Spin
Für die politische Bedeutung von Spin siehe Spin Doctor. Für die Tanzfigur Spin siehe Tanzfigur.
Der Spin ist ein relativistischer Effekt. Seine Existenz ergibt sich aus der von Einstein proklamierten Vierdimensionalität des Raumes (Hermann Minkowski). Die Rotationseigenschaften der vierdimensionalen Raumzeit führen zu zweidimensionalen Gebilden (Spinoren), die sich von Vektoren dadurch unterscheiden. Dieser Unterschied zeigt sich in der gruppentheoretischen Betrachtung. Einen Vektor führt man in sich selbst über, indem man eine Rotation einer Drehachse um durchführt, während man einen Spinor um drehen muss, um ihn in sich selbst überzuführen.
Der Spin (von engl. spin, Drehung, Drall) ist eine quantenmechanische Eigenschaft von Elementarteilchen, die man sich anschaulich als "Eigendrehimpuls" vorstellen kann. Der Spin verhält sich bei Rotationen des Raumes wie der Drehimpuls, ist jedoch eine intrinsische Eigenschaft von Elementarteilchen, und kann nicht auf klassische Eigenschaften zurückgeführt werden.
Spin, Spinquantenzahl und Spineigenzustand
Ein in der Quantenmechanik durch seine Wellenfunktion (d.h. den Zustandsvektor) gegebenes Objekt wird bei einer (idealen) Messung in einen Eigenzustand mit assoziiertem Eigenwert geworfen, die Eigenwerte sind die möglichen Messwerte. Die Spineigenzustände und -eigenwerte ergeben sich - in Analogie zum quantenmechanischen Drehimpuls - aus den Lösungen der folgenden Eigenwertgleichungen:
Dabei sind und die Spinoperatoren und s und sz die Spinquantenzahl und die magnetische Spinquantenzahl. Man sagt auch vereinfachend, das Teilchen habe den Spin s oder es sei ein Spin-s-Teilchen. Eine wichtige Eigenschaft des Spins ist, dass nur diskrete Werte möglich sind, im Gegensatz zum Drehimpuls aber auch halbzahlige: Ein Teilchen kann einen Spin von 0, von 1/2, von 1 (und so weiter, in Schritten von 1/2) haben.
Die Spinquantenzahl s eines Elementarteilchens ist fest vorgegeben und kann sich nicht ändern. Die möglichen sz-Werte ergeben sich dann zu
Das heißt, dass ein Spin-0-Teilchen nur einen Eigenwert () bzgl. Sz besitzt. Ein Spin-1/2-Teilchen hat zwei Eigenwerte () und allgemein hat ein Spin-s-Teilchen 2s+1 Eigenwerte bzgl. Sz.
Die Zustände des Spins werden durch 2s+1-komponentige Spinoren dargestellt. Statt im Spinorraum wird aber meistens im Spinraum gerechnet. Ein Spinor lässt sich nach den Basisvektoren des Spinraumes entwickeln:
Im Spinraum werden die Spinoperatoren durch Matrizen und die Zustände durch Vektoren dargestellt.
Spin als Erhaltungsgröße
Die Spinquantenzahl s eines Elementarteilchens ist unveränderlich, die Spinausrichtung allerdings nicht. Auch der Gesamtspin eines Systems aus mehreren Teilchen ist keine Erhaltungsgröße, jedoch sein Gesamtdrehimpuls. Wenn also Reaktionen etwa in der Atomphysik beobachtet werden, dann ist die Summe aller Drehimpulseigenwerte vor und nach der Reaktion die gleiche.
Spin und Magnetisches Moment
Der Spin eines Elementarteilchens kann über das mit ihm assoziierte magnetische Moment gemessen werden (Einstein-DeHaas-Effekt). Über dieses magnetische Moment tritt der Spin in Wechselwirkung mit magnetischen Feldern, so dass ein Teilchen je nach Ausrichtung seines Spin in einem Magnetfeld unterschiedliche Energiemengen enthält. Im Atom treten auf diese Weise Wechselwirkungen zwischen Elektron und Atomkern oder zwischen verschiedenen Elektronen auf. Diese Wechselwirkung wird technisch in Kernspintomografen ausgenutzt.
Spin und Statistik
Man gruppiert Elementarteilchen nach ihrem Spin in Bosonen (ganzzahliger Spin) und Fermionen (halbzahliger Spin). Bosonen und Fermionen haben ein unterschiedliches Symmetrieverhalten unter Rotationen: Die Wellenfunktion eines Bosons geht unter einer Rotation von 360 Grad in sich selbst über. Bei einem Fermion entsteht bei einer Rotation um 360 Grad jedoch nicht die identische Wellenfunktion, sondern . Erst bei einer Rotation um 720 Grad ergibt sich .
Dies ist der letztendliche Grund, dass für Fermionen das Pauli-Prinzip gilt. Vertauscht man zwei Fermionen, negiert sich das Vorzeichen der Gesamtwellenfunktion des Systems, während die Vertauschung zweier Bosonen die Wellenfunktion unbeeinflusst lässt. Die Folge ist, dass sich zwei Fermionen nie im selben Zustand aufhalten können, zwei Bosonen hingegen schon. Dem Spin-Statistik-Theorem zufolge gehorchen alle Fermionen der Fermi-Dirac-Statistik, alle Bosonen der Bose-Einstein-Statistik.
Geschichte
Im Zusammenhang mit der Messung von Emissionsspektren von Alkalimetallen wurde der Spin erstmals bemerkt, nämlich durch die Aufspaltung von Spektrallinien in zwei benachbarte Teillinien. Wolfgang Pauli schlug 1924 einen quantenmechanischen Freiheitsgrad, der zwei Werte annehmen kann, für das Elektron vor; hierdurch konnte er die Aufspaltung der Linien erklären und begründen, dass genau zwei Elektronen sich ein Atomorbital teilen (siehe auch Atommodell).
Ralph Kronig, ein Assistent Alfred Landé's, schlug 1925 vor, dieser unbekannte Freiheitsgrad werde von der Eigenrotation des Elektrons hervorgerufen. Aufgrund Paulis Kritik an dieser Idee blieb Kronigs Vorschlag unveröffentlicht.
Im Jahre 1927 formulierte Wolfgang Pauli eine Quantentheorie des Spins für das Elektron. Mit Hilfe der Pauli-Matrizen konnte er Elektronen-Wellenfunktionen als 2-komponentige Spinoren darstellen.
1928 stellte Paul Dirac eine relativistische Bewegungsgleichung für das Elektron auf. Die Dirac-Gleichung beschreibt den halbzahligen Spin und sagte auch ein Antiteilchen des Elektrons voraus, das später nachgewiesene Positron.