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Lyrik

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Als Lyrik (griechisch λυρική [ποίηση] - die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung) bezeichnet man die dritte dichterische Gattung neben der Epik und der Dramatik, die schon Aristoteles in seiner "Poetik" unterschied. Der Ordnungsbegriff 'Lyrik' wird erst seit dem 18. Jahrhundert als Gattungsbezeichnung verwendet. Der Begriff ist relativ unbestimmt und wird oft synonym zu Poesie (griechisch ποίηση - die Dichtung) verwendet. Von Poesie spricht man allerdings eher, wenn man die psychologische Wirkung einer Dichtung betrachtet, während bei Lyrik stärker die klangliche und rhythmische Beziehung zwischen Worten, Versen, Strophen u.s.w. betrachtet wird.

Kriterien der sprachlichen Form

Lyrische Texte werden auch als Gedichte bezeichnet. Sie unterscheiden sich von der Prosa durch ihre gebundene Form (Vers, Metrik, Strophenbau). Die Versform allein kann aber nicht ausschlaggebendes Kriterium sein, da die Versform auch in epischen und dramatischen Texten vorkommt. Die gebundene Form verliert im Laufe der Gattungsgeschichte, vor allem im 20. Jahrhundert, ihre Bedeutung, so dass sich Lyrik heute nur noch selten über die metrische Form definiert. Lyrische Texte unterscheiden sich dennoch sprachlich-formal von epischen und dramatischen vor allem durch ihre Kürze, ihre strengere Form, ihre Dichte (Ausdruckskraft) und sprachliche Ökonomie, ihre Subjektivität und ihren Bezug auf ein "lyrisches Ich". Alle sprachlichen und formalen Mittel werden dabei als Ausdrucksmittel nutzbar gemacht. Keines dieser Kriterien ist aber hinreichend oder notwendig.

Lyrik wurde ursprünglich zur Lyra vorgetragen (gesungen). Noch im Mittelalter ist Lyrik grundsätzlich gesungen. Die Lyrik steht damit in einer gewissen Beziehung zur Musik und zum Lied. Die meisten lyrischen Texte sollten deshalb laut vorgetragen werden, um wirklich zur Geltung zu kommen. Vor allem in der neueren Lyrik wurde aber die graphische Gestalt immer wichtiger ("Augenlyrik"). Am augenfälligsten wird das in der konkreten Poesie..

Empirische Verankerung in der Gegenwart

Anlässlich des Welttages der Poesie am 21. März 2005 hat die Deutsche Presse-Agentur eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben, die für Deutschland den Bezug zur Lyrik in der Bevölkerung messen sollte. Das Meinungsforschungsinstitut "polis" ermittelte:

  • jeder zweite Deutsche hat mit Lyrik wenig im Sinn und schon länger kein Gedicht mehr gelesen;
  • 58 Prozent der Männer waren lange nicht mehr mit Gedichten in Kontakt gekommen;
  • 43 Prozent der Frauen sind Verächterinnen, 40 Prozent geben sich als aktuelle Leserinnen von Versen;
  • in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen hatten 63 Prozent schon länger keine Lyrik mehr gelesen.

Unklar ist, ob die Beschäftigung mit Songtexten (englisch: lyrics), die besonders in Schüler- und Fankreisen sehr beliebt ist, ausdrücklich in diese Ergebnisse eingeflossen ist. Denn nicht jedem Befragten ist auf Anhieb klar, dass Liedtexte eine Sonderform der Gedichte sind, deren Vertonung sie leichter zugänglich macht.

Zum Vergleich der Kulturen ist auf die auch im 21. Jahrhundert ungebrochene Vorherrschaft der Lyrik im Bereich etwa der arabischen Literatur hinzuweisen.


Zur Geschichte der Gattung

Die Lyrik ist eine der frühen literarischen Formen, geschriebene Lyrik gab es schon zu den Zeiten der alten Chinesen, Babylonier, Perser oder Juden (Psalmen, Hoheslied des Salomon), mündliche Lyrik dürfte in die frühesten Zeiten der Menschheitsgeschichte zurückgehen. Unser Begriff von Lyrik wurzelt allerdings im antiken griechischen Kulturkreis. Dort war die Lyrik zunächst das zur Lyra gesungene Lied, das in den Chorgesängen der antiken Dramen und im religiösen Kultus seinen "Sitz im Leben" hatte. Bedeutende Lyriker des Altertums sind z. B. Sappho, Horaz.

Die deutsche Lyrik des Mittelalters war zunächst geprägt von christlichem Gedanken- und Vorstellungsgut (Marienlyrik). Die weltliche Lyrik des höfisch-ritterlichen Minnesangs und der Spruchdichtung drängte sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts stark in den Vordergrund und bildete ein variationsreiches literarisches System von hohem Kulturprestige aus. Dabei wirkten auch Impulse aus der mittellateinischen Vagantendichtung, der Rezeption klassisch-lateinischer Lyriker (v.a. Ovid) und der mozarabischen Lyrik Spaniens mit.

Durch Martin Luther, den zunehmenden Einfluss der italienischen und französischen Dichtkunst und den erneuten Rückgriff auf die lateinische Lyrik (Horaz) begann in der deutschen Barockzeit eine neue Tradition vielfältiger und formstrenger Dichtung (Andreas Gryphius).

Zwischen der Leere des Zen-Rätsels und dem rasenden Rhythmus des Videoclips ist eine Form zu entdecken, die sich hören lassen kann. Nur so kann Literatur, will sie auf die veränderten medialen Verhältnisse und die dadurch erzeugten Wirklichkeiten reagieren, einen innovativen Impuls erhalten und letztlich eine weitere Existenzberechtigung. Mit der Digitalisierung beginnt das Zeitalter des Literaturclips in der Lyrik des 21. Jahrhundert.

Die Lyrik wurde und wird immer wieder auch von der populären Musikkultur beeinflusst. So hat zum Beispiel die Rap/Hiphop-Bewegung die Idee von Poetry-Slams angeregt, einer Form von Lyrik-Performances, bei denen die Vortragenden wie bei einem Duell im direkten Vergleich mit- oder nacheinander antreten und das Publikum einen Gewinner kürt. Auch sprachlich und formal stehen Lyrik und populäre Musik in einem Austauschverhältnis.

Wichtige deutschsprachige Lyriker

Walther von der Vogelweide (Mittelalter), Andreas Gryphius (Barock), Johann Wolfgang von Goethe (Sturm und Drang, Klassik), Friedrich Schiller (Klassik), Friedrich Hölderlin (Romantik), Eduard Mörike (Romantik), Joseph von Eichendorff (Romantik), Annette von Droste-Hülshoff (Biedermeier), Heinrich Heine (Vormärz), Theodor Storm (Realismus), Stefan George (Klassische Moderne), Rainer Maria Rilke (Klassische Moderne), Georg Trakl (Expressionismus), Bert Brecht (20. Jhd.), Gottfried Benn (20. Jhd.), Peter Huchel (20. Jhd.), Georg Trakl (20. Jhd.), Erich Kästner (20. Jhd.), Ingeborg Bachmann (20. Jhd.), Paul Celan (20. Jhd.), Peter Rühmkorf (Gegenwart), Sarah Kirsch (Gegenwart), Henning Heske (Gegenwart), Durs Grünbein (Gegenwart), Marcel Beyer (Gegenwart), Heinz Kahlau (Gegenwart)

Formen der Lyrik

Ballade, Hymne, Elegie, Sonett, Kanzone, Lied, Haiku, Ode, Rap


Siehe auch

Poesie, Lyriker, Epik, Literaturgattung, Gedichtinterpretation, Frankfurter Anthologie, Arabische Literatur, Koreanische Literatur

Literatur

  • Hell und Schnell (555 komische Gedichte aus 5. Jahrhunderten), ISBN 3-10-0255505-4
  • 100 Jahre Lyrik. Deutsche Gedichte aus zehn Jahrzehnten, hgg von Axel Marquardt, Zürich (Haffmans) 1992
  • Henning Heske: Goethe und Grünbein. Aufsätze zur Literatur. Bernstein Verlag, Bonn 2004 ISBN 3-9808198-5-X