Turkvölker
Als Turkvölker werden die vor allem im asiatischen Großraum lebenden, Turksprachen sprechenden Bevölkerungsgruppen bezeichnet. Die Bevölkerungsanzahl aller turkstämmigen Nationen, Volksgruppen und Minderheiten dürfte heute etwa 130 bis 150 Millionen betragen. Im 19. Jahrhundert wurden die heutigen Turkvölker vereinfacht nur als „Türken“ oder auch gröber als „türkische Völker“ zusammengefasst. Diese Oberbezeichnungen können heute als irreführend verstanden werden, da es sich dabei nicht um einen Oberbegriff der in der heutigen Türkei lebenden Völker handelt.
Als Alternativbezeichnungen sind auch „Türkvölker“, „Turktataren“, „Turkotataren“, „Turko-Tataren“, „Turk-Mongolen“ und „Turko-Mongolen“ bekannt.
Die ersten turksprachigen nomadischen Bevölkerungsgruppen formierten sich vermutlich in der Altairegion (Zentralasien). Die Kulturen, traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensweisen der Turkvölker sind vielfältig und ihre Geschichte vielschichtig. Heute sind die meisten Angehörigen der Turkvölker Muslime, die Mehrheit wiederum Sunniten. Die im 19. Jahrhundert entstandene moderne politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt, heißt Panturkismus. Die Wissenschaft der Turkologie beschäftigt sich mit den Sprachen, der Geschichte und den Kulturen der Turkvölker.
Die vier Gruppen
Zur groben Einteilung können die Turkvölker in vier Großgruppen zusammengefasst werden:
Die Farbbezeichnungen der Turkvölker
Einige Turkvölker trugen und tragen Bezeichnungen, die sich größtenteils von ihren Bannern und damit ihrer geographischen Situierung herleiten lassen. Am bekanntesten sind die Farben Schwarz und Weiß.
Verlagerte sich das Siedlungsgebiet des jeweiligen Stammes, so änderte dieser vielfach auch die Farbe seiner Banner, um nun auch die neue Lage „farblich“ zu verdeutlichen.
Gegenüberstellung der Farben und ihre Bedeutung
Wort | Grundbedeutung | Himmelsrichtung | Beispiele |
---|---|---|---|
Toguz | Dunkel | Norden, nördlich | Toguz-Oghusen = Nord-Oghusen |
Kök oder Gök | Blau | Norden, nördlich | Gök-Türken = Nord-Türken |
Qara oder Kara | Schwarz | Westen, westlich | Schwarze Hunnen = West-Hunnen |
Aq oder Ak | Weiß | Osten, östlich | Weiße Hunnen = Ost-Hunnen |
Qyzyl oder Kızıl | Rot | Süden, südlich | Kızıl Orda = Süd-Horde |
Saryg oder Sarı | Gelb | Süden, südlich | Sarı-Uyghuren = Süd-Uyghuren |
Altyn oder Altın | Gold | Süden, südlich | Altın Orda = Süd- oder Goldene Horde |
Diese Farbezeichnungen standen also anfänglich für feste geographische Richtungen. Ab dem 10. Jahrhundert kam es zu Bedeutungsveränderungen:
- „Blau“ stand schließlich nicht mehr für den Norden, sondern für den Osten,
- „Schwarz“ wurde nicht mehr als Westen empfunden, sondern stand nun für den Osten,
- „Weiß“ stand nicht mehr für den Osten, sondern symbolisierte nun den Westen,
- „Rost“ wurde nicht mehr als Süden, sondern als Osten angesehen,
- „Gold“ symbolisierte nicht mehr den Süden, sondern den Westen.
Liste moderner Turkvölker
- Adschara
- Afscharen
- Aserbaidschaner oder auch Aseri
- Balkaren
- Baschkiren
- Chaladschen
- Chorassan-Türken
- Gagausen (christlich-orthodoxe Volksgruppe)
- Jurüken
- Karäer oder auch Karaimen
- Karapapaken (auch Terekeme)
- Karakalpaken
- Karatschaier
- Kaschgaier
- Kumyken oder auch Kumüken
- Kasachen oder auch Kasak-Kirgisen
- Kirgisen oder auch Kara-Kirgisen
- Krimtataren oder auch Krimtürken
- Lolos (turkstämmiges Volk in Thailand)
- Mescheten
- Nogaier oder auch Nogaier-Tataren
- Krimtschaken (jüdische Volksgruppe)
- Sibirische Turkvölker
- Altaier oder auch Berg-Oyraten
- Chakassen
- Dolganen
- Jakuten oder auch Sacha (überwiegend christlich-orthodoxe Volksgruppe)
- Schoren
- Tuwiner oder auch Uriangqai (überwiegend lamaistische Volksgruppe)
- Tofalaten oder auch Karagassen
- Tataren
- Tschuwaschen (formal christlich-orthodoxe Volksgruppe)
- Türkei-Türken (selten auch West-Oghusen oder Yörük-Turkmenen)
- Turkmenen (selten auch Ost-Oghusen)
- Uiguren oder auch östliche Tschagataier
- Urum
- Usbeken oder auch westliche Tschagataier
Historische Turkvölker und Stammesverbände
- Turuk
- Hsiung-nu
- Hunnen (Die Hunnen können überwiegend als Turkvolk angesehen werden. In späterer Zeit gingen sie ethnisch in anderen Völkern auf, ohne jedoch ihre Sprache zu verlieren.)
- Agatziren (ein mit den Hunnen verwandtes Volk)
- Tölös (turko-mongolisches Mischvolk)
- Awaren (Die Awaren waren ein Mischvolk, bei dem sprachlich das türkische Element überwog. Die Neu-Awaren leben heute in Dagestan, eine ethnische Kontinuität zu den historischen Awaren ist nicht beweisbar.)
- Proto- oder auch Wolgabulgaren
- Die modernen Bulgaren (siehe Wolgabulgaren) sind aus slawischen und türkischen Bevölkerungsgruppen hervorgegangen. Die ersten Zaren (Khane) der Bulgaren waren turksprachig. Siehe auch: Altbulgarische Sprache
- Turkut
- Göktürken (auch: Kök-Turuk oder Kök-Türken; ab 552 n. Chr.)
- Tardusch
- On-Oq („Zehnpfeiler“)
- Scha-t'o
- Sabiren
- Turkut
- Türgesch
- Yagmar
- Tohsi
- Tschigil
- Jenissei-Kirgisen
- Kerulen-Tataren
- Az
- Oguren
- Oghusen
- Sekiz-Oghusen („Achtpfeiler“)
- Dokuz-Oghusen („Neunpfeiler“)
- Otuz-Oghusen („Dreißigpfeiler“)
- Toguz-Oghusen („Nord-Pfeiler“)
- Üch-Oghusen („Dreipfeiler“)
- Kutriguren
- Utriguren
- Onoguren
- Naimanen
- Merkiten (mongolisiertes Turkvolk)
- Keraiten (mongolisiertes Turkvolk)
- Kimek oder auch Kimak
- Karachaniden
- Kangly
- Petschenegen
- Chasaren, Qasaren oder auch Hazaren
- Polowzer und Kumanen (Teile der ungarisch-sprachigen Székler Rumäniens können möglicherweise als Nachfahren der Kumanen angesehen werden.)
- Seldschuken
- Schwarze Hammel
- Weiße Hammel
- Osmanen: ein von Osman I. (1288–1326) gebildeter Zusammenschluss der kleinasiatischen Turkvölker