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Taifa-Königreiche

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Als Taifa-(König-)Reiche (spanisch: reinos de taifas) bzw. Taifas (vom Arabischen: طائفة , Transliteration: tā’ifa, übersetzt: „Schar, Gruppe, Partei“; Plural: طوائف , tawā’if) bezeichnet man jene muslimischen Kleinkönigreiche und -fürstentümer in al-Andalus, dem von Muslimen beherrschten Teil der Iberischen Halbinsel, die durch den Zerfall des Kalifats von Córdoba in den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts entstanden waren. Die Taifas wurden schließlich durch die aus Nordafrika kommenden Almoraviden und Almohaden unterworfen und ihren Reichen einverleibt. Da al-Andalus nach dem Ende des Reiches der Almoraviden im 12. Jahrhundert und dem der Almohaden im 13. Jahrhundert erneut in Machtbereiche verschiedener Lokal- und Regionalherren zerfallen war, spricht man in der Geschichtsforschung teilweise auch von den „zweiten Taifas“ und den „dritten Taifas“.

Geschichte

Nachdem Kalif Hischam II. († 1013) im Jahr 1009 gestürzt worden war, setzte auf Grund andauernder Machtkämpfe der schnelle Niedergang des Kalifats von Córdoba ein. Im Verlauf der Kämpfe zwischen den verschiedenen Ethnien, allen voran den in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts aus Nordafrika als Söldner zugewanderten Berbern und der alteingesessenen „arabischen“ Bevölkerung, bei der es sich primär um die Nachkommen der Eroberer des 8. Jahrhunderts und die zum Islam konvertierten Hispano-Romanen (muladíes) handelte, machten sich die einzelnen Reichsteile unter neuen Dynastien selbständig. Es entstanden zunächst bis zu 60 Taifas, die sich in wechselnden Allianzen nahezu permanent bekämpften, sodass nur rund 20 von ihnen längere Zeit Bestand haben sollten. In politischer Hinsicht glich die Iberische Halbinsel in der Zeit der Taifas daher einem sich ständig verändernden Flickenteppich.

Datei:Taifas.gif
Politische Karte der Iberischen Halbinsel im Jahre 1031 (mit den wichtigsten Taifa-Königreichen und anderen Staaten)

Die bedeutendsten Dynastien dieser Zeit waren die Hudiden von Saragossa, die Abbadiden von Sevilla, die Aftasiden von Badajoz, die Dhun-Nuniden von Toledo, die Hammudiden von Málaga, die Djahwaniden von Córdoba und die Ziriden von Granada. Die Amiriden, die Nachkommen Almansors, beherrschten die Ostküste zwischen Almería und Valencia.

Zwar stiegen die Abbadiden von Sevilla bald zum mächtigsten Reich in al-Andalus auf, doch mussten auch sie 1064 die Oberhoheit von Kastilien anerkennen und Tribut zahlen. Als Alfons VI. († 1109) von Kastilien 1085 Toledo eroberte, wandten sich die Kleinkönige um Hilfe an die Almoraviden im heutigen Marokko. Diese besiegten die Kastilier 1086 in der Schlacht bei Zallaqa in der Nähe von Badajoz. Empört über den ihrer Ansicht nach „dekadenten“ Lebensstil und die „Aufweichung“ der Religion, die sie in al-Andalus vorfanden, begannen die Almoraviden, die einen radikalen Islam vertraten, im Anschluss an den Sieg über die Christen mit der Unterwerfung der muslimischen Taifa-Reiche, die 1110 mit dem Sturz der Hudiden von Saragossa abgeschlossen war. Als schließlich 1153 Ramon Berenguer IV. (reg. 1131–1162) das Waliat (= Vizekönigreich) Siurana im heutigen Katalonien eroberte, war auch das letzte Taifa-Reich im Nordteil der Iberischen Halbinsel verschwunden.

Nach dem Zerfall des Almoravidenreiches im 12. Jahrhundert konnte Ibn Mardanisch (reg. 1143–1172) in der Gegend um Valencia ein unabhängiges Reich errichten, das schließlich von den Almohaden unterworfen wurde. Erst im Zuge des Niederganges des Almohadenreiches nach der verlorenen Schlacht bei Las Navas de Tolosa (1212), gelangten mit Ibn Hud († 1237) und den Nasriden andalusische Muslime wieder zur Herrschaft im mittlerweile stark geschrumpften al-Andalus. Sie konnten sich bis zur endgültigen Vertreibung der Mauren von der Iberischen Halbinsel Ende des 15. Jahrhunderts im Königreich Granada behaupten.

Kultur

Auch wenn die Taifas politisch keine große Bedeutung hatten, führte die Konkurrenz unter ihren Herrschern doch zu einem großen kulturellen Aufschwung, vor allem im Bereich der Poesie, Kunst und Wissenschaft. So lebten in dieser Zeit die bedeutenden Historiker al-Udri (1002–1085) aus Granada und Ibn Hayyan (987–1076), sowie der Geograf al-Bakri († 1094). Der Lexikograf Ibn Sida (1007–1066) aus Murcia verfasste zwei große Wörterbücher und wurde dabei von Mudschahid von Denia gefördert. Bei den Medizinern wurde Abu l-Qasim az-Zahrawi († 1010; latinisiert Abulcasis) mit seinem Lehrbuch der Chirurgie berühmt, dem Kitab al-Tasrif, das im 12. Jahrhundert auch von Gerhard von Cremona (1114–1187) ins Lateinische übersetzt wurde. Unter den Astronomen ist Ibn az-Zarqala († 1087) aus Toledo erwähnenswert, der unter dem Namen Azarquiel auch im christlichen Europa bekannt wurde. Weitere bedeutende Männer dieser Zeit waren der Universalgelehrte Ibn Hazm (994–1064), der Dichter Ibn Zaydun (1003–1071), sowie der Dichter und Philosoph Ibn Gabirol (* um 1021; † um 1058), der als Autor von Fons Vitae auch unter dem Namen Avicebron bekannt wurde.

Literatur

  • Georg Bossong: Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-554889.
  • André Clot: Das maurische Spanien. 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus. Aus dem Französischen von Harald Ehrhardt. Albatros, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-96116-5.
  • Ulrich Haarmann, Heinz Halm (Hrsg.): Geschichte der Arabischen Welt. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 2001.
  • Wilhelm Hoenerbach (Hrsg.): Islamische Geschichte Spaniens: Übersetzung der Aʻmāl al-a'lām und ergänzender Texte. Artemis, Zürich/Stuttgart 1970.
  • David Wasserstein: The Rise and Fall of the Party Kings. Politics and Society in Islamic Spain (1002–1086). Princeton University Press, Princeton 1985.

Siehe auch