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Detlev von Liliencron

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Detlev von Liliencron (Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron; * 3. Juni 1844; † 22. Juli 1909) war ein deutscher Lyriker, Prosa- und auch Bühnenautor.

Detlev von Liliencron 1905

Überblick

Detlev von Liliencron wurde 1844 in Kiel geboren. Nach einer kurzen Militärkarriere und einigen Jahren in der Verwaltung wandte er sich seiner Leidenschaft zu und wurde freier Schriftsteller. 1883 erschien sein erster Gedichtsband „Adjutantenritte und andere Gedichte“. Es folgten „Eine Sommerschlacht“ (1887), „Unter flatternden Fahnen“ (1888) und „Der Heidegänger“ (1893). Er gilt in seiner Lyrik als ein bedeutender Wegbereiter des Naturalismus des späten 19. Jahrhunderts. Liliencron starb 1909 in Rahlstedt (heute zu Hamburg gehörig).

Biographie

Jugendjahre (1844–1875)

Er wurde 1844 als Sohn von Louis Freiherr von Liliencron und Adeline (geb. von Harten) in Kiel geboren. Sein Vater war dänischer Zollbeamter und entstammte einer alten, wenngleich verarmten Adelsfamilie.

Nachdem er das Gymnasium abgebrochen hatte, absolvierte er die Realschule in Erfurt und trat danach in die Berliner Kadettenschule ein. Seine Karriere begann als Kavallerieoffizier in der preußischen Armee (Deutsch-Österreichischer Krieg 1866 und Deutsch-Französischer Krieg 1870/71), wo er mehrfach ausgezeichnet wurde, seine jugendliche Kriegsbegeisterung freilich einbüßte. Wegen Glückspiels und den daraus resultierenden Schulden (von denen er auch später nie loskam) war er 1875 gezwungen, den Militärdienst zu quittieren.

Verwaltungsdienst (1875–1885)

Die Emigration 1875 nach Amerika, wo er seinen Lebensunterhalt als Klavierlehrer und Sprachlehrer bestritt, dauerte nicht lange. Bereits 1877 kehrte er wieder zurück nach Deutschland. 1878 fand er Arbeit in der preussischen Verwaltung. Er heiratete Helene von Bodenhausen. Die Ehe stand jedoch unter keinem guten Stern und scheiterte. Schon ein Jahr nach der Heirat verließ Helene ihn wieder.

1882 wurde er zum Hardesvogt – eine Art Stellvertreter des Landrats vor Ort – auf der Insel Pellworm ernannt. Hier hat er dann auch sein berühmtestes Gedicht geschrieben, „Trutz blanke Hans“, in dem er den Untergang der reichen und übermütigen Stadt Rungholt in der Nordsee beschreibt. Ebenfalls in diesem Jahre wurde er als ehemaliger Offizier zum Hauptmann der Landwehr der Reserve. Ein Jahr danach, im Oktober 1883, wurde er zum Kirchspielvogt in Kellinghausen (Holstein) ernannt. Er verfasst den Lyrikband „Adjutantenritte und andere Gedichte“, welcher ihm vor allem bei den Naturalisten Bekanntheit brachte.

Liliencron kam nie von seinen Schulden weg und wie schon bei seinem Ausscheiden aus der Armee waren sie 1885 der Grund, weswegen er den öffentlichen Dienst nicht länger ausüben konnte und aus dem Staatsdienst ausscheiden musste. In diesem Jahr ließ er sich auch offiziell von Helene von Bodenhausen scheiden.

Freier Schriftsteller (1885–1901)

Von nun an versuchte er sein Leben als freier Schriftsteller zu finanzieren. Er lernte die Gastwirtstochter Augusta Brand kennen, welche er 1887 ehelichte. In dieses Jahr fällt auch die Veröffentlichung des Werkes „Arbeit adelt“. Ein Jahr darauf datiert der erste Kontakt mit dem Friedrichshagener Dichterkreis und er knüpft Bekanntschaften mit den dazugehörigen Dichtern. Mithilfe der Finanzierung durch die Schillerstiftung verbrachte er 1890/91 einige Zeit in München, wo einige seiner Gedichte in der Zeitschrift „Die Gesellschaft“ veröffentlicht wurden. Dort pflegte er auch Umgang mit Otto Julius Bierbaum.

1891 zog Liliencron nach Altona-Ottensen, nach der Scheidung von Augusta Brand 1892 in ein anderes Viertel der damals selbständigen Stadt Altona. Dort fand er einige Zeit Ruhe, verfasste verschiedene Werke, auch sein Hauptwerk „Poggfred“ erschien in dieser Zeit. Hier lernte er auch Richard Dehmel kennen, mit welchem er in regem Kontakt stand.

Seine Schulden verfolgten ihn immer noch und so versuchte er 1898, mit Vortragsreisen etwas Geld zu verdienen. Schließlich heiratete Detlev von Liliencron 1899 zum dritten und letzten Mal. Die Bauerntochter Anna Michel war die Auserwählte. Aus akuter Geldnot schloss er sich ein Jahr später dem literarischen Kabarett „Überbrettl“ an.

Die letzten Jahre (1901–1909)

1901 kam endlich Ruhe in das bewegte Leben Liliencrons. Mithilfe seiner Freunde gelingt es ihm, eine Wohnung in Alt-Rahlstedt (heute: Hamburg-Rahlstedt) zu finden und er erhält ein jährliches Ehrengehalt in Höhe von 2.000 Mark von Kaiser Wilhelm II.. An seinem 60. Geburtstag 1904 wurde er mit einer deutschen und österreichischen Festschrift geehrt. Er wurde darin von den bekanntesten Schriftstellern dieser Zeit gewürdigt.

1908 verfasste er „Leben und Lügen“, eine Autobiographie. In seinem letzten Lebensjahr 1909 feierte er seinen 65. Geburtstag, zu welchem er unter anderem die Ehrendoktorwürde der Universität Kiel erhielt. Seine letzte Reise führte ihn zu den Schlachtfeldern des Deutsch-Französischen Krieges. Am 2. Juli verstarb Detlev von Liliencron an den folgen einer Lungenentzündung in Alt-Rahlstedt.

Schreibstil

Liliencrons Werk kann man nicht einer bestimmten Literaturzeit zuordnen. Seine Gedichte sind geprägt durch die Spannung zwischen Naturalismus und Neuromantik. Die Werke weisen Ähnlichkeiten mit der von Friedrich Nietzsche propagierten „pessimistischen Kulturkritik“ auf. Liliencrons Gedichte und Texte beeinflussten den jungen Rainer Maria Rilke, sowie Hugo von Hofmannsthal, vor allem die Gedichte, in denen das moderne Leben angesprochen wird, zeigten Wirkung auf die Frühzeit des Expressionismus. Durch seine Grossstadtgedichte, wie „Broadway in New York“, griff er viele Themen, welche die Expressionisten später behandelten, schon auf.

Der 1883 erschienene Gedichtband „Adjutantenritte“, der auch lyrische Prosa beinhaltete wurde von den Naturalisten, die Liliencron als einen von ihnen sahen, als eine neue lyrische Kunst bejubelt. Aber schon diese Sammlung zeigte den typischen Stil Liliencrons, welchen ihn von den Klassizisten ebenso wie von den Naturalisten abhebt. Liliencron reagiert im Gegensatz zu den Naturalisten viel feinfühliger auf die modernen Lebensgewohnheiten. Er vermischt die verschiedenen Sinneswahrnehmungen zu einer Synästhesie und setzt diese literarisch um. Durch diese subjektiven Wahrnehmungen und Wiederspiegelung seines Inneren entwickelt er seinen persönlichen Schreibstil.

Er selbst distanzierte sich von den Naturalisten mit seinem Gedicht „Den Naturalisten“. In diesem Gedicht zeigt er auch seine Bedingungen an die Dichtkunst, sie sollte „Humor und die feinste Künstlerhand“ umfassen. Schon in seinen ersten veröffentlichten Gedichten und Texte zeigt Liliencron, dass er die Dichtkunst beherrscht. Ohne Probleme verwendet er die schwierigen Formen und Vorgaben der hohen Lyrik. Er experimentierte beispielsweise mit Rondeau, sowie mit Ghasel.

Seine Schulden und die damit verbundenen Probleme machen sich in den Werken Liliencrons bemerkbar. So hatte er, gleich den Ästheten eine Abneigung gegen den Lebenstil des Bürgertumes. Durch diese am eigenen Leibe erfahrenen Unannehmlichkeiten schloss er sich Nietzsches Kulturpessimismus an. Liliencron hielt nicht viel von den modernen Errungenschaften, vielmehr spielt in vielen seiner Gedichte die Flucht aus dem Getriebe der Grossstadt in eine romantisierte Landschaft eine zentrale Rolle.

Leseprobe

Aus: Detlev von Liliencron „Der Broadway in New York“

Der Broadway in New York
Die Straße, die den Westen mit dem Osten
Und wieder weiter mit dem Westen bindet,
Betrat Ich einst: Der Erde Reichtum fließt
Durch diese Riesenader von New York.
Der Völker bunte Mischung sah ich hasten,
Doch drängte sich der Yankee klug und rastlos
Vor allen hier: in seinen scharfen Augen,
In seinem Rennen, seinem Sinnen lag
Nur eins, die unersättlich große Gier
Nach Gold, auf alle Fälle Geld zu „machen“:
Und mich befiel ein Grauen, ratlos fast
Sah ich mich um nach einem Halt. – Da plötzlich
In all dem Schreien, Stoßen, Fluchen, Treiben,
Zog klar vorüber mir ein liebes Bild:
Ganz wie verstecktin Feld und Wald und Heide,
Fern von den Dörfern und den großen Straßen,
Liegt unser Haus vereinsamt und verloren,
in eines alten Gartens stiller Welt.
Die Sonne schien auf kiesbedeckte Wege,
Und in den Bäumen war ein Maienleben.
Du gingst zur Seite mir, und Hand in Hand,
So standen endlich wir am lichten Rande
Der kleinen Holzung: Vor uns schwieg die Landschaft.
Ein Läuten kam aus unsichtbarer Ferne.
Wie schön es war. – Es zogen tiefe Schatten
Um uns, und fröhlich küßte deine Augen
Ein frischer Buchenzweig.

Werke

Drama:

  • Knut, der Herr, 1885
  • Die Rantzow und die Pogwisch, 1886
  • Arbeit adelt, 1887

Erzählungen:

  • Unter flatternden Fahnen (Erzählungen), 1888
  • Der Mäcen (Erzählungen), 1889
  • Krieg und Frieden (Erzählungen), 1891

Epos:

  • Poggfred, 1896

Gedichte:

  • Adjudantenritte, 1883
  • Der Haidegänger, 1890
  • Neue Gedichte, 1893
  • Bunte Beute (Gedichte), 1903
  • Gute Nacht (Gedichte), 1909


Novellen:

  • Eine Sommerschlacht, 1886
  • Kriegsnovellen , 1885
  • Könige und Bauern, 1900
  • Roggen und Weizen, 1900
  • Aus Marsch und Geest, 1901
  • Die Abenteuer des Majors Glöckchen, 1904
  • Letzte Ernte, 1909

Roman:

  • Breide Hummelsbüttel, 1887
  • Mit dem linken Ellenbogen, 1899

Tragödie:

  • Der Trifels und Palermo, 1886
  • Die Merowinger, 1888

Sonstiges:

  • Balladenchronik, 1906
  • Leben und Lüge (Autobiographie), 1908

Literatur

  • Matthias Mainholz (Hrsg.): Artist, Royalist, Anarchist. Bautz, Herzberg 1994
  • Kornelia Küchmeister (Hrsg.): Detlev von Liliencron in seiner Zeit. Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel 1984
  • Jean Royer (Hrsg.): Detlev von Liliencron und Theobald Nöthig. Bautz, Herzberg 1986 (Bände 1–2)
  • Detlev von Liliencron: Ich bin ein Lebenskünstler. Gelesen von Rimbert Spielvogel. Schwanenverlag, Berkenthin 2001 (1 CD)
  • Heinz Stolte: Detlev von Liliencron. Husumer Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 1980