. Jh.; niederdeutsch)
t: Kolmarer Liederhandschrift' (München, Bayer. Stattsbibl., Cgm 4997) t ist eine sehr späte Hs., um 1460 im Rheinfränkischen geschrieben, überweigend "meisterliche Lieddichtung" - Sprüche und Lieder in der Tradition der Sangspruchdichter des 12., 13. und frühen 14. Jahrhunderts. Übergang von höfisch-adliger Liedkunst zu städtischem Meistergesang.
Der Minnesang kennt zwei formale und vier funktionale Gattungen:
Funktional unterscheidet er im wesentlichen zwischen Minne- und Spruchdichtung, die zusätzlichen Gattungen Tagelied und Kreuzlied haben quantitativ nur geringen Anteil . Minnedichtung reflektiert unerfüllte Liebe, preist die Angebetete (dies sind die „klassischen“ Inhalte) oder schildert erotische Erlebnisse (ab Mitte des 13. Jahrhunderts).
Spruchdichtung befasst sich mit politischen, moralischen und religiösen Themen aller Couleur, Kreuzlieder haben einen bevorstehenden oder erlebten Kreuzzug zum Thema, das dramatisch angelegte Tagelied schließlich schildert das außereheliche Liebespaar beim Morgengrauen vor der unvermeidlichen Trennung.
Formal gibt es die Gattungen Lied und Leich: Das Lied des Minnesangs hat die bis heute übliche strophische Wiederholungsform, oft mit drei oder fünf Strophen. Eine Einzelstrophe gliedert sich in den meisten Fällen in zwei gleichgebaute „Stollen“ und einen „Abgesang“ (Kanzonenform). Spruchdichtung verwendet oft komplexere und umfangreichere Strophenformen. Dies wohl nicht zuletzt deshalb, weil die gleiche Form für verschiedene Inhalte immer wieder genutzt und auch ohne strophische Wiederholung eindeutig erkannt werden sollte („aha – der Philipps-Ton Walthers...“). Das Minnelied ist hingegen immer ein festes abgeschlossenes Ganzes mit 3 bis 7 Strophen.
Der Leich ist umfangreicher und hat eine komplexere, zum Teil weitaus komplexere Form als das strophische Lied. Während ein fünfstrophiges Lied grob schematisiert (also ohne die Binnengliederung) so aussieht:
AAAAA (also fünfmal das Gleiche)
wäre eine typische Leichform schematisiert so wiederzugeben:
AA BB CC DD FF...
Oder auch:
AAAA BB CC DD FFFF...
Es besteht also zunächst eine strophische Wiederholung ähnlich dem Lied, dann jedoch Neuansatz mit weiterem Melodiematerial.
Die Anfänge:
Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien (1071-1127) Diese Kunst der "Troubadours" erreicht in der Mitte des 12. Jahrhunderts durch Bernart von Ventadon ihre reinste Darstellung und breitet sich nach Norden ("Trouvères") und Osten (deutscher Minnesang) aus. Wichtige Troubadours: Jaufre Rudel, Marcabru, Bernart von Ventadon, Giraut de Bornelh, Beatritz de Dia, Peire Vidal. Wichtige nordfranzösische Trouvères: Gace Brulè, Colin Muset, Jean Bodel, Thibaut de Champagne, Conon de Béthune, Blondel de Nesle, Adam de la Halle, aber auch Chrétien de Troyes (der als Artus-Epiker wesentlich bekannter ist denn als Lyriker).
Der älteste deutsche Minnesang ist mit "Kürenberger" (berühmtes Falkenlied in der Nibelungenstrophe: “Ich zoch mir einen falken...”) nachweisbar. Dieser “donauländische” Minnesang (1150-1170, geografisch: Passau, Linz – die Gegend also, aus der auch das Nibelungenlied stammt) hat ältere deutsche Wurzeln und ist von der verfeinerten provenzalischen Troubadour-Kunst noch völlig unbeeinflusst. Die Lieder sind geprägt durch eine natürliche und ungekünstelte Auffassung von Liebe. Die Eigenarten, die Frau in Ich-Form sprechen zu lassen, oder im „Wechsel“ Mann und Frau reflektieren zu lassen, werden durch den späteren provenzalischen Einfluss völlig aus dem Minnesang getilgt. Äußeres formales Kennzeichen ist die der epischen Dichtung nahestehenden Langzeile. In dieser Phase hat der deutsche Minnesang gewissermaßen noch keine eigene Form gefunden. Die Wurzeln dieser einheimischen Minnelyrik liegen weitestgehend im Dunkel.
Der neue Minnesang nach provenzalischem Vorbild (unter anderem nachweisbar importiert durch den weitgereisten Friedrich von Hausen und vielen anderen) blüht im allemannischen und fränkischen Westen ab 1170 auf. Ab dieser Zeit entsteht eine Lyrik, die formal wesentlich diffenzierter ist und inhaltlich das Ideal der Hohen Minne enthält (und in aller Regel die Verzichtshaltung des Mannes und die Unerreichbarkeit der Frouwe betont). Zu nennen sind hier Vertreter wie Albrecht von Johansdorf, Reinmar von Hagenau (Reimar der Alte) und Heinrich von Morungen. Walther von der Vogelweide geht als erster weg vom Ideal der Hohen Minne und singt Lieder der gleichberechtigten Liebe (“niedere Minne”, später Ausgleich der “ebenen Minne”). Im 13. Jahrhundert verliert sich das zunächst klare Bild: Während in der Schweiz noch nach 1300 Hohe Minne in klassischer Tradition (wenn auch weniger originell) besungen wird, greifen andernorts bereits ab 1220/30 parodierende und erotisierende Tendenzen (Neidhart von Reuental, Tannhäuser).
Wichtige deutsche Sänger (chronlogisch):
Der Kürenberger Aus dem bayer.-österreichischen Donauraum (Passau, Wilhering, Melk, oder gar nur Dichtername?) stammender, frühester und neben Dietmar von Aist bedeutendster Vertreter des „Donauländischen Minnesangs“. 15 in Liederhandschrift C überlieferte, metrisch der Nibelungenstrophe ähnelnden, um 1150/60 entstandenen Strophen. Seine Gedichte gelten als die ältesten deutschen Minnelieder. überliefertes Werk: Textkorpus 15 Strophen; in Hs C; und Budapester Fragment (um 1300). Charakteristika: Einzelstrophe; stets gleichbleibende Strophenform („ Kürnberges wîse“); Langzeile. Aufeinander bezogene Frauen- und Männerstrophen ("Wechsel"); Grundthema: Erfahrung von Trennung und Vereinzelung der Liebenden.
Das Falkenlied: Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr. dô ich in gezamete als ich in wolte hân und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant, er huop sich ûf vil hôhe und floug in anderiu lant. Sît sach ich den valken schône fliegen: er fuorte an sînem fuoze sîdîne riemen, und was im sîn gevidere alrôt guldîn. got sende si zesamene die gerne geliep wellen sin!
Dietmar von Aist Dietmar von Aist, Minnesänger im Umkreis der Herren von Aist (Oberösterreich); ein ab 1139 urkundlich bezeugter Ditmarus de Agasta († um 1171) ist wohl nicht identisch mit dem Dichter; Die Ruinen der Stammburg am Flüsschen Aist sind noch heute zu sehen. Der Name findet sich 1139-1161 u.a. in Urkunden von Salzburg, Berchtesgaden, Regensburg, Wien; Dichter wahrscheinl. aber ein jüngerer Träger des Namens aus einer Seitenlinie, denn Schaffenszeit um 1150-1180. Vertreter des frühen „donauländischen Minnesangs“; er gilt als Verfasser des ersten deutschen Tageliedes (Trennung der Liebenden am Morgen). Gehört aufgrund der Strophen, die ihm sicher zugewiesen werden können, inhaltlich wie formal in die allerfrüheste Zeit des Minnesangs.
überliefertes Werk:16 Minnelieder (42 Strophen); die Lieder I, II, III werden ihm fraglos zugeschrieben; IV, V, XI und XIII bedingt; die übrigen werden gemeinhin für unecht gehalten (Merkmale einer späteren Entwicklungsstufe); evtl. ist aber auch eine dichterische Entwicklung anzunehmen. Übernahme provenzalischer Vorbilder in formaler (Vierheber, Zehn-, Elfsilbler) und inhaltlicher Hinsicht: sittliche Erhöhung des Mannes durch den Minnedienst (s.u.); Zentralbegriffe: triuwe (Treue) und mâze (maßvolles Bescheiden).
Charakteristika:Verschiedene Strophenformen; Entwicklung zur Mehrstrophigkeit; zum ersten Mal Refrain (XII); Wechsel; Veränderungen in der Minnekonzeption: als Dienst, als läuternde Kraft; Natureingang als festes Gestaltungselement (Tagelied, XIII: Slafest du, friedel ziere?). Grundthema: die von Trennung geprägte Liebesbeziehung. Rollengedichte; immer wieder Perspektive der Frau; lediglich in fünf Liedern spricht allein der Mann. Souveränität der Partnerin: Recht der Partnerwahl
Heinrich von Veldeke (wesentlich bekannter als Epiker, Eneit-Roman)
- 1140/50. Die einzigen festen Daten ergeben sich aus dem Bericht über den Diebstahl seines zu zwei Dritteln fertigen Romanmanuskripts im Jahr 1174, das er 9 Jahre später in Thüringen zurückerhält und abschließt (Eneit 352,26ff.), bzw. aus der Tatsache, dass Wolfram im 8. Buch des Parzival, also etwa 1205, seinen Tod beklagt (404,28f.).
Epiker und Minnesänger. Aus einem Ministerialengeschlecht, das sich nach dem Dorf Veldeke westlich von Maastricht im heutigen Belgien benennt (Hs C); evtl. zum Kleriker ausgebildeter Mann im Hofdienst. Er nennt als Gönner: die Gräfinnen Agnes von Loon und Margarethe von Cleve sowie den späteren Landgrafen Hermann von Thüringen, an dessen Hof er die Eneit vollendet. Werke: Servatius-Legende (6000 Verse): vor 1170 entstanden. Eneit (Äneasroman; 13500 Verse); abgeschlossen 1187/89. Lyrik: etwas mehr als 30 meist einstrophige Minnelieder. Charakteristika: provenzalische Minneauffassung, gehört zu den ersten, die Formen und Motive des romanischen Minnesangs aufnehmen.
Friedrich von Hausen
- um 1150, + 6.5.1190 Philomelium (heute: Akschehir/Türkei).
Stammsitz derer von Hausen ist Rheinhausen bei Mannheim (oder aus der Gegend von Kreuznach ?); zum ersten Mal 1171 urkundlich bezeugt; 1175 urkundet Friedrich in zwei in Pavia ausgestellten Urkunden des Erzbischofs von Mainz, nimmt also wohl am fünften Italienfeldzug Barbarossas teil; 1186 und 1187 erscheint sein Name in in Nord- und Mittelitalien ausgestellten Urkunden des Kaisersohns Heinrich (VI.); weitere Lebensdaten aus dem Chronicon Hanoniense des Gislebert von Mons (um 1200): von 1187 bis zu seinem Tod als Vertrauter Barbarossas belegt; nimmt an Kriegszügen teil und übernimmt diplomatische Missionen. Tod auf dem 3. Kreuzzug: Sturz vom Pferd bei der Verfolgung feindlicher Türken, wenige Wochen vor dem Tod Barbarossas. Seien Lieder stammen aus der Zeit 1170-1190.
überliefertes Werk: Je nach textphilologischer Beurteilung 17/18 bzw. 20/21 Lieder (53 Strophen); teilweise in Hs B; vollständig in Hs C. Charakteristika:Hauptvertreter des rheinischen Minnesangs. Formale und thematische Einflüsse der romanischen Minnelyrik; einige Kontrafakturen von Trouvère-Liedern; führt das Ritual der hohen Minne konsequent durch. Verzicht auf Natureingang. Verknüpfung von religiöser Theamtik und Minnereflexion; Friedrichs Kreuzlieder sind Minnelieder unter dem Kreuzzugsmotiv; Kreuznahme führt zur Minneabsage (47,9).
Albrecht von Johansdorf
- vor 1165; seit 1180, bis 1206 als Dienstmann der Bischöfe von Passau urkundlich bezeugt; aus niederbayerischem Ministerialengeschlecht, das in Beziehung zu den Bistümern Bamberg und Passau stand; Ortsname nicht zweifelsfrei identifiziert (Jahrsdorf in Niederbayern?); wahrscheinlich Teilnahme am Kreuzzug Barbarossas 1189/90; evtl. Teilnahme am Kreuzzug von 1197; Todesdatum unbekannt.
Albrecht gehört zu den Großen des frühen hohen Minnesangs. Hohe Minne sieht er als eine Liebe an, die erwiderungsfähig ist, aber ihr Lohn ist die Steigerung des sittlichen Wertes und der »hôhe muot«, die innere Erhebung im Bewußtsein der Zugehörigkeit zur höfischen Gesellschaft.
überliefertes Werk: 13 Minnelieder (42 Strophen); darunter 5 Lieder mit Kreuzzugsthematik (I, II, III, V, XIII). Charakteristika: Trotz des Rituals der hohen Minne kein starres Rollenschema; gegenseitige Minne, Frau als Partner; Kreuzzugsproblematik wird mit der Bindung an die Geliebte kombiniert
Hartmann von Aue Hartmann ist weit bekannter als Dichter der Artus-Romane Erec und Iwein (ferner die Legende des Hl. Gregorius, später von Th. Mann aufgegriffen – “Der Erwählte”). Er entstammt einem Ministerialengeschlecht im alemannischen Raum. Sein lyrisches Werk fällt in seine dichterische Frühzeit (1180-1190). Es endet mit seiner Teilnahme am dritten Kreuzzug (1189-1192). Bemerkenswert bei seiner Lyrik: die ersten überlieferten Kreuzlieder (also Lieder, die den Kreuzzug thematisieren).
- um 1165, + um 1210. Ministeriale; Alemanne (das Geschlecht seines unbekannten Dienstherrn ist ze Swâben gesezzen); "von Ouwe": Au bei Freiburg (?), Weißenau bei Ravensburg (?), Eglisau im Thurgau (?). H. hat lat. Schulbildung und verfügt über Kenntnisse in franz. Sprache und Literatur. Über sein Leben ist kaum etwas bekannt: Einschneidende Erlebnisse sind der Tod seines Dienstherrn (1187?) und (evtl.) die daraus resultierende Teilnahme an einem Kreuzzug (Barbarossa-Kreuzzug 1189/90?).
Dichterisches Wirken: zwischen 1180 und 1205. Überlieferte Lyrik:18 Lieder (2 fraglich); davon 15 Minnelieder; Charakteristika:Klassisches Schema der hohen Minne; Ton der Klage überwiegt; im Unmutslied Absage an die hohe Minne; in einem Lied wird die Gottesminne der Minne gegenübergestellt (218,5).
Klage/Büchlein (Minnelehre: Frage nach dem Wesen der Minne und dem sich daraus ergebenden Verhalten des Menschen; überliefert im Ambraser Heldenbuch, um 1510
epische Werke: Erec; erster deutscher Artusroman; Übertragung der frz. Verserzählung Erec et Enite von Chrétiens de Troyes); Gregorius (Verslegende; Quelle: die frz. Legende La Vie du Pape Saint Grégoire, 11./12. Jh.): Der arme Heinrich (Verslegende); Iwein (Artusroman; nach dem Chevalier au lion von Chrétiens de Troyes). Die Datierung der Werke hängt davon ab, an welchem Kreuzzug H. teilgenommen hat. Aus einer Teilnahme am Barbarossakreuzzug ergäbe sich folgende Chronologie: 1180-85 (vor dem Tod des Dienstherrn): Büchlein, Erec, Minnelyrik; 1187-89 (innere Krise nach dem Tod des Dienstherrn): Kreuzlieder, Gregorius; 1195 (Klärung der relig. Krise durch das Kreuzzugerlebnis): Der arme Heinrich; bald nach 1200: Iwein.
Heinrich von Morungen Um 1200; aus Thüringen; Stammburg: Burg Morungen bei Sangershausen. Bezieht als miles emeritus eine Pension seines Gönners, des Markgrafen Dietrich von Meißen, die 1217 auf seinen Wunsch dem Leipziger Thomaskloster überschrieben wird (nach Quellen aus dem 16. Jh. dort 1222 nach einer Indienfahrt gestorben; ??)
überliefertes Werk:33 Lieder, 115 Strophen; Überlieferung: 104 Str. in Hs C, 28 Str. in Hs B; 26 Str. in Hs A. Charakteristika: Dämonie der Minne (Bild der antiken Liebesgöttin Venus): Minne als magische, als krank machende, sogar als tödliche Macht; als religiöses und mystisches Erlebnis. In Form und Inhalt von der provenzalischen Lyrik beeinflusst (daktylische Rhythmen, häufige Durchreimung); Übernahme inhaltl. Motive (selten z.B. im dt. Minnesang: Aufkündigung des Minnedienstes, XXVII); Wurzeln auch in klass.-antiker Literatur (Ovid). Neuschöpfung: Tagelied-Wechsel.
Reinmar von Hagenau (auch R. der Alte, laut Hs. C). Hagenau (genannt im "Literaturexkurs" des Tristan (Gottfried von Straßburg): die Kaiserpfalz im Elsaß oder Hagenau in Österreich? Unsicher auch, ob R. von dort stammt oder dort wirkte oder einem danach benannten Geschlecht angehörte. An weiteren Lebensumständen ist nur die zeitweilige Verbindung zum Wiener Hof belegt. Tod im ersten Jahrzehnt des 13. Jhs. Bedeutendster Minnelyriker um 1200 neben Walther von der Vogelweide (und dessen Konkurrent). Berufsdichter am Wiener Hof; der Beiname "der Alte" dient schon im 13. Jh. zur Unterscheidung von späteren Sängern gleichen Namens (etwa Reinmar von Zweter). R. stand in der Tradition des rheinischen Minnesangs und bildete zugleich Höhe- und Endpunkt in der Entwicklung der Minnelyrik des 12. Jh. Zentralthema ist die Hohe Minne. Seine Fehde mit Walther äußert sich in einem ästhetisch-programmatischen Wettbewerb über die angemessene Art der Werbung und des Frauenlobs.
überliefertes Werk: Insgesamt 340 Strophen. Hs A: 70 Strophen, Hs B: 30 Strophen (+ Anh. b: 87 namenlose Str.); Hs C: 262 Strophen; Hs E: 164 Strophen; dazu kommen namenlose Zeugnisse aus späteren Jahrhunderten. Echtheitsdiskussion in der Forschung. Charakteristika:Lieder der hohen Minne stehen im Zentrum; auf diesem Gebiet erhebt R. den Anspruch auf literarischen Meisterschaft (163,6ff.). Zahlreiche Frauenmonologe, Wechsel. Starke Wirkung auf Walther von der Vogelweide. Neben Heinrich v. Morungen der bedeutendste Minnesänger vor Walther.
Walther von der Vogelweide ca. 1170 - 1230 (gest. und begraben in Würzburg) um 1190 am Babenberger Hof in Wien 1198 Tod seines Gönners Friedrich v. Österreich auf dem Kreuzzug; der Nachfolger entzieht W. seine Gunst, sein Wanderleben beginnt (Nordfrankreich, in die Steiermark, Lombardei, Friaul); immer wieder am Hof der deutschen Könige und Kaiser; dazwischen mehrmals Rückkehr ins heimatliche Wien/Klosterneuburg zw. 1198 u. 1201 mindestens einmal am Hof König Philipps von Schwaben zw. 1201 u. 1207 zweimal auf der Wartburg bei Landgraf Hermann von Thüringen 1203 erste Rückkehr nach Wien 12.11.1203 urkundliche Bezeugung in einer Reiserechnung des Passauer Bischofs Wolfger (großzügig bemessene Summe für einen Pelzmantel) 1212 im Dienst des Markgrafen Dietrich von Meißen 1212-13 am Hof Kaiser Ottos IV. 1213-29 immer wieder am Hof Kaiser Friedrichs II. bzw. seiner Reichsverweser 1220 Verleihung eines lêhen durch Kaiser Friedrich II. in oder bei Würzburg (Spruch: ich hân mîn lêhen!...nu entfürhte ich niht den hornunc an die zêhen) 1230 (1228?) Tod
Überlieferung: 500 Strophen in über 110 Tönen bzw. von 90 Liedern, 150 Sprüchen und einem Leich der erfolgreichste Minnesänger und Spruchdichter des MA. Historisch nur in einer einzigen urkundl. Erwähnung faßbar: Der Passauer Bischof Wolfger von Erla schenkte ihm am 12. 11. 1203 "5 Solidi longi" für einen Pelzrock. Als Minnesänger setzte sich Walther zunächst mit der geistig-gesellschaftl. Bedeutung der Hohen Minne (unerfüllbare Liebe zu einer hochstehenden Dame) auseinander, in seiner Wiener Zeit stand er in Konkurrenz mit Reinmar dem Alten. In den sog. Mädchenliedern ("Unter der linden" und "Nemt frowe disen kranz") entwickelte er ein Gegenkonzept der Niederen Minne (erfüllbare bzw. erfüllte gegenseitige Liebe), um schließl. eine Synthese aus ideellem Anspruch und geglücktem Liebeswerben in der sog. Ebenen Minne zu suchen. Damit öffnete Walther dem Minnesang neue ästhet. Wege. Das eindruckvollste Zeugnis für seine Künstlerpersönlichkeit gibt sein relativ klar abgrenzbares Alterswerk ab, allem voran die sog. "Elegie" ("Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr"), die zu den bedeutendsten Texten der dt. Literatur zählt. W. muß den Nachrufen ma. Dichterkollegen gemäß um 1230 in Würzburg (D) gestorben sein, wo er zuletzt ein kleines Lehen innehatte. Walthers Ruhm - schon im 13. Jh. gehört er zu den allerersten Vorbildern, später zu den 12 Meistern der Meistersinger - basiert allerdings zu einem guten Teil auch auf seinen politischen Liedern (Spruchdichtung).
Ein Beispiel: Under der linden Das Gedicht "Under der linden" thematisiert die "Nidere Minne", folglich Abkehr vom Ideal der "Hohen Minne"; diese Phase folgt auf eine längere des klassischen Minnesangs, in der Walther insbesondere als Konkurrent Reimars des Alten - Reimars von Hagenau - auftritt.
Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ mugt ihr vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal. Ich kam gegangen zuo der ouwe: dô was mîn friedel komen ê. dâ wart ich enpfangen, hêre frouwe, daz ich bin saelic iemer mê. kuster mich? wol tûsentstunt: tandaradei, seht wie rôt mir ist der munt. Dô het er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat.
Wolfram von Eschenbach weit bekannter als epischer Dichter insbesondere des Parzifal 8 Minne- und Tagelieder
geb. um 1170/75 im fränkischen Eschenbach, Nähe Ansbach (heute ihm zu Ehren „Wolframseschenbach“). Er entstammte einem verarmten Ministerialengeschlecht und verdiente seinen Unterhalt als fahrender Sänger; als einen «vindære wilder mære» attackiert ihn Gottfried von Straßburg. Ob dieser unorthodoxe Umgang mit den Normen der Schulrhetorik, mit der Sprache, mit seinen Vorlagen und Quellen auf mangelnder Schulbildung beruht, ist in der Forschung umstritten. Unsicher ist auch, in wessen Auftrag die etwa 25000 Verse des Parzival geschrieben wurden. Nachweisbar sind Beziehungen zu den Grafen von Wertheim, zu Adelsgeschlechtern in der Steiermark und zu den Freiherrn von Dürne auf der Wildenburg im Odenwald. Sein größter Mäzen war Hermann von Thüringen, an dessen Hof er den Willehalm schrieb und vielleicht auch mit Walther von der Vogelweide zusammengetroffen ist. Nach Hermanns Tod 1217 gibt es von Wolfram kein Lebenszeichen mehr. Er dürfte nach 1220 vielleicht in Eschenbach gestorben sein.
Neidhart von Reuental Ca. 1190-1245. Dichterisches Schaffen von etwa 1210 bis etwa 1240. Berufsdichter. Name umstritten, "Reuental" ist wahrscheinlich ein angenommener Name ("Neidling", "Teufel"); nennt sich selbst "der von Riuwental"; es könnte sich auch hier um einen fiktiven Namen handeln ("Jammertal"); auch eine ritterliche Herkunft ist nicht sicher; vermutlich aus Bayern; Beziehung zum Landshuter Hof des bayer. Herzogs Ludwig I. und zum erzbischöfl. Hof in Salzburg. Vermutlich Teilnahme am Kreuzzug 1217-21. Nach dem Tod Ludwigs I. (1231) am Hof des Babenbergers Friedrich II. von Österreich in Wien. Wie seinen Kreuzliedern zu entnehmen, wohl unter Herzog Otto II. am Kreuzzug 1228 teilgenommen. Später ist er am Hof Friedrichs II. von Österreich beurkundet. Neidharts Dichtung ist am höfischen Minnesang geschult (Walther, Reinmar, Morungen); Anknüpfen an die volkstümliche Tradition, mimisches Element, allegorische Figuren. Dörperlyrik: Kontrast zwischen dem bäurischen Inhalt und der höfischen Form. Schöpfer des ländlichen Tanzlieds.
überliefertes Werk: 150 Lieder; Textüberlieferung: 26 Hss bzw. Hs-Fragmente des 13.-15. Jhs. Echtheitsdiskussion in der Forschung. Charakteristika: Thematisiert wird der Niedergang der höfischen Welt: originelle Übertragung der Grundsituation des höf. Minnesangs auf eine bäuerliche Umgebung. Die Minnedamen des ritterl. Sängers sind Bauernmädchen, seine Konkurrenten Bauernburschen, Schauplatz ist das Dorf: Zum ersten Mal in der dt. Dichtung wird die bäuerl. Sphäre zum Gegenstand der Literatur. Liedtypen: Sommerlieder (Inhalt: Bauernmädchen wollen beim Tanz im Freien Gunst des Ritters erringen: auf den Kopf gestellte Minnesituation!); Winterlieder (Tanz in der Bauernstube; Ritter ist der Werbende; derbes Milieu; in den "Trutzstrophen" Polemik der Bauernburschen gegen "Neidhart"). In einer Reihe von Liedern Weltabsage. Erfolgreichster Liedautor des dt. Mittelalters.
Wenn Walther in seinen "Mädchenliedern" die Grenzen des höfischen Minnesangs noch nicht verlassen hatte, so ist ihm Neidhart in seinen "Sommerliedern" zum Teil auf diesem Wege noch gefolgt. Hier ist noch vieles an Ausdruck und Form durchaus höfisch. Was aber Walther so schockierte und zu empörtem Widerspruch reizte, war die grobianische »Dörperdichtung« Neidharts, in der Neidhart die rüpelhaften, rittermäßig herausgeputzten Bauernflegel verspottete und gleichzeitig in ihnen ein fragwürdig gewordenes höfisches Minneideal, ja höfisches Wesen überhaupt, zu karikieren suchte. Aber seine Lieder hatten Erfolg, auch an den Höfen des hohen Adels, ebenso im Volk, wo sie weite Verbreitung fanden und, angereichert mit vielen Nachahmungen, bis ins 16. Jahrhundert lebendig blieben.
1. Sommerlieder: einfache Strophenformen, Tanz- und Liebeslust des Bauernmädchens, jahreszeitlicher Eingang, bäuerlicher Hauptteil (meist Dialog, zwischen Mutter und Tochter).
2. Winterlieder: Formale Dreigliederung: 2 Stollen und Abgesang. Winterklage oder Liebesklage als Eingang, dann Tanz und naturalistische bäuerliche Streitszenen. Neidhart selbst als handelnde Figur; Erlebnisgehalt, bauernfeindliche Satire, Ironie, bewußter Effekt. Große Wirkung bis ins 16. Jh., Vorbild für die Bauernsatire; viele Nachahmungen unter seinem Namen; Entgegnungen auf seine bauernfeindlichen Ausfälle (Trutzstrophen).
Beispiel:
Ûf dem berge und in dem tal hebt sich aber der vogele schal, hiure als ê gruonet klê. rûme ez, winter, dû tuost wê !
Die boume, die dâ stuonden grîs, die habent alle ir niuwez rîs vogele vol: daz tuot wol. dâ von nimt der meie den zol.
Ein altiu mit dem tôde vaht beide tac und ouch die naht. diu spranc sider als ein wider und stiez die jungen alle nider.
Der Tannhäuser Geb. um 1200, † um 1270, vermutlich ein ostfränkischer Ritter, könnte aus Thannhausen bei Freystadt in der Oberpfalz stammen, lebte 1235-46 am Hof Hzg. Friedrichs II. in Wien (u. a. mit Neidhart von Reuenthal). Burgsitz in Tannhausen bei Neumarkt/Oberpfalz (??). fahrender Berufsdichter (?); von Herzog Friedrich II. von Österreich gefördert; evtl. Teilnahme am Kreuzzug Friedrichs II. 1228/29 (Kreuzlied, XIII). Die histor. Bezüge in seinem Werk deuten auf eine Schaffenszeit zwischen 1245 und 1270. 1237 tritt er als Hofdichter in die Dienste Herzog Friedrichs des Streitbaren von Österreich. Nach dessen Tod 1246 wieder auf Wanderschaft, die sich noch bis 1266 verfolgen lässt; bald darauf dürfte er gestorben sein. Schrieb realist. Minne- und Tanzlieder sowie Spruchdichtungen; Held der Volkssage vom T. und der Frau Venus, deren Anfänge im 13. Jh. liegen.
(Richard Wagner verwendet für seine Oper ausschließlich Motive der Tannhäuser-Sage. Der echte Tannhäuser war ein offenbar mittelloser Ritter (vielleicht auch nur ein fahrender Sänger), der sich durch seine erotische Sprechweise, durch parodisierende Realistik und - für mittelalterliche Berhältnisse - relativ persönliche Darstellung vom Nobelbetrieb des höfischen Minnesangs deutlich abhebt. Übringens auch anders abhebt als Neidhart von Reuenthal, der eine quasi anti-höfische Mode etabliert. Dieser persönlichste Künstler des 13. Jhs. erlbete offenbar schon früh eine Legendenbildung. Diese spätmittelalterlichen Legenden des Tannhäuser am Venusberg haben dann im 19. Jh. die Romantiker Wagner und Co. aufgegriffen - wohl selbst nicht wissend, dass es einen historischen Tannhäuser gab.)
überliefertes Werk:9 Lieder (36 Str.), eine Rätselsammlung (XVI), 6 Tanzleiche. Überlieferung: Hs C, 4 Str. in Hs J (umstritten). Minnelieder, Busslied
Charakteristika:Minnelieder knüpfen z.T. an die traditionelle Minnedichtung an (rückhaltlose Offenheit der Bilder beim Preis der Minnepartnerin, XI), parodieren z.T. das herkömmliche Minneschema (VIII-X). Tannhäuser-Sage (Tannhäuser-Ballade, Mitte des 15. Jhs.).
Beispieltext: Der winter ist zergangen
Der winter ist zergangen, daz prüeve ich ûf der heide; aldar kam ich gegangen, guot wart mîn ougenweide
Von den bluomen wolgetân. wer sach ie sô schoenen plân? der brach ich zeinem kranze, den truoc ich mit tschoie zuo den frouwen an dem tanze. well ieman werden hôchgemuot, der hebe sich ûf die schanze!
Ein fôres stuont dâ nâhen, aldar begunde ich gâhen. dâ hôrte ich mich enpfâhen die vogel alsô suoze. sô wol dem selben gruoze!
Ich hôrt dâ wol tschantieren, die nachtegal toubieren. aldâ muost ich parlieren ze rehte, wie mir wære: ich was ân alle swære.
Ein riviere ich dâ gesach: durch den fôres gienc ein bach ze tal übr ein plâniure. ich sleich ir nâch, unz ich si vant, die schoenen crêâtiure: bî dem fontâne saz diu klâre, süeze von faitiure.
Ir ougen lieht und wolgestalt, si was an sprüchen niht ze balt, man mehte si wol lîden; ir munt ist rôt, ir kele ist blanc, ir hâr reitval, ze mâze lanc, gevar alsam die sîden. solde ich vor ir ligen tôt, in mehte ir niht vermîden.
Blanc alsam ein hermelîn wâren ir diu ermelîn. ir persône diu was smal, wol geschaffen überal:
Ein lützel grande was si dâ, wol geschaffen anderswâ. an ir ist niht vergezzen: lindiu diehel, slehtiu bein, ir füeze wol gemezzen; schoener forme ich nie gesach, diu mîn cor hât besezzen; an ir ist elliu volle.
Sâ neic ich der schoenen dô. ich wart an mînem lîbe frô dâ von ir salûieren. si bat mich ir tschantieren von der linden esten und von des meien glesten.
Dâ diu tavelrunde was, dâ wir dô schône wâren, daz was loup, dar under gras, si kunde wol gebâren.
Dâ was niht massenîe mê wan wir zwei dort in einem klê. si leiste, daz si solde, und tet, daz ich dâ wolde.
Ich tet ir vil sanfte wê, ich wünsche, daz ez noch ergê. ir zimet wol daz lachen. dô begunden wir dô beide ein gemellîchez machen; daz geschach von liebe und ouch von wunderlîchen sachen.
Von amûre seit ich ir, daz vergalt si dulze mir. si jach, si lite ez gerne, daz ich ir tæte, als man den frouwen tuot dort in Palerne.
Daz dâ geschach, dâ denke ich an: si wart mîn trût und ich ir man. wol mich der âventiure! erst iemer sælic, der si siht, sît daz man ir des besten giht; si ist alsô gehiure. elliu granze dâ geschach von uns ûf der plâniure.
Wâ sint nu diu jungen kint, daz si bî uns niht ensint?
Sô sælic sî mir Künigunt! solt ich si küssen tûsentstunt an ir vil rôsevarwen munt, sô wære ich iemer mê gesunt, diu mir daz herze hât verwunt vaste unz ûf der minne grunt.
Der ist enzwei, heíâ nu heí! Des videlæres seite der ist enzwei.
Ulrich von Liechtenstein um 1200, † zw. 1275 und 1277. insgesamt 94 Urkunden zwischen 1227 und 1274; Steiermark, Österreich, Kärnten, Krain. Bedeutende politische Ämter: 1244/45 Truchseß der Steiermark, 1267-72 Marschall, 1272 Landrichter. Stammte aus steirischem Dienstadel, war 1241 als Truchseß und 1245 als Landesrichter und Landeshauptmann ein führender Adeliger der Steiermark., in deren Streitfälle er wiederholt eingriff; Grab Chorherrenstift Seckau, Johanneskapelle Parteigänger Hzg. Friedrichs II. und Rudolfs v. Habsburg. U. v. L. unternahm als Minneritter große Turnierfahrten (1227 "Venusfahrt", 1240 "Artusfahrt"), von denen er im "Frauendienst" (1255), einer nach literarischen Mustern gestalteten "Autobiographie", berichtet. Ferner 57 Minnelieder und das "Frauenbuch", eine Minnelehre (1257). In seinen Dichtungen (bes. im "Frauenbuch"), die großes formales Können und außerordentl. Lebensnähe aufweisen, beklagt er den Verfall der höfisch verfeinerten Kultur.
Werke: Frauendienst (um 1250); Textüberlieferung: 3 Hss u Hs C; Darstellung der Minnebiographie der Erzählerfigur U. Einbettung von Minneliedern in einen Erzählverlauf. Frauenbuch (um1250); Textüberlieferung: Ambraser Heldenbuch (um 1510); Zwiegespräch zwischen Ritter und Dame ("Minnerede"): Verhaltensregeln über den rechten Umgang miteinander. Charakteristika:Frauendienst einer der ersten autobiographischen Romane der deutschen Literatur; darin eingeflochten 60 Minnelieder, die teils dem höf. Minneideal verpflichtet, teils der neuen Sinnenfreudigkeit zugewandt sind.
Friedrich von Sonnenburg Spruchdichter in der 2. Hälfte des 13. Jh. Politische, didaktische und v. a. religiöse Sprüche. Dürfte um 1250-75 in Bayern, Böhmen und Tirol gewirkt haben und stammte vielleicht aus einer Ministerialenfamilie (Kloster Sonnenburg bei Brixen). F. v. S. galt den späteren Dichtern als einer der sog. 12 Meister.
Reinmar von Zweter
- um 1200 Rheinfranken (?), † nach 1247, Minnesänger und Dichter polit. Sprüche, wahrscheinlich ritterl. Herkunft. Er war vielleicht Schüler Walthers von der Vogelweide, begann 1227 seine dichterische Laufbahn in Ö., lebte am Babenbergerhof unter Leopold VI. und Friedrich II. und führte ab 1241 ein Wanderleben. Aufgrund seiner hohen Formkunst wurde er von den Meistersingern zu den 12 Begründern der Meisterkunst gezählt.
Bruder Wernher 1225-50 vornehml. in Öösterreich. und im Interesse der ö. Landesherren wirkender, von Walther von der Vogelweide beeinflußter Dichter; überliefert sind 74 Sprüche und ein relig. Kreuzlied. Seine Herkunft und sein Stand (vielleicht kein Ordensangehöriger, sondern Laie) sind unsicher.
Heinrich von Meißen (Frauenlob) Einer der ersten Kultstars überhaupt, zu Lebzeiten berühmt, gerühmt, umjubelt wie allenfalls Walther von der Vogelweide vor ihm. Versuch der Nachahmung späterer Meistersänger wenig überzeugend. Herkunftsort: Meißen. * 1250/60, + 29.11.1318 Mainz. Künstlername "Frauenlob" nach dem Hauptthema seines Dichtens. 1276/78 in Böhmen. 1299 urkundlich bezeugt im Dienst Herzog Heinrichs von Kärnten. Frauenlob dichtet für König Rudolf von Habsburg, König Wenzel II. von Böhmen, den König von Dänemark, Fürst Wizlav von Rügen, Erzbischof Giselbert von Bremen u.a. Eininge Sprüche sind dem Rostocker Ritterfest von 1311 gewidmet. Lebt zuletzt in Mainz als Schützling des Erzbischofs und früheren Kanzlers Wenzels II., Peter von Aspelt, der ihn wohl von Prag her kennt. Beisetzung im östl. Kreuzgang des Mainzer Doms; Grabstein 1774 zerstört, 1783 ersetzt.
überliefertes Werk:3 Leiche: Marienleich (Frauenlobs Canticum Canticorum), Minneleich, Kreuzleich; Streitgespräch zwischen Minne und Welt; 320 Sprüche; 7 Minnelieder.
Textüberlieferung: Hs C, Hs J; Weimarer Hs, Kolmarer Hs (15.Jh.).
Charakteristika: Vollprofi sowohl als gebildeter Dichter wie als Musiker. „Meisterlich“-gelehrter Sprachkunst des "geblümten Stils" (rhetorischer Schmuck, Bildfülle, syntaktische Extravaganz, erstaunlicher Wortschatz): Stil bisweilen schweirig bis dunkel; in der frühen germanistischen Forschung allen Ernstes für verrückt erklärt.
Hugo von Montfort
- 1357, † 4. 4. 1423, spät-ma. Dichter. Graf von Montfort-Bregenz und Pfaffenberg, angesehener Politiker, bekleidete zahlr. hohe Verwaltungsämter, war u. a. 1415 Landeshauptmann der Stmk., wo er auch begraben ist (Bruck a. d. Mur). Verfaßte Lieder, poet. Liebesbriefe, polit. und didakt. Reden.
Oswald von Wolkenstein
- um 1376, † 1445, mhd. Lyriker. Sein Leben ist durch Urkunden, Briefe und Lieder gut dokumentiert. Aus bedeutendem S-Ti. Adelsgeschlecht (Stammburg Wolkenstein im Grödnertal), verließ er als Knappe mit 10 Jahren die Heimat und bereiste Europa und den Orient. Nach dem Tod seines Vaters Friedrich übernahm er den Familienbesitz (Burg Hauenstein am Schlern, S-Ti.), nahm am Konstanzer Konzil teil, trat in den Dienst von Kg. Siegmund und wurde aus polit. Gründen (stellte sich gegen den Landesherrn) und wegen eines Erbrechtsstreits gefangengesetzt. Verheiratet war O. v. W. mit Margarete v. Schwangau; begraben ist er in Neustift b. Brixen. Sein Werk umfaßt 130 Lieder und 2 Reimpaarreden und zeichnet sich durch eine Vielfalt von Themen und Formen aus: Liebeslieder in Ich-Form, Tagelieder und Pastourellen, Liebesdialoge und Minneallegorien, Trink- und Scheltlieder, Reise- und geistliche Lieder; z. T. kontrastieren derbe, sexualitätsbezogene Inhalte mit hohem Stil. Die Melodien sind (mit Anlehnung an ital. und franz. Vorbilder) selbst komponiert, das faktische Material ist parodistisch und ironisch gebrochen. Überliefert in 2 Pergamenthandschriften (A, Wien cod. 2777; B, Innsbruck) und 1 Papierhandschrift (c, Innsbruck).