Coase-Theorem
Das Coase-Theorem (nach Ronald Coase) ist ein Theorem der Volkswirtschaftslehre. Es geht davon aus, dass Teilnehmer eines Marktes Probleme, die durch externe Effekte entstehen, selber lösen können, wenn sie nur über die Allokation von Ressourcen verhandeln könnten und diese ohne Kosten tauschen könnten.
Annahmen
Für das Coase-Theorem ist vorausgesetzt, dass die Verhandlungspartner leicht eine Übereinkunft über die Ressourcenallokation erzielen können. Es wird davon ausgegangen, dass beim Tausch zwischen den Akteuren keine Transaktionskosten entstehen.
Idee
Das Coase-Theorem geht davon aus, dass Märkte unter den gegebenen Annahmen sehr effizient mit Externalitäten umgehen. Demnach sind Märkte in der Lage, die an Externalitäten geknüpften Probleme selbständig auszuräumen und die Ressourcen auf pareto-effizientem Weg aufzuteilen.
Beispiel
Vorüberlegungen
Wir betrachten zwei Nachbarn: Nachbar A hört gerne laute Musik, hat also einen Nutzen. Sein Nachbar B aber ist von der Musik gestört, auf ihn wirken somit externe Effekte des Musikkonsums seines Nachbarn.
Offenbar muss insgesamt abgewogen werden, ob der Nutzen, den A durch das Hören lauter Musik hat die Kosten von B durch die Lärmbelästigung übersteigt. Wäre dies nicht so, so wäre gesamtwirtschaftlich betrachtet ein völliger Verzicht auf das Hören der Musik begründbar.
Recht auf Aktivität

Es sei nun angenommen, dass A ein Anrecht auf das Hören lauter Musik hat.
Angenommen Nachbar A hätte vom Musikkonsum einen Nutzen von 100 €, während B durch den Musikkonsum seines Nachbarn Kosten in Höhe von 200 € trägt. Würde B seinem Nachbarn A nun 150 € bieten, damit dieser auf das Hören der Musik verzichtet, so wären beide besser gestellt, wenn A auf das Angebot einginge: A hätte dann nämlich sogar 150 statt 100 € Nutzen, B hätte nur noch 150 statt 200 € Kosten.
Angenommen A hätte aber durch das Hören seiner Musik einen Nutzen von jetzt 200 €, während B nur 100 € Kosten hätte. B müsste A nun mehr als 200 € bieten, damit er seine Musik abstellt. Dies würde jedoch seine bisherigen Kosten übersteigen. Volkswirtschaftlich gesehen wäre es also effizient, wenn A seine Musik weiterhin hören könnte, da B die nun vergleichsweise geringen Kosten gemessen am Nutzen von A zuzumuten wären.
Verhandlungslösungen schließen auch kontinuierliche Verringerungen der Lautstärke ein. So ließe sich A möglicherweise dazu bewegen, seine Lautstärke beim Hören der Musik von bspw. 100 auf nur 60 Dezibel zu reduzieren, wenn der Transferbeitrag von B dies reizvoll erscheinen lässt. Ein Marktgleichgewicht ergibt sich auch dann, wenn die Kosten der Schallreduzierung (z. B. Schallschutzwand oder Umzug) durch die Prämie des Lärmopfers finanziert werden können.
Recht auf Ungestörtheit

Im bisherigen Szenario wurde angenommen, dass A ein Anrecht auf das Hören von Musik hat, wenngleich er sich natürlich freiwillig auf eine Verhandlungslösung mit B einlassen kann. Wir ändern das Szenario nun ab: Angenommen es wäre nun verboten, laute Musik zu hören. B könnte A nun also dazu zwingen, auf den Musikkonsum zu verzichten. Nun könnte jedoch A analog zu oben B Geld dafür bieten, laute Musik hören zu dürfen. B würde dann auf das Angebot eingehen, wenn A ihm mehr Geld böte als er Kosten durch die Musik hat.
Zwar hat sich nun die rechtliche Stellung der Verhandlungspartner völlig geändert. Es ist jedoch unerheblich, ob A ein Anrecht auf Schädigung hat oder B ein Anrecht auf Unterlassung; durch die Verhandlungslösung entsteht volkswirtschaftlich gesehen auch hier Effizienz.
Transaktionskosten und staatliche Lösung
Eine Verhandlungslösung würde scheitern, wenn Transaktionskosten ihr entgegenstehen würden, etwa weil die Verhandlung nur über teure Anwälte geregelt werden könnte oder aber Sprachbarrieren den Verhandlungen entgegenstehen. Wenn die Kosten für einen Anwalt oder einen Dolmetscher den Nutzen des Vertrages übersteigen, so findet keine Problemlösung statt.
Als Vermittler kann der Staat in die Verhandlungen eingreifen, um diese Transaktionskosten zu senken. Dies ist etwa dann denkbar, wenn sehr viele Gruppen an einer Verhandlung beteiligt sind und der Staat für einige davon Partei ergreift. Auch der Staat generiert unter Umständen gewisse Transaktionskosten, die jedoch unverhältnismäßig sind, da nur noch der Staat als eine Gruppe verhandelt, jedoch für eine Vielzahl bisheriger Gruppen. Der Staat hilft also beispielsweise mehrfach auftretende Informationskosten zentral zu bündeln und sorgt so für Kostenvorteile.
Geschichte
Das Coase-Theorem wurde 1960 von Ronald Coase im Artikel The Problem of Social Cost beschrieben. Die Bezeichnung Coase-Theorem geht auf G. J. Stigler (1966) zurück.
Bewertung
Unter den Voraussetzungen fehlender Transaktionskosten und bei über die Rechtsordnung abgesicherten freien Verhandlungsmöglichkeiten kann mit dem Coase-Theorem eine optimale Lösung erzielt werden, die beispielsweise einer Lösung über die Pigou-Steuer überlegen ist. Der Vergleich der beiden obigen Beispiele zeigt, dass es hierbei sogar unerheblich ist, wie die Eigentumsrechte verteilt sind. Eine Optimalität kommt dennoch zustande.
Bei Vorliegen von Transaktionskosten hingegen kann die optimale Lösung verfehlt werden.
Verteilungswirkungen werden nicht berücksichtigt. So macht es einzelwirtschaftliche für die Aktöre durchaus einen Unterschied, ob ein Recht auf Aktivität oder ein Recht auf Ungestörtheit besteht. Diese distributive Wirkung wird jedoch nicht gewürdigt.
Kritisch sei auch angemerkt, dass Informationsasymmetrien dazu führen können, dass die Marktteilnehmer ihren Nutzen bzw. Schaden falsch einschätzen. Im Sinn der Principal-Agent-Theorie lassen sich derartige Ungleichgewichte von den Verhandlungspartnern ausnutzen, wenn sie strategisch agieren.
Fazit
Das Coase-Theorem zeigt, dass Verhandlungslösungen häufig funktionieren können. Bei Vorliegen von Transaktionslösungen sind staatliche Interventionen denkbar, wenngleich ihr Einsatz genau abgewägt werden sollte.