Pickelhaube
Die Pickelhaube (auch Sturmhaube, französisch casque à pointe) ist ein Militärhelm.

Etymologie und Ursprung
Entgegen landläufiger Meinung ist die Pickelhaube nicht nach der charakteristischen Metallspitze benannt; das Wort hat sich aus dem mitteldeutschen „Beckenhaube“ über „Beckelhaube“ und „Bickelhaube“ zu „Pickelhaube“ entwickelt und bezeichnete im Mittelalter zunächst eine unter dem eigentlichen Helm getragene Blechhaube, aus der dann ein eigenständiger offener Helmtyp ohne Visier entstand, der insbesondere bei Pikenieren und Arkebusieren Verwendung fand.[1] Sappeure trugen bei Schanzarbeiten bis ins frühe 19. Jahrhundert ähnliche Helme.
Der preußische „Helm mit Spitze“

1842 wurde unter König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen für die preußische Armee (mit Ausnahme der Jäger, Schützen, Husaren und Ulanen) ein neuer Helm verordnet, der dann 1843 eingeführt wurde. Im dienstlichen Sprachgebrauch wurde diese Kopfbedeckung nie als „Pickelhaube“, sondern stets nur als „Helm“ bzw. „Helm mit Spitze“ bezeichnet. Er war aus gepresstem Leder mit Metallverstärkungen gefertigt und hatte einen Augen- und Nackenschirm. Charakteristisch war die Metallspitze; sie sollte Hiebe mit Säbeln oder ähnlichen Blankwaffen seitlich ablenken. Bei einigen Regimentern (insbesondere bei der Garde) wurde zur Paradeuniform die Spitze durch einen Haarbusch ersetzt. Bei der Artillerie wurde anstelle der Spitze eine Kugel getragen, da sonst bei der Bedienung der Geschütze das Risiko von Verletzungen bestanden hätte. Die Kürassiere trugen eine Ausführung mit stählerner Helmglocke und tief nach unten gezogenem Nackenschirm.


Bei der Garde du Corps und den Gardekürassieren wurde zur großen Uniform statt der Spitze eine metallene Adlerskulptur getragen. Der metallene Helmtyp wurde später auch von den Teilen der Jäger zu Pferde (Regimenter Nr. 1 bis 7, 8 bis 13 trugen Lederhelme) übernommen, jedoch aus Tombak. Die beiden sächsischen schweren Kavallerie-Regimenter trugen ab 1875 den Kürassierhelm in Gelbmetall (mit weißem Haarbusch zur großen Uniform, ab 1910 beim 1. Regiment zur großen Uniform mit einer Löwenskulptur anstelle der Spitze).
Ob die moderne Pickelhaube wirklich in Preußen erfunden wurde, ist nicht sicher. Der Legende nach sah Friedrich Wilhelm IV. 1842 bei einem Besuch in Russland auf dem Schreibtisch des Zaren das Vorserienmodell einer russischen Pickelhaube und war davon so begeistert, dass er diese Helmform sofort in Preußen einführte, während Russland erst 1846 folgte. Angeblich wurden aber auch bereits vor 1842 bei einer bayerischen Feuerwehr Helme dieses Typs getragen.
Von Preußen ausgehend verdrängte diese Helmform nach und nach bei allen deutschen Staaten andere Helmtypen und den bis dahin üblichen Tschako. 1857 wurde die Helmglocke flacher und bekam ihre heute bekannte, charakteristische Form. Dieses Modell wurde in der Kaiserzeit (ab 1871) von allen deutschen Ländern verwendet und mit einem Messingemblem in Form von Landestier oder Landeswappen getragen. Zudem besaß diese „deutsche“ Pickelhaube zwei Kokarden (eine in den Reichs- und eine in den Landesfarben), die seitlich unter den Ansatzrosetten des Kinnriemens bzw. der Schuppenkette angebracht waren.
1886 gab letztlich sogar Bayern den für sein Heer bis dahin typischen Raupenhelm auf und übernahm die Pickelhaube (wobei in Bayern anders als in den übrigen Bundesstaaten auch bei der Artillerie eine Spitze und kein Kugelaufsatz getragen wurde), auch wenn die bayerischen Generale mit Rücksicht auf Vorbehalte von Prinzregent Luitpold weiterhin den in Bayern üblichen Generalshut trugen.

Den Einsatzbedingungen eines modernen Krieges war das 1895 eingeführte, vorletzte Pickelhaubemodell zu Beginn des Ersten Weltkrieges nicht mehr gewachsen. Die Messingbeschläge reflektierten das Licht und erschwerten die Tarnung des Soldaten im Feld. Als Konzession an die moderne Kriegführung trug man deshalb bereits seit 1892 im Kampf- und Manövereinsatz einen beigefarbenen Helmüberzug mit roter, aufgenähter oder aufgemalter Regimentsnummer. Die meisten Kopfverletzungen im Krieg infolge des gewaltig gesteigerten Artillerieeinsatzes wurden durch Granatsplitter verursacht, gegen die der alte Helm unzureichend Schutz bot. Weiter ragte die Helmspitze oft verräterisch aus dem Schützengraben heraus. Als Übergangslösung ordnete die Oberste Heeresleitung daher 1915 an, die Spitze im Fronteinsatz nicht mehr zu tragen. Beim letzten, bereits während des Krieges hergestellten Pickelhaubenmodell ließ sich die Spitze auf sehr einfache Weise abschrauben, auch der Helmüberzug wurde entsprechend abgeändert. Die Farbe wurde generell feldgrau, die auffällige rote Regimentsnummer entfiel. Um Leder einzusparen, wurde die letzte Generation der Pickelhaube zum Teil auch aus Ersatzmaterialien wie Filz oder Pappe hergestellt. Als verbesserter Kopfschutz wurde dann im Laufe des Jahres 1916 im deutschen Heer der Stahlhelm aus heißgepresstem Chromnickelstahl eingeführt.
Spätere Verwendung

Die Pickelhaube blieb nach dem Weltkrieg teilweise noch bei Polizei und Feuerwehr in Gebrauch. In den 20er Jahren wurde sie häufig von Weltkriegsoffizieren und Kriegervereinsmitgliedern bei Veteranentreffen, Beerdigungen und ähnlichen Gelegenheiten getragen. Auch Hindenburg trug diese Kopfbedeckung bei manchen offiziellen Anlässen noch während seiner Amtszeit als Reichspräsident, z. B. am „Tag von Potsdam“.
Auch in einigen anderen europäischen Ländern, in lateinamerikanischen Staaten und in den USA wurden von einigen militärischen oder polizeilichen Formationen zeitweilig Pickelhauben getragen.
In Chile und Schweden werden Helme in Pickelhaubenform heute noch von Paradeeinheiten bei besonderen Anlässen getragen. Auch der Helm der britischen Bobbies ist eine Abwandlung der ursprünglichen, höheren Version der Pickelhaube. Bei dieser Form wurde jedoch auf das prägende Element, die Spitze, verzichtet. Bei der Paradeuniform der britischen Gardekavallerie ist die Spitze durch den Rosshaarbusch ersetzt.
Symbolische Bedeutung

Die Pickelhaube wird allgemein als ein charakteristisches Symbol des preußisch-deutschen Militarismus betrachtet. Insbesondere im Ausland steht die Pickelhaube mitunter auch heute noch stellvertretend für das Deutsche als solches. So wird sie zum Beispiel bei sportlichen Wettkämpfen von manchen deutschen Fans getragen oder gegnerische Fans stellen „die Deutschen“ mit Pickelhauben dar.
In der Gebärdensprache der Gehörlosen symbolisiert der ausgestreckte, nach oben zeigende und über die Stirn gehaltene Zeigefinger die Pickelhaube und bedeutet deutsch.
Der Dichter Heinrich Heine erwähnt die Pickelhaube ironisch in seinem Epos Deutschland. Ein Wintermärchen:
- Nicht übel gefiel mir das neue Kostüm
- Der Reuter, das muß ich loben,
- Besonders die Pickelhaube, den Helm
- Mit der stählernen Spitze nach oben.
- (...)
- Ja, ja, der Helm gefällt mir, er zeugt
- Vom allerhöchsten Witze!
- Ein königlicher Einfall war's!
- Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze!
- Nur fürcht ich, wenn ein Gewitter entsteht,
- Zieht leicht so eine Spitze
- Herab auf euer romantisches Haupt
- Des Himmels modernste Blitze!
- ↑ Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. Auflage. De Gruyter: 1999.
Literatur
- Ulrich Schiers, Die Verbreitung der Pickelhaube in den deutschen Staaten (Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums im Schloss Rastatt, Reihe 5: Kopfbedeckungen. Band 1), Freiburg 1988
- Laurent Mirouze: Infanteristen des Ersten Weltkriegs Verlag Karl-Heinz Dissberger, Düsseldorf 1990 ISBN 3-924753-28-8
- Hein, Das kleine Buch vom Deutschen Heere, Kiel und Leipzig 1901 (Reprint Augsburg 1998)
Weblinks
- www.Pickelhauben.net – Sammlerseite mit zahlreichen Farbfotos (engl.)
- www.Kaisersbunker.com schöne Sammlerseite mit zahlreichen Farbfotos (engl.)
- www.Pickelhaubes.com – engl. Seite mit Forum
- www.seitengewehr.de - Bilder und Quellen zur deutschen Polizeigeschichte bis 1945. Dabei auch diverse Abbildungen zu den verwendeten Polizei- und Zoll-Helmen.