Parlament
Parlament (vom altfranz.: parlement = Unterredung; vom franz.: parler = reden) ist die gesetzgebende Versammlung (Legislative) von Vertretern einer administrativen Gebietseinheit (z. B. Europäische Union, Staat, Bundesrepublik, Bundesland, Kanton). Keine Parlamente im staatsrechtlichen Sinne sind insbesondere die deutschen Gemeindevertretungen.
In einer Demokratie werden die Vertreter eines Parlaments durch Wahlen bestimmt, in anderen Regierungsformen finden auch Ernennungen statt.
In demokratischen Staaten übt das Parlament außer der Gesetzgebung auch das Budgetrecht und die Kontrolle der Regierung aus. Abgeordnete haben gegenüber der Regierung und einzelnen Ministern das Recht auf Auskunft und gegebenenfalls zum Misstrauensantrag. Die Regelungen hierzu sind in der Verfassung des jeweiligen Staates und in der parlamentarischen Geschäftsordnung niedergelegt.
Die meisten Parlamente bestehen aus zwei Häusern (Zweikammersystem; die Mitglieder der kleineren Kammern werden vielfach nicht direkt gewählt, sondern von Bundesländern entsandt). Wichtige Organe sind Parlamentspräsident(in) und Stellvertreter, Fraktions-Vorsitzende der Parlamentsparteien und die fachbezogenen Ausschüsse, in denen die Gesetzentwürfe vorbereitet werden.
Man unterscheidet Arbeits- und Redeparlamente: In einem Redeparlament (z. B. Britisches Unterhaus) werden alle politischen Fragen in Diskussionen erörtert, während in einem Arbeitsparlament (z. B. amerikanischer Kongress) ein Großteil der Arbeit in Ausschüssen stattfindet.
Als Parlament im weiteren Sinne werden auch Delegiertenversammlungen internationaler Organisationen bezeichnet, z. B. die Parlamentarische Versammlung der OSZE.
Einzelne Parlamente
Europäische Union
Das Europaparlament ist die Volkvertretung der Bürger der Europäischen Union, es hat jedoch weniger Kompetenzen als nationale Parlamente. Die Mitgliedsstaaten werden legislativ durch den Rat der Europäischen Union vertreten.
Deutschland
Deutsches Parlament auf Bundesebene ist der Bundestag. Häufig wird auch der Bundesrat als Parlament bezeichnet; staatsrechtlich gesehen ist er dies jedoch nicht, wenngleich er Funktionen eines Parlaments wahrnimmt: Er ist lediglich jenes Verfassungsorgan, durch welches die Bundesländer gemäß Grundgesetz-Artikel 50 an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sind. Weitere deutsche Parlamente sind die Länderparlamente. Die letzte Volkskammer der DDR vom 18. März 1990 war ebenfalls ein Parlament im engeren Sinn des Wortes.
Österreich
In Österreich sind es auf nationaler Ebene der Nationalrat als Volksvertretung und der Bundesrat als Vertretung der Bundesländer. (siehe auch: Parlament (Österreich))
Schweiz
In der Schweiz besteht die nationale parlamentarische Ebene ebenfalls aus einem Zweikammersystem mit Nationalrat und Ständerat, die zusammen als Vereinigte Bundesversammlung den Bundespräsidenten, die Bundesräte (Minister) und die Bundesrichter wählen.
Parlamente anderer Staaten
Staat | Parlament | Erste Kammer | Zweite Kammer |
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Afghanistan | Loja Dschirga (Große Ratsversammlung) | ||
Ägypten | Majlis al-Chaab (Volksversammlung) | Majlis ash-Shura (Beratende Versammlung) | |
Albanien | Kuvendi Popullor (Volksversammlung) | ||
Algerien | Barlaman (Parlament) | Majlis al-Chaabi al-Watani (Nationale Volksversammlung) | Majlis al-Oumma (Nationalrat) |
- Algerien - Majlis ech Chaabi al-Watani (APN-Assemblée Populaire National, Nationale Volksversammlung) und Majlis al-Umma (Nationalrat, Oberhaus)
- Andorra - Consell General (Generalrat)
- Angola - Assembleia Nacional (Nationalversammlung)
- Antigua und Barbuda - House of Representatives (Repräsentantenhaus) und Senate (Senat, Oberhaus)
- Äquatorialguinea - Cámara de Representantes del Pueblo (Volksvertreterkammer)
- Argentinien - Cámara de Diputados (Abgeordnetenkammer) und Senado (Senat, Oberhaus)
- Armenien - Azgayin Zhogohv (Nationalversammlung)
- Aserbaidschan - Milli-Meclis (Nationalversammlung)
- Äthiopien - Yehizo Tevekayoch Mekir Bete (Volksrepäsentantenhaus) und Yefedereshein Mekir Bete (Bundeshaus, vertritt Regionen und Volksgruppen, ähnlich dem deutschen Bundesrat)
- Australien - House of Representatives (Repräsentantenhaus) und Senate (Senat, Oberhaus)
- Bahamas - House of Assembly (Versammlungshaus) und Senate (Senat, Oberhaus)
- Bahrain - Majlis al-Nuwwab (Abgeordnetenversammlung) und Majlis al-Shura (Beratende Versammlung, Oberhaus)
- Bangladesch - Jatiyo Shangshad (Haus der Nation)
- Barbados - House of Assembly (Versammlungshaus) und Senate (Senat, Oberhaus)
- Belgien - Kamer van volksvertegenwoordigers/Chambre des Représentants/Abgeordnetenkammer und Senaat/Senat (Oberhaus, hat eine beratende Funktion, Entscheidungsgewalt bei Interessenskonflikten zwischen den regionalen Parlamenten)
- Belize - House of Representatives (Repräsentantenhaus) und Senate (Senat, Oberhaus)
- Benin - Assemblée Nationale (Nationalversammlung)
- Bhutan - Tshogu (Nationalversammlung)
- Bolivien - Cámara de Diputados (Abgeordnetenkammer) und Senado (Senat, Oberhaus)
- Bosnien und Herzegowina - Vijeće Općina (Abgeordnetenhaus) und Vijeće Naroda (Haus der Völker, Oberhaus)
- Botswana - National Assembly (Nationalversammlung) und House of Chiefs (Haus der Häuptlinge, Oberhaus)
- Dänemark - Folketing
- Indien - Lok Sabha und Rajya Sabha
- Island - Althing
- Italien - bestehend aus Abgeordnetenkammer und Senat
- Israel - Knesset
- Nauru - Parliament
- Norwegen - Storting
- Polen - Sejm und Senat
- Russland - Duma
- Schweden - Reichstag
- Timor-Leste - Parlamento Nacional
- Ukraine - Werchowna Rada
- Ungarn - Parlament
- USA - US-Kongress: US-Senat und Repräsentantenhaus
Parlamente abhängiger Gebiete
Funktionen
- Gesetzgebungsfunktion/Legislative Funktion: Eine der Hauptfunktionen von Parlamenten ist der Beschluss von Gesetzen, diese Funktion fällt dem Parlament durch die Gewaltenteilung zu.
- Wahlfunktion: Die Parlamente wählen Personen wie den Parlamentspräsidenten, hohe Richter oder in parlamentarischen Regierungssystemen das Regierungsoberhaupt.
- Kontrollfunktion: Die Parlamente haben oft die Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Dazu verfügen sie über Kontrollrechte wie das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen oder über Geheimdienstaktionen informiert zu werden. Die Kontrollfunktion wird normalerweise vor allem von der Opposition wahrgenommen. Kontrolliert werden Richtung, Effizienz und die Rechtmäßigkeit des Regierungshandelns. Um die Exekutive wirksam kontrollieren zu können ist das Parlament in der Lage, das Regierungsoberhaupt abzuwählen, beispielsweise durch ein konstruktives Misstrauensvotum, oder anzuklagen, wie beim Impeachment.
- Kommunikationsfunktion/Öffentlichkeitsfunktion: Sie lässt sich unterteilen in Repräsentations- oder Artikulationsfunktion, das Parlament soll die in der Öffentlichkeit vorhandenen Auffassungen zum Ausdruck bringen und Willensbildungs- oder Öffentlichkeitsfunktion, nach der das Parlament das Volk informieren soll.
Rechte
- Budgetrecht: Eines der ältesten Rechte von Parlamenten ist das Budgetrecht. Der Haushalt wird als Gesetz verabschiedet und kann auch dazu dienen, die Regierung zu kontrollieren.
- Interpellationsrechte: Um die Kontrollfunktion wahrnehmen zu können haben Parlamente das Recht, Regierungsmitgliedern Fragen zu stellen.
- Selbstauflösungsrecht: So bezeichnet man das Recht eines Parlamentes, sich selbst aufzulösen, so dass es zu Neuwahlen kommt. Nicht jedes Parlament, so auch der Bundestag, haben das Recht zu Selbstauflösung.
Bilder von Parlamentsgebäuden
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Europäisches Parlament, Straßburg
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Kapitol (Parlamentsgebäude der USA), Washington
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Reichstagsgebäude, Berlin
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Österreichisches Parlament, Wien
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Bundeshaus (Schweizer Parlaments- und Regierungsgebäude) in Bern, Südfassade
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Ungarisches Parlament, Budapest
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Italienisches Parlament (Camera dei Deputati), Rom
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Parlament von Grossbritannien, London
Parlamentsgeschichte
Frankreich
Im Frankreich des Ancien Régime wurde mit Parlament ein Gerichtshof bezeichnet, der als eine der ältesten Institutionen des Reiches galt. Das Parlament konnte die königliche Rechtsprechung bestätigen oder auch korrigieren, in dem es, vor allem im 18. Jahrhundert, ein Gesetz zur "remontrance" an den König zurückverwies. Die verschiedenen Kammern der Parlamente wurden nach ihren Jurisdiktionsbereichen unterschieden ("grande chambre", "chambre des enquêtes", "chambre de requêtes", "tournelle criminelle" und auch die "chambre de l'édit" (bis 1685, siehe Wiederrufung des Ediktes von Nantes)). Besonders im 18. Jahrhundert galten die Parlamente als ein Hort der Opposition von Teilen des Adels ("noblesse d'épée" wie auch der "noblesse de robe") als auch von Teilen des dritten Standes gegen einen als despotisch empfundenen Absolutismus, zu dem sich die jansenistische Opposition gegen die Jesuiten und eine ultramontane Kirche gesellte.
Im Königreich Frankreich wurden neben dem ersten und wichtigsten Parlament von Paris noch die Parlamente von Toulouse (1303), Grenoble (1453), Rouen (1499), Aix (1502), Rennes (1533), Pau (1620), Metz (1633), Douai (1686), Dôle (1676), Besancon (1676) und zuletzt Nancy (1775) eingerichtet.
Siehe auch: Parlement
England
Das englische Parlament entwickelte sich aus dem adligen Beraterkreis der normannischen Könige, dem so genannten witan. In ihm waren nicht nur persönliche Vertrauensleute des Königs vertreten, sondern sowohl Hoch- als auch Landadlige und hohe geistliche Würdenträger, die aufgrund ihrer Macht einen Anspruch auf die Mitgliedschaft besaßen. Die Beratung des Königs durch den witan wurde nicht nur als Pflicht seiner Mitglieder, sondern auch als ihr Recht verstanden. Der König war also verpflichtet, den Rat einzuholen. Unter den frühen Normannenkönigen wurden die Parlamente nur jeweils nach Bedarf einberufen, wenn wichtige Themen zu beraten waren. Am 20. Januar 1265 waren erstmals auch niedere Ritter und bürgerliche Vertreter von Grafschaften und Städten zu einem Parlament eingeladen. So entstand das House of Commons, das Unterhaus. Im 14. Jahrhundert nahmen Selbstbewusstsein und Macht des Parlaments zu, ebenso die Zahl der Mitglieder. Das Parlament verstand sich nicht nur als Beratungs-, sondern zunehmend als Kontrollorgan dem König gegenüber. Zudem beanspruchte es die Funktion des obersten Gerichtshofs und vor allem das Recht, Steuern zu bewilligen. Auch die Einberufung war nicht mehr allein vom Willen des Königs abhängig. Die Parlamentsmitglieder konnten zunehmend auch auf eigene Initiative zusammentreten. Allerdings wurde das englische Parlament dadurch zunehmend auch der Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen den Adelsgruppen des Landes.
Zitate
Das Parlament ist im nationalen Zusammenleben das sichtbarste Organ für den Umgang und die Verständigung unter Gleichgestellten. - José Ortega y Gasset (Aufbau und Zerfall Spaniens, 1921)