Rudolf Heberle
Rudolf Heberle (* 3. Juli 1896 in Lübeck; † 20. April 1991 in Baton Rouge, Louisiana, USA) war ein deutsch- US-amerikanischer Soziologe. Als Professor vertrat er die akademischen Fächer der Soziologie und der Bevölkerungswissenschaft und wirkte vor allem im Bereich der Politischen Soziologe in den USA.
Leben
Rudolf Heberle war nach seinem Abitur an einem lübischen humanistischen Gymnasium 1915 Soldat im Ersten Weltkrieg und studierte dann ab 1919 die Staatswissenschaften in Göttingen, Freiburg im Breisgau, Marburg und Kiel. Dort promovierte er 1923 zum Dr. sc. pol. und heiratete die Sozialarbeiterin Franziska Tönnies (* 14. Februar 1900, † 21. Dezember 1997, die Tochter seines akademischen Lehrers Ferdinand Tönnies).[1]
Zunächst als Assistent von Fritz Karl Mann arbeitete er 1923-26 an der Universität Königsberg in Ostpreußen (von dort aus betrieb er auch agrarsoziologische Studien in Litauen), war 1926–29 Research Fellow der Rockefeller Foundation, forschte und lehrte als Privatdozent 1929–38 in Kiel und sah sich (wie viele Schüler seines von den Nazis verfolgten Mentors) 1938 zusammen mit Frau und Sohn (Klaus Hinrich Heberle 1931–1998) zur Emigration in die Vereinigten Staaten gezwungen.
Dort wurde er im gleichen Jahr an die Louisiana State University in Baton Rouge auf einen Lehrstuhl für Soziologie berufen, den er nach dem Zweiten Weltkrieg auch nicht für einen Ruf nach Marburg verließ und bis zu seiner Emeritierung 1963 inne hatte. Danach übernahm er Gastprofessuren an nordamerikanischen Universitäten (Michigan State University, University of North Carolina, Columbia University) und zuletzt in Freiburg im Breisgau. Die Philosophische und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Kiel verliehen ihm je ihren Ehrendoktor.
Der scharfsichtige, menschlich eindrucksvolle und vornehme Gelehrte war 1951 bis 1952 Präsident der Southern Sociological Society und 1966 bis 1967 Vizepräsident der American Sociological Association. Er war bis zu seinem Tod tätig.
Wirken
Heberle war an der Universität Kiel Schüler von Ferdinand Tönnies und übernahm von ihm nicht nur den theoretischen Ansatz, sondern vor allem auch einen starken Impuls zur soziologischen Feldforschung und Soziografie. Aufsehen erregten seine Analysen der sozialen Strukturkonstellationen, welche die frühen Wahlerfolge der NSDAP ausgangs der Weimarer Republik erklärten. Als Emigrant untersuchte er an der Universität von Louisiana den Wandel des ‚alten Südens‘ der USA und wurde vor allem durch seine vergleichende Studien über Massenbewegungen einflussreich. Auch die Tönnies-Rezeption in Nordamerika (die nach 1933 über die deutsche weit hinaus ging) verdankt seinen Schriften und Editionen viel.
Wenn nicht überhaupt "bahnbrechend", so doch bis heute richtungsweisend für jede theoriegeleitete empirische Migrationsforschung und -soziologie sowohl begrenzter "Binnenwanderung" als auch "internationaler Arbeiterwanderung" ist Rudolf Heberles deutsch 1955 veröffentlichte Abhandlung "Theorie der Wanderungen", deren drei zentrale Bereiche: "Arbeitsplätze, Wohnungen oder sexuelle Konkurrenz" sowohl im Kontext mit/als Mechanismen der "sozialer Schließung" (Max Weber) als auch im Zusammenhang mit "fremdenfeindlicher Haltung" bedeutsam sind.
Ausgewählte Publikationen
- Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Schweden, 1925
- Die Deutschen in Litauen, Ausland u. Heimat, Stuttgart 1927
- Über die Mobilität der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten, 1929
- Soziographie, in: Alfred Vierkandt, (Hg.): Handwörterbuch der Soziologie, (1931), Ferdinand Enke, Stuttgart ²1982, ISBN 3-432-91551-9
- Die Großstädte im Strom der Binnenwanderung, 1937
- From Democrazy to Nazism. A Regional Case Study on Political Parties in Germany, (1945, ²1970), ³1971
- The labor force in Louisiana, Louisiana State Univ. Press, Baton Rouge 1948 (dt.: Landbevölkerung und Nationalsozialismus, Dt. Verlagsanstalt, Stuttgart 1963)
- Theorie der Wanderungen. Soziologische Betrachtungen, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Jg. 75, 1955, H. 1, S. 1-23
- Social Movements. An Introduction to Political Sociology, (1951), ²1970 (dt.: Hauptprobleme der Politischen Soziologie, 1967)
- From democracy to nazism, Fertig, New York 1970
- (Hg. mit Werner J. Cahnman:) Ferdinand Toennies on Sociology: Pure, Applied, and Empirical, 1971
Literatur
- Werner J. Cahnmann, Heberle, Rudolf, in: Wilhelm Bernsdorf/Horst Knospe (Hgg.): Internationales Soziologenlexikon, Bd. 2, Enke, Stuttgart ² 1984, S. 342.
- Rainer Waßner, Rudolf Heberle, Fechner, Hamburg 1995
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Rainer Waßner, Persönliche Erinnerungen an Rudolf, Franziska und Klaus Heberle, in: Tönnies-Forum, 1998, H. 1, S.4-6.
Personendaten | |
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NAME | Heberle, Rudolf |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-US-amerikanischer Soziologe |
GEBURTSDATUM | 3. Juli 1896 |
GEBURTSORT | Lübeck |
STERBEDATUM | 20. April 1991 |
STERBEORT | Baton Rouge, Louisiana, USA |