Nika-Aufstand
Der Nika-Aufstand war eine Volkserhebung in Konstantinopel, zu der es 532 während der Regentschaft des byzantinischen Kaisers Justinian I. kam.
In der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel waren zu dieser Zeit Wagenrennen im Hippodrom äußerst beliebt. Die Anhänger der beiden erfolgreichsten Wagenlenker-Mannschaften (Demen) nannten sich die "Grünen" (Prasinoi) und die "Blauen" (Venetoi). Bei den "Blauen" handelte es sich überwiegend um orthodoxe Christen, denen zahlreiche Monophysiten bei den "Grünen" gegenüberstanden. Während Kaiser Justinian die "Blauen" favorisierte, galt die Sympathie seiner Gemahlin Theodora den "Grünen". Auf diese Weise konnten Spannungen zwischen den beiden Gruppierungen jahrelang negiert werden, bis sich die "Grünen" aus eher unklaren Gründen im Januar 532 erhoben. Die "Blauen" nutzten diese Situation aus und beteiligten sich nach kurzer Zeit am Aufstand.
Ausgelöst wurde der Aufstand aber wohl vor allem aufgrund der drückenden Steuerlast der Bevölkerung, hervorgerufen durch die steigenden Rüstungsausgaben und den Bauvorhaben des Kaisers. Justinian entließ mehrere Berater, die den Zorn der Bevölkerung auf sich gezogen hatten (Tribonianus, Johannes der Kappadokier). Als es dann aber zu Hinrichtungen von Wortführern beider Seiten kommen sollte, erhoben sich die bisher verfeindeten Gruppen im Hippodrom unter dem beim Wagenrennen üblichen Kampfruf Nika! Nika! (Griechisch, "Sieg! Sieg!"). Da es sich bei den Demen zudem um para-militärische Kräfte handelte (sie dienten im Notfall als Miliz), gelang es den Truppen des Kaisers nicht, der Lage Herr zu werden. Auch die konservativen Senatskreise ergriffen die Gunst der Stunde, um sich des unliebsamen Kaiser zu entledigen.
Man rief Hypatios, einen Neffen des früheren Kaisers Anastasios I., zum Gegenkaiser aus, Gefängnisse wurden aufgebrochen, Senatsgebäude und Stadtteile, in denen die Aristokratie wohnte, gingen in Flammen auf, die Hagia Sophia wurde geplündert. Justinian war schon entschlossen, mit dem Schiff zu fliehen, seine Frau Theodora hielt ihn aber zurück. Justinian beauftragte die Feldherren Belisar und Narses mit der Bekämpfung der Aufständischen. Narses versuchte daraufhin, die Rädelsführer der "Blauen" durch Bestechungsgelder für den Kaiser zu gewinnen. Belisar begab sich hingegen mit seinen Truppen zum Hippodrom, wo zahlreiche Aufständische umzingelt wurden. Belisar ließ unter ihnen ein Blutbad anrichten, dem etwa 35.000 Menschen zum Opfer fielen (nach Prokopios von Caesarea 30,000) - manche (eher zweifelhafte) Quellen gehen von bis zu 80.000 Toten aus.
Nach der gewaltsamen Beendigung des Nika-Aufstands stieg Theodora zur offiziellen Mitregentin auf. Der Nika-Aufstand lässt sich als die erste Erhebung politisierter Anhänger von Sportmannschaften in der Geschichte betrachten, wenn auch nicht nach modernen Maßstäben, da es in erster Linie um das Erreichen politischer Ziele ging. Eine wichtige Folge war, dass die konservativen Kreise des Senats ausgeschaltet waren. Justinian I. ließ die Niederwerfung des Aufstandes propagandistisch feiern, als das entschlossene Vorgehen eines starken Herrschers. Er nutzte zudem die Gunst der Stunde, um in Konstantinopel, welches in Trümmern lag, ein umfassendes Bauprogramm zu initiieren, dessen Krönung der Neubau der Hagia Sophia war.
Literatur
- James A.S. Evans: The 'Nika' Rebellion and the Empress Theodora, in: Byzantion 54 (1984), S. 380-82.
- Geoffrey Greatrex: The Nika Riot: A Reappraisal, in: JHS 117 (1997), S. 60-86.
- Mischa Meier: Die Inszenierung einer Katastrophe: Justinian und der Nika-Aufstand, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 142 (2003), S. 273-300. Meiers Thesen sind nicht unumstritten. Er sieht den Aufstand als ein vom Kaiser inszenierten Akt an, wodurch Justinian seine Herrschaft stabilisierte und sich ihm unliebsamer Konkurrenz entledigte.