Offenbach-Bieber
Bieber ist ein Stadtteil der hessischen Großstadt Offenbach am Main und liegt an der Bach Bieber, einem Nebenfluss der Rodau. Heute hat der Stadtteil rund 15.000 Einwohner. Die Gemarkung Bieber umfasst etwa 840 Hektar. Direkte Nachbarorte sind Mühlheim am Main, Obertshausen sowie Heusenstamm.
Bieber ist umgeben von Wäldern, Wiesen und Parkanlagen. Entlang der gleichnamigen Bach erstrecken sich weitläufige Wiesen, Äcker und Kleingartenanlagen.

Geschichte
Ursprünge
Der Ortsname ist vermutlich keltischer Herkunft. Wie die vielen anderen Orts- und Flussnamen im keltischen Kernland könnte sich der Name Bieber vom keltischen Wort Bebros für das Tier Biber ableiten. Einer anderen Theorie zu Folge leitet sich der Name vom keltischen bi-para, also zwischen den Bezirken ab. Die Tatsache, dass der alte keltische Ortname auch in germanischer Zeit beibehalten wurde kann darauf schließen lassen, dass es sich damals um eine bedeutende Siedlung gehandelt hatte. Da eine keltische Siedlung südlich des heutigen Ortes wahrscheinlich ist, geht man davon aus, dass der Ort in germanischer Zeit an die Stelle des heutigen historischen Ortskerns unter Beibehaltung des keltischen Namens verlegt wurde. In der Gemarkung wurden zahlreiche Funde aus prähistorischer, römischer und fränkischer Zeit gemacht (vgl. Bieberer Amulett unten). Eine römische Villa Rustica und ein römisches Gräberfeld konnte auf den Steinäckern zwischen Bieber und Waldhof nachgewiesen werden. Ebenso durchzogen römische Straßen die Bieberer Gemarkung. Während römischer Zeit und der Völkerwanderungszeit bleibt die alte keltisch-germanische Mischbevölkerung ansässig. Römer und vorbeiziehende Stämme meiden das waldreiche Gebiet südlich des Maines.
Mittelalter
Der fränkische Gaugraf Warin und seine Frau Friderum schenken im späten 8 Jahrhundert dem Kloster Fulda vier Hufen zu "Bieber im Maingau". Auch Graf Walah schenkt seinen Besitz in Bieber an das Kloster Fulda. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Siedlung in einer Schenkungsurkunde des fränkischen Großgrundbesitzers Erlulf am 22. April 791 im Lorscher Codex. Da die beiden älteren Schenkungen nicht sicher datiert werden können, gilt dieses Datum als erstmalige urkundliche erwähnung Biebers.
Im Mittelalter gehörten die umliegenden Wälder zum Wildbann Dreieich, dieser unterhielt in Bieber auch eine seiner 30 Wildhuben. Die Herren von Hagenhausen (später von Eppstein) gewinnen ab 1290 aufgrund ihrer Lehens-, Gerichts- und Grundrechte allmählich die Landeshoheit in Bieber. Als Gottfried von Eppstein 1425 das Amt Steinheim mit allen zugehörigen Orten an den Kurfürsten von Mainz verkauft, geht die Landesherrschaft über Bieber von den Herren von Eppstein an Kurainz. Bieber war bis 1819 mit dem alljährlich abgehaltenen Märkerding am südöstlichen Ortsrand Mittelpunkt der sogenannten Biebermark, einer Markgenossenschaft und seine Einwohner hatten Burgrecht in Frankfurt (ab 1372) mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten (in Kriegszeiten durfte in der befestigten Stadt Zuflucht gesucht werden, als Gegenleistung müssen sie 10 Ruten Stadtgraben instand halten).
Neuzeit
Im dreißgjährigen Krieg kommt es durch Pest, Truppendurchzüge und Verwüstungen zu großen Belastungen und Verlusten unter der Bevölkerung. Nach der Säkularisation des Kurfürstentums Mainz gehörte Bieber von 1802 bis 1816 zum Fürstentum Isenburg-Birstein und wird danach Teil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Die Biebermark wird 1819 unter den ihr angehörenden Orten aufegeteilt. Bieber erhält den südöstlich gelegenen Wald.
Im 19. Jahrhundert erfolgte der Wandel Biebers vom Bauerndorf zur Industriegemeinde. Am 1. April 1938 wurde Bieber nach Offenbach zwangsweise eingemeindet. Zahlreiche Straßen wurden umbenannt, sofern ihre Namen bereits in Offenbach oder im 1908 ebenfalls nach Offenbach eingemeindeten Bürgel vorkamen. Der Zweite Weltkrieg brachte zahlreiche Zerstörungen durch Bombenangriffe. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es zu einem Aufblühen der Lederwarenindustrie gekommen, die ihre Hochzeit in den 1950er und 1960er Jahren hatte. Aufgrund veränderter Marktbedingungen ging der Absatz der Lederwaren in den 1970er Jahren stark zurück, so dass heute nur noch 3 Lederwarenbetriebe in Bieber ansässig sind. In den Jahren 1965 bzw. 1967 entstanden mit Bieber-West und Bieber-Waldhof ausgedehnte Neubaugebiete, das Waldhofgebiet wurde zudem zum Industriegebiet.
1991 feierte Bieber das 1.200 jährige Bestehen nach der ersten urkundlichen Erwähnung mit einem großen Festumzug und Volksfesten. Im Dezember 2003 konnte nach langer Bau- und Planungszeit der S-Bahnanschluss eröffnet werden. Seitdem ist Bieber und der Ortsteil Waldhof an die S-Bahn Rhein-Main angeschlossen und mit der Linie S 1 und S 2 erreichbar. Bei Bieber teilen sich die Schienen in die Strecke nach Dietzenbach und die Strecke nach Rödermark-Ober-Roden. Zuvor war Bieber über die Rodgaubahn an das Schienenetz angeschlossen.
Für die Zukunft ist ein großes Neubaugebiet Bieber-Nord geplant. Es soll sich zwischen den Bahngleisen der S-Bahnstrecke und der Bundesstraße 448 erstrecken und Wohnraum für etwa 2.400 Menschen bieten. Die Baulandumlegeung und die Planungen hierzu laufen schon seit Jahrzehnten. Momentan ist das Gebiet vorwiegend Acker- und Gartenland. Als Ausgleichsmaßnahme soll ein Teil der Streuobstwiesen erhalten bleiben.
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohnerzahlen |
---|---|
1580 | ca. 300 |
1638 | 26 |
1681 | 150(* |
1817 | 646 |
1861 | 1.440 |
1890 | 2.527 |
1910 | 4.510 |
1925 | 5.149 |
1939 | 6.150 |
1946 | 6.152 |
1960 | 7.329 |
1980 | 12.854 |
31.12.2004 | 14.761 |
(* nach Pest und Krieg kehren geflohene Einwohner wieder heim
Ortsteile
Bieber-West
Bieber-West ist ein Ortsteil von Bieber und liegt westlich des alten Ortskerns. 1965 wurde mit der Baulandumlegung begonnen. Zuvor erstreckten sich hier ausgedehnte Streuobstwiesen. Der Ortsteil ist mit moderaten Wohnhochhäusern und Ein- und Zweifamilienhäusern bebaut. Bieber-West ist Standort der 1966 eröffneten Geschwister-Scholl-Schule.
Bieber-Waldhof
Bieber-Waldhof ist ein weiterer Ortsteil von Bieber und liegt zwischen dem Ortskern von Bieber und der Stadt Obertshausen und grenzt an den Lämmerspieler Wald. Das Waldhofgebiet ist in ein Wohngebiet und ein ausgedehntes Industriegebiet unterteilt. Im Industriegebiet haben viele Firmen von Weltruf ihre Niederlassung.
Namensgeber des Ortstteils war der durch Graf Portrellé 1829 erbaute alte Gutshof Waldhof, der hier einst inmitten des Waldes stand. Später kam der Hof durch Erbschaft in den Besitz der landgräflichen Hauptverwaltung zu Rumpenheim. Bomben des 2. Weltkrieges zerstörten den Waldhof am 29. November 1944. Das Waldhofgebiet selbst wurde während des 1. Weltkrieges in seiner heutigen Ausdehnung von russischen Kriegsgefangenen gerodet. Ab 1967 begann die Erschließung des östlichen Waldhofgebietes für die Ansiedlung von Industrie- und Gewebebetrieben. Im Anschluss daran entstand das Wohngebiet.
Politik
Bieber hat keinen Ortsbeirat, aber die Parteien CDU, FDP und SPD haben eigene Orts- bzw. Stadtbezirksverbände in Bieber gegründet. Politischen Einfluß auf die Offenbacher Politik nehmen die Bieberer Bürger über ihre politischen Persönlichkeiten wie den ehemaligen Offenbacher Bürgermeister Josef Petermann sowie zahlreiche Stadtverordnete und Stadträte.
Der letzte frei gewählte Bürgermeister Biebers war Adam Marsch (SPD). Er wurde 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt und durch Fritz Bosche ersetzt. Diesem folgte 1934 - 1936 Wilhelm Perterhänsel, welcher wiederum 1937 durch Wilhelm Kromm aus Nordhessen ersetzt wurde. Kromm schloss mit dem damaligen Offenbacher Oberbürgermeister Dr. Schranz einen Vertrag über die Eingemeindung Biebers ab. Die Inhalte dieses Vertrages wurden bis auf die Eingemeindung bis heute nicht erfüllt. Die Eingemeindung wurde schließlich durch den NS-Gauleiter und Reichsstatthalter von Hessen Jakob Spenger erlassen.
Religion
Bis ins 19. Jahrhundert war Bieber rein katholisch. Überwiegend durch Zuzug kam eine große Anzahl von Protestanten nach Bieber. Die katholische Pfarrei St. Nikolaus ist auch heute noch größer als die evangelische Luthergemeinde in Bieber, obwohl die evangelische Gemeinde Biebers die größte im Dekanat Offenbach ist. Das 1968 eingeweihte katholische Pfarrheim ist das Kommunikationszentrum im Ort. Hier finden im großen Saal die meisten Veranstaltungen statt. Seit 1307 ist die Pfarrei St. Nikolaus eine eigenständige Pfarrei. Vorher gehörte die Pfarrei als Filiale zu Mühlheim. Im 16. Jahrhundert war Bürgel Pfarrkirche der Mutterkirche in Bieber. Die heutige St.-Nikolaus-Kirche wurde 1936 neu errichtet. An ihrer Stelle sind bereits seit dem Jahr 1270 Kirchengebäude nachgewiesen. Das für den heutigen Neubau abgerissene Gotteshaus wurde 1701-1708 neu angelegt und 1878/79 erheblich erweitert. Seit 1982 besteht in Waldhof das Haus St. Hildegard als Gemeindezentrum und Kirchenbau der Pfarrei St. Nikolaus im Ortsteil Waldhof. Die Pfarrei gehört mit dem Dekanat Offenbach dem Bistum Mainz an.
1865 fand der erste evangelische Gottesdienst in einem Dachstuhl statt. 1869 wurde eine kleine Kapelle errichtet (Gustav-Adolf-Kapelle), welche 1935 zu der Lutherkirche in ihrer heutigen Form erweitert wurde. 1869 wurde die evangelische Pfarrei Bieber gegründet, dieser unterstanden die Filialgemeinden Bürgel, Heusenstamm und Mühlheim sowie die Orte ohne eigenen evangelischen Gottesdienst Obertshausen, Rembrücken, Dietesheim und Lämmerspiel. Bis 1923 wurden diese Gemeinden alle von der Bieberer Pfarrei getrennt. Die evangelische Kirchengemeinde Bieber gehört als Teil des Dekanates Offenbach der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an. Weil es im Dekanat Offenbach eine weitere Luthergemeinde gibt, nennt sich die Pfarrei "Evangelische Kirchengemeinde Bieber". In Waldhof und Bieber-West gibt es zusätzliche Gemeindezentren. In Bieber ist auch eine "Chistliche Gemeinde Roseggerstraße" mit ihrem Gemeindezentrum vertreten.
Sehenswürdigkeiten

- Der Bieberer Berg ist eine Erhebung zwischen Bieber und der Stadt Offenbach am Main. Sein Gipfel liegt auf Bürgeler Gemarkung. Dennoch nennt er sich Bieberer Berg, denn der Ort Bieber liegt ihm am nächsten und viele Bieberer Wohngebiete erstrecken sich unmittelbar am und auf dem Berg.
Mit dem Namen unmittelbar verbunden ist das Stadion am Bieberer Berg und der dortige Fußballverein OFC Kickers Offenbach.
- Vom 24 Meter hohen Bieberer Aussichtsturm auf dem Bieberer Berg hat man einen weiten Ausblick bis in den Spessart und auf die Frankfurter Skyline. Obwohl der Turm knapp 10 Meter von der Bieberer Gemarkungsgrenze auf Rumpenheimer Gebiet steht und 1882 vom Verschönerungsverein Offenbach errichtet wurde, trägt er den Namen Bieberer Aussichtsturm - wohl wegen seiner geografischen Nähe zu Bieber und seinem Standort auf dem Bieberer Berg. In den Sommermonaten kann der Turm an Sonn- und Feiertagen bestiegen werden.
- Das Bieberer Amulett ist eine Grabbeigabe, die 1979 in einem Steinkistengrab gefunden wurde. Das Grab hat ein Bauer auf den Bieberer Struthäckern in einem vorgeschichtlichen Gräberfeld gefunden. Das Bieberer Amulett kann im Stadtmuseum Offenbach besichtigt werden.
Veranstaltungen
- Jährlich am Fastnachtssamstag findet der Bieberer Fastnachtsumzug unter reger Beteiligung ortsansässiger Vereine statt.
- Auch beliebt sind die Bieberer Fassenachtssitzungen der KJB (Katholische Jugend Bieber) und der IGBiF (Interessengemeinschaft Bieberer Fassenacht).
- An einem Sonntag im Juni findet der Bieberer Markt auf der Hauptstraße statt. Hier stellen sich Vereine und Geschäfte in alter Bieberer Markttradition vor.
- In den Sommerferien laden die Bieberer Vereine zum Fest der Vereine auf den Ostendplatz.
- Zur Bieberer Kerb am Ostendplatz am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt findet im Pfarrhof von St. Nikolaus ein großes Pfarrfest statt.
- Am Samstag vor dem ersten Advent findet der Bieberer Nikolausmarkt rund um die Pfarrkirche St. Nikolaus statt.
Spezialitäten
- Bekannt sind die Bieberer in der näheren Umgebung für den Bieberer Kartoffelsalat. Dieser ist sozusagen das Bieberer "Nationalgericht". Wobei zu beachten ist, dass der Salat nicht mit Majonäse sondern mit Essig, Öl und Zwiebeln angemacht wird. Aufgrund des Bieberer Kartoffelsalates entstand das alte "Lied vom Bieberer Kartoffelsalat".
- Aufgrund der sehr kalkhaltigen Böden in der Bieberer Gemarkung werden schon seit altersher Äpfel angebaut. Noch heute gibt es in den Bieberer Feldern ausgedehnte Obstwiesen. Daher kommt auch die starke Verbreitung und Beliebtheit des Apfelweines aus Bieber. Auch heute noch gibt es in Bieber einen Getränkehändler und einen Gastwirt, der eigenen Bieberer Apfelwein keltert und verkauft.
- Besonders beliebt sind Bieber "Riwwel- und Quetschekuche". Ersterer ist außerhalb Biebers als Sträußel- letzterer als Zweschgenkuchen bekannt.
- Ansonsten sind normale hessische Gerichte wie "Handkäs mit Musik", "Rippschen mit Kraut" oder "Grüne Soße" etablierte Speisen.
- Aus der Zeit vor dem dreißigjährigen Krieg wird von Weinbau in Bieber berichtet. Davon sind allerdings nur noch alte Flurbezeichnungen geblieben, nach denen die "Wingert-" und die "Weinbergstraße" benannt wurden.