Rasse (Züchtung)
Der Begriff Rasse wird in der Biologie verwendet und bezeichnet eine Unterscheidung von Individuen der selben Art anhand festgesetzter Kriterien (z.B. Fellfarbe, Körpergröße, Schnauzenform). Andere Begriffe, die vergleichbare Beobachtungen ausdrücken, sind Unterart, Zuchtform oder Varietät. Bei Pflanzen sprechen Biologen eher von Sorten.
Innerhalb einer biologischen Art kommen immer gewisse Variationen vor. Doch wenn die Streuung (Standardabweichung gegenüber dem Durchschnittswert) allzu groß ist, liegt eine neue Klassifizierung nahe.
Alle Mitglieder einer Art können sich im Prinzip miteinander fortpflanzen. Da eine Rasse immer über eine ganze Reihe von Eigenschaften, Merkmalen oder Attributen definiert werden muss (die Schwanzlänge reicht nicht, um eine Pferderasse zu bestimmen), können durch die Fortpflanzung beliebige Zwischenstufen zwischen den Rassen entstehen. Rasse ist somit kein naturgegebenes Kriterium (wie die Art) zur Unterscheidung von Individuen, sondern ein durch den Menschen geschaffenes. Die Eigenschaften, anhand denen die Rassenzugehörigkeit festgestellt wird, sind also meist willkürlich gesetzt. (Zum Beispiel werden Hunderassen nicht dadurch unterschieden, welche Häufchenform das Tier hinterlässt, obwohl auch das eine erbliche Eigenschaft ist).
Rassen sind insbesondere in der Tierzucht (Hunde, Pferde, Haustiere) von Bedeutung, wo oft die Reinrassigkeit den Wert eines Tieres mitbestimmt: Die Tiere sollen einem definierten Eigenschaftenkatalog entsprechen, auf diesen Eigenschaftenkatalog hin wird gezüchtet. Dabei übertragen sich allerdings aufgrund der Inzucht-Effekte neben den erwünschten Merkmalen insbesondere solche Eigenschaften weiter, die die Vitalität verringern. In der Zucht von Nutztieren und Nutzpflanzen dienen reinrassige Zuchtlinien daher nur zur Produktion von Hybriden.
In der Anthropologie unterschied man nach äußeren Merkmalen (wie Hautfarbe, Haarfarbe, Körperbau usw.) typologisch drei große Rassenkreise: Europide (Europa bis Indien), Mongolide (Ostasien und Indianer Amerikas) und Negride (Afrika), sowie deren zahlreiche Mischformen (Australide, Mestizen, Mulatten etc.). Die Europiden wurden nochmals aufgefächert in Nordide, Osteuropide, Alpinide, Dinaride, Mediteranide, Armenide, Orientalide, Indide.
Vergegenwärtigt man sich aber z.B. dass viele Südinder eine dunklere Hautfarbe als manche Negride haben, so zeigt schon dieses Merkmal, dass die Variationsbreite innerhalb eines Rassenkreises größer sein kann als zwischen verschiedenen. Deshalb spricht man besser von Populationen (Gruppen, die einen präzise bestimmten Raum bewohnen) - ein Begriff der nicht biologisch, sondern statistisch definiert ist. Genetische Unterschiede zwischen Populationen lassen sich anhand einzelner Merkmale (z.B. Blutgruppen) erfassen. Dabei liegt etwa 85% der bei Menschen erkennbaren genetischen Variabilität innerhalb einer Population vor; etwa 8% betreffen Unterschiede zwischen benachbarten Gruppen und nur 7% gehen auf Unterschiede zwischen den typologisch definierten Rassen zurück. Eine Rassengliederung sagt also über die genetisch bestimmbaren Eigenschaften des Menschen wenig aus.
Insbesondere im Deutschen wird der Begriff der "Rasse" in Bezug auf Menschen aufgrund der ideologisch belasteten Verwendung im Nationalsozialismus im öffentlichen Sprachgebrauch fast vollständig vermieden.
Im anglo-amerikanischen Raum ist der Begriff "race" allerdings immer noch gebräuchlich. So werden hier im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in offiziellen staatlichen Dokumenten die Menschen nach ihren äußerlichen Merkmalen in verschiedene Kategorien unterteilt (Caucasian, Latin, Black, Asian). Allerdings darf der anglo-amerikanische Begriff "race" nicht mit dem deutschen Verständnis des Wortes "Rasse" gleichgesetzt werden. In den USA können mit "race" auch soziale Gruppen, wie z.B. Ärzte zusammengefasst werden ("the race of doctors").
Zunehmend setzt sich die behavioristische These durch, dass sich klare Abgrenzungen zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen also nur schwer und in der globalisierten Welt immer schwerer finden liessen.
Die Entwicklung des Menschen und seiner Geschichte basiert des weiteren nicht nur auf genetischem, sondern auch auf kulturellem Austausch. Wenn Gruppen einzelner Menschen unterschieden werden sollen, um zum Beispiel Konflikte zu erklären, so muss dies z. T. sehr viel kleinräumiger geschehen, als das der Begriff der "Rasse" (und eng damit verbunden, der Begriff des Volkes) nahe legt.
Heute spricht man in der Soziologie in Bezug auf Menschen vorwiegend von Ethnien, wobei sowohl die kleinere räumliche Ausdehnung, die fließenderen Grenzen und der kulturelle Aspekt die Ethnie ausmachen.
Siehe auch: Rassismus, Herrenrasse
Literatur
- Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation, Darmstadt: WBG 1999
Weblinks
- http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/1999/pri63_99.htm Kam der moderne Mensch durch ein "Nadelöhr"?
- http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/619209 Nur 2000 - Die gesamte Menschheit stammt von einer kleinen Gruppe ab
- http://www.shoa.de/rassenlehre.html Warum und mit welcher Wirkung klassifizieren Wissenschaftler Menschen?