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Thomas Middelhoff

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Thomas Middelhoff (2007)

Thomas Middelhoff (* 11. Mai 1953 in Düsseldorf) ist ein deutscher Manager, derzeit Vorstandsvorsitzender der in London ansässigen Investmentgesellschaft Berger Lahnstein Middelhoff & Partners LLP. Er war u.a. Vorstandvorsitzender der Bertelsmann AG und der Arcandor AG (bis Juni 2007 KarstadtQuelle AG).

Studium

Thomas Middelhoff studierte Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und arbeitete danach drei Jahre am Institut für Marketing bei Prof. Heribert Meffert, wo er auch promovierte und Mitglied des Marketing Alumni Münster e.V., einem Ehemaligenverein der Marketingstudenten in Münster, wurde. In dieser Zeit sammelte er erste unternehmerische Erfahrungen durch die Mitarbeit im väterlichen Textilunternehmen.

Middelhoff GmbH

Nach seinem Diplom bekam er eine leitende Position in der väterlichen Middelhoff GmbH und arbeitete dort vorrangig an Auslands-Projekten. Unter anderem war er beim Aufbau eines Produktionsbetriebs in Griechenland beteiligt. 1984 übernahm er offiziell die Leitung von Marketing und Vertrieb sowie Aufbau und Leitung der ausländischen Produktionsstätten der Middelhoff GmbH in Fernost und Griechenland.

Bertelsmann

Mohndruck

1986 wechselte Middelhoff als Assistent der Geschäftsleitung der Graphischen Betriebe Mohndruck in Gütersloh zur Bertelsmann AG. Bereits ein Jahr später wurde er Geschäftsführer der Konzerntochter Elsnerdruck GmbH in Berlin und stieg 1989 zum Geschäftsführer von Mohndruck auf. 1990 wurde Middelhoff Vorstandsmitglied des Bertelsmann-Unternehmensbereiches Druck- und Industriebetriebe. Vier Jahre später wurde er in den Vorstand der Bertelsmann AG berufen und übernahm die Leitung der Zentralen Unternehmensentwicklung sowie die Koordination der Multimedia-Geschäfte von Bertelsmann. In diesen Funktionen hatte Middelhoff maßgeblichen Anteil an der strategischen Neuausrichtung des Konzerns mit verstärkten Aktivitäten in Bezug auf die elektronische Unterhaltung.

Digitale Medien

Middelhoff setzte früh auf das Potenzial der damals neuen digitalen Medien. So tätigte er für Bertelsmann zunächst kleinere Investments u.a. in die Berliner Firma Pixelpark. Später investierte er für Bertelsmann in den damals stark expandierenden Online-Dienst America Online (AOL). Dieses Investment hatte auf Middelhoffs späteren Aufstieg zum Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG einen entscheidenden Einfluss. Middelhoff war von Mai 1995 an Aufsichtsratmitglied von AOL und wurde in dieser Zeit ein enger Freund von Steve Case, dem Gründer von AOL[1]. 1995 ging AOL Europe mit der Bertelsmann AG das Joint Venture AOL Deutschland ein.

Vorstandsvorsitzender

Von November 1998 bis Juli 2002 war Middelhoff Vorsitzender des Vorstandes der Bertelsmann AG. In dieser Zeit baute er die RTL Group auf, heute der größte Betreiber von werbefinanziertem Privatfernsehen und Privatradio in Europa. Er baute die Buchsparte durch den Kauf von Random House zum Weltmarktführer aus, intensivierte das Unternehmen seine Internetaktivitäten, u. a. 1999 durch den Start des internationalen Medienportals BOL (Bertelsmann Online). 2000 beteiligte sich Bertelsmann unter Middelhoffs Führung auf dem Höhepunkt der New-Economy Euphorie an der Musiktauschbörse Napster, ein Deal, der ihm schon damals viel Kritik einbrachte. Bertelsmann verließ das Gemeinschaftsunternehmen AOL-Europe im Sommer 2000 nach der Fusion von AOL mit dem direkten Bertelsmann-Wettbewerber Time Warner und verkaufte den 50-Prozent-Anteil für 7,5 Milliarden Euro - den höchsten Gewinn, der bis dahin in der Geschichte des Internets erzielt worden war. Middelhoff verließ im Rahmen der Trennung auch den Aufsichtsrat von AOL. Die Dotcom-Blase führte zu ersten Turbulenzen. Das nur mäßig erfolgreiche deutsche Portal von Bertelsmann Online wurde 2002 an buch.de verkauft. In seiner knapp vierjährigen Amtszeit konnte Middelhoff trotz einiger Misserfolge den Umsatz der Bertelsmann AG verdoppeln.

Trennung

Die Trennung zwischen Middelhoff und Bertelsmann im Juli 2002 ging auf Differenzen über die zukünftige Strategie des Unternehmens mit Reinhard Mohn, dem "Firmenpatriarchen" der Bertelsmann AG, zurück. Insbesondere strittig war die Frage, ob das Unternehmen an die Börse gebracht werden und sich damit Mittel zur weiteren Expansion beschaffen solle oder seine Entwicklung aus dem cash-flow finanzieren solle. Weitere Streitpunkte waren auch Fragen der Unternehmenskultur. Reinhard Mohn äußerte später enttäuscht in einem Buch [2] „Eitle Manager sind egoistisch und schwer zu beeinflussen“.

Middelhoff erhielt eine Abfindung in zweistelliger Millionenhöhe. Nach seinem Weggang bei Bertelsmann leitete sein Nachfolger Gunter Thielen mehrere Strategiewechsel ein. Unter anderem wurde auch die Einigung mit mehreren Musikkonzernen, die gegen eine Gewinnbeteiligung auf Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen der Musiktauschbörse Napster verzichteten, aufgegeben. Middelhoff hatte Napster mit Krediten unterstützt. Nach seinem Abgang wurde das Unternehmen bewusst in die Insolvenz geschickt, die Klagen gegen Bertelsmann lebten wieder auf und wurden erst 2007 durch Zahlung von dreistelligen Millionensummen endgültig beigelegt.

Investcorp

Im Sommer 2003 wechselte Middelhoff zum Finanzinvestor Investcorp, einer in London ansässigen Private-Equity Beteiligungsgesellschaft. Er war dort verantwortlich für europäische Unternehmensbeteiligungen.

Arcandor

Als Vertrauter von Madeleine Schickedanz wurde Thomas Middelhoff im Juni 2004 als Vorsitzender des Aufsichtsrates der KarstadtQuelle AG bestellt und übernahm im Mai 2005 den Posten des Vorstandsvorsitzenden, nachdem sich KarstadtQuelle in einer existenziellen Schieflage befand.

Middelhoff setzte die Umbenennung in Arcandor AG durch und teilte das operative Geschäft in die drei Kernbereiche Warenhaus (Karstadt), Versandhandel (Primondo) und Touristik (Thomas Cook). Er konnte den Umsatz um ein Drittel auf 21 Milliarden Euro (durch den Ausbau des Touristikgeschäfts 2007) steigern und das Eigenkapital ohne Nettofinanzschulden erhöhen. Bis Ende 2008 sollte der Sanierungsprozess des Unternehmens abgeschlossen sein. Von Kritikern wurde aber bemängelt, dass dies nur durch einen milliardenschweren Verkauf der Warenhausimmobilien an ein von der Deutsche-Bank-Immobilientochter RREEF geführtes Konsortium erreicht wurde. Karstadt sei nach dem Verkauf nur noch Mieter der Warenhäuser und werde in Zukunft deutlich mehr für die Nutzung der Immobilien zahlen müssen. [3] Die monatlichen Mietzahlungen betragen ca. 23 Millionen Euro.[4], die an ein Konsortium aus der Investmentbank Goldman Sachs, der Deutschen Bank, der Immobiliensparte des italienischen Reifenherstellers Pirelli und der Generali-Versicherung sowie an den Oppenheim-Esch-Fonds gehen[4]. Eigentümer nahezu sämtlicher Häuser ist seit 2007 die Immobiliengesellschaft Highstreet. Die Laufzeit der Mietverträge belaufen sich auf 15 Jahre, die gesamten Mietzahlungen summieren sich auf 280 Millionen Euro[5].

Der Aktienwert der Arcandor AG verringerte sich unter Middelhoffs Ägide rapide, von ca. 10 EUR pro Aktie (Mai 2005) auf 1,30 EUR (Februar 2009).

Im November 2007 verschenkte Arcandor ohne Gegenleistung 51% des unprofitablen Online-Versandhauses Neckermann.de an den amerikanischen Finanzinvestor Sun Capital Partners.[6] Neckermann.de sollte später an die Börse gebracht werden, was allerdings bisher nicht geschah. Derzeit hält Arcandor noch eine Minderheitsbeteiligung von 49 % an dem Unternehmen.

Seit 2007 war Middelhoff auch Chairman of the Board (Aufsichtsratsvorsitzender) der Thomas Cook Group plc, des weltweit zweitgrößten Touristikunternehmens, an dem die Arcandor AG 52 % der Anteile hält. Am 1. März 2009 wurde er in seiner Position als Vorstandsvorsitzender der Arcandor AG und der Thomas Cook Group von Dr. Karl-Gerhard Eick, dem ehemaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG, abgelöst. Schon beim Amtsantritt sprach der neue Konzernchef Eick von einer Krise des Konzerns; im Mai 2009 musste Arcandor AG um staatliche Bürgschaften und Kredite bitten, da ansonsten eine Insolvenz unvermeidlich sei.[7].

Am 9. Mai 2009 beantragte Arcandor in Essen die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Am gleichen Tag wurde bekannt, dass die Justizministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Roswitha Müller Piepenkötter, die zuständige Staatsanwaltschaft angewiesen hat, Middelhoffs persönliche Beteiligung am Oppenheim-Esch-Fonds in strafrechtlicher Hinsicht zu überprüfen.

Berger Lahnstein Middelhoff & Partners LLP

Im Februar 2009 gründete Thomas Middelhoff mit Roland Berger und Florian Lahnstein (dem Sohn von Manfred Lahnstein) in London die Investmentgesellschaft Berger Lahnstein Middelhoff & Partners LLP (BLM), deren Chairman Middelhoff seitdem ist. Für den Aufsichtsrat konnten prominente Mitglieder wie Wolfgang Clement, Manfred Lahnstein und Mark Wössner gewonnen werden.

Sonstiges

Middelhoff ist mit einer Architektin verheiratet und hat fünf Kinder.

Er engagiert sich für die Weiterentwicklung der Corporate Governance in Deutschland und fordert eine deutliche Professionalisierung in diesem Bereich. Seit Mai 2006 ist er Unterstützer und Mitglied im Beirat des Instituts für Corporate Governance (ICG) an der Universität Witten/Herdecke. Seit 2008 ist er Vorsitzender des Beirates.

Außerdem ist er seit Mai 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Moneybookers Ltd, einem der führenden Online-Payment-Anbieter Europas mit Sitz in London.

Seit 2003 ist Middelhoff Mitglied im Aufsichtsrat der New York Times Company. Im Juli 2006 übernahm er den Vorsitz im Aufsichtsrat der Senator Entertainment AG.

Seit 2007 ist er Mitglied der von Bundesminister Sigmar Gabriel anlässlich der CBD-COP9 ins Leben gerufenen Naturallianz, die sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzt.

Im Oktober 2007 wurde Middelhoff von der Universität Bayreuth mit dem Vorbildpreis ausgezeichnet. Außerdem wurde er im Januar 2008 zusammen mit Michael E. Porter mit dem Ehrendoktortitel der Handelshochschule Leipzig geehrt. Seit März 2008 sitzt Middelhoff im Hochschulrat der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Im Juni 2009 hat die Staatsanwaltschaft Essen Vorermittlungen gegen Middelhoff wegen des Verdachts der Untreue zu Lasten von seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Arcandor AG, eingeleitet[8].

Einzelnachweise

  1. SpiegelOnline vom 26.01.2000
  2. Reinhard Mohn: Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers. C. Bertelsmann Verlag, 2003
  3. handelsblatt: Verkauf der Karstadt-Immobilien steht
  4. a b manager-magazin, 06.06.2009: Karstadt-Filialen. Arcandor stellt Mietzahlungen ein
  5. Zeit-online, 06.06.2009: Warenhaus-Krise. Arcandor zahlt keine Miete mehr
  6. Süddeutsche Zeitung vom 12.12.2007
  7. Zeit online vom 24.5.2009
  8. Wallstreet-Online: 09.06.2009: Staatsanwalt: Middelhoff kündigt Stellungnahme an

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