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Vinča-Kultur

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sitzende Vinca-Figur, British Museum, London

Die Vinca-Kultur ist eine spätneolithische Kultur, die zwischen 5400 und 4500 in Serbien, West-Rumänien, Süd-Ungarn und im östlichen Bosnien verbreitet war. Sie wurde von Friedrich Holste in die Phasen Vinca A-D eingeteilt. Sie wird durch die Tizapolgár-Kultur des frühen Äneolithikums abgelöst.

Forschungsgeschichte

Die Kultur erhielt ihren Namen von dem Fundort Vinca am Steilufer der Donau bei Belgrad. In dem 12 m hohen Tell wurde seit 1908 von Miloje Vasic (Vassits) Ausgrabungen durchgeführt, 1924-1936 konnten mit finanzieller Unterstützung durch Sir Charles Hyde 3,5 ha ausgegraben werden. Durch die übereinanderfolgenden Siedlungsschichten war es möglich, eine Chronologie der keramischen Entwicklung zu erstellen, allerdings wurde nicht nach archäologischen Schichten, sondern nach 10-20 cm dicken künstlichen Straten gegraben. Da die Oberfläche des Siedlungshügels sicher selten vollständig eben und gleichförmig besiedelt war und zu allen Zeiten Gruben in tiefere Bodenschichten gegraben wurden, fand so eine gewisse Vermischung von Fundmaterial unterschiedlichen Alters statt. Vasic publizierte seine ersten Ergebnisse bereits 1908, in der Folge besuchten zahlreiche Forscher die Ausgrabungen, so Gordon Childe 1926. Childe sah in der Vinca-Keramik deutliche Parallelen zu Funden aus Troja und datierte Vinca daher auf ca. 2700- v. Chr.

In den tiefsten Schichten des Tells (9,3-8m) fand man Starcevo-Keramik. Zusammenfunde von Starcevo- und Vinca-Keramik beschränken sich auf wenige Gruben.


Summenkalibration Radiokarbondaten Vinca, mit Oxcal
  • 9,3-8 m: Starcevo-Keramik
  • 9-8m: Stufe A
  • 8-6 m (darüber Brandschicht): Stufe B, manchmal noch in B1 und B2 unterteilt
  • 6-4,5 m: Stufe C
  • 4,5-3 m: Stufe D

1978 wurden die Grabungen von Nikola Tasic und Gordana Vujovic wieder aufgenommen. Seit 1982 wurden Milutin Garasanin und Dragoslav Srejovic die neolithischen Schichten ausgegraben.


Gordon Childe (1957) unterschied die Phasen Vinca-Tordos (Turdas) und Vinca-Plocnik. Childe sah in der Vinca-Keramik deutliche Parallelen zu Funden aus Troja und datierte Vinca daher auf ca. 2700 v. Chr. V. Milojcic (1949) wollte Vinca aus der ägäischen Frühbronzezeit herleiten und argumentierte mit den scharf profilierten Gefäßformen und der kannelierten Verzierung, die für ihn Vorbilder aus Metall verrieten. Er datierte Vinca auf 2700-2000 v. Chr. Inzwischen liegen einige Radiokarbondaten vor, die eine Datierung ins 5. Jahrtausend ermöglichen. Das Ende der Vinca-Kultur wurde durch Invasionen aus dem Osten (Gimbutas) oder einen Klimaumschwung (Trockenheit) erklärt. Inzwischen nimmt man eher soziale Ursachen an (Chapman).

Keramik

Typisch ist eine sehr qualitätvolle, überwiegend unbemalte Keramik. Die Oberfläche ist meist geglättet und glänzend poliert, teilweise mit Riefen oder Kanneluren verziert. Daneben kommen rechtwinklige Ritzmuster vor. Scharf profilierte bikonische Formen sind häufig. Oft sitzen 2-4 Knubben am Umbruch. Die Stufen von Holste zeichnen sich durch folgende keramischen Merkmale aus:

  • Vinca A: bikonische Schalen und Schüsseln, Becher mit Kragenrand, hohe Fußschalen, oft mit rotem Überzug, doppelkonische Gefäße mit Zylinderhals, eiförmige Töpfe. Verzierung durch Kannelurmuster, geradlinige Ritzmuster
  • Vinca B: Die meisten Formen aus A setzen sich fort. Bei den Verzierungen tauchen nun auch gerundete Ritzmuster auf, sowie mit Stichen gefüllte Bänder.
  • Vinca C: Töpfe mit Spiralriefenverzierung und Mäandermuster mit stichgefüllten Bändern. Ertmals Knopfhenkel und Gefäße mit Ausguß.
  • Vinca D: Gefäßformen ähneln C, nun aber pastose weiße und rote Bemalung mit rektilinearen Mustern.

Tonfiguren zeigen meist stehende Frauen mit großen und vortretenden Augen und einem dreieckigen Gesicht, das von manchen Forschern als Maske gedeutet wird. Diese Gesichtsform findet sich auch bei theriomorphen (tierförmigen) Figuren, wir hätten es also mit maskierten Rindern zu tun. Eine 20 cm lange Maske aus schwach gebranntem Ton wurde 2001 in Uivar gefunden. Menschen- und Tierköpfe aus Ton werden als Giebelzier der Häuser gedeutet. Im jüngeren Vinca kommen auch sitzende Figuren vor. Ferner finden sich menschen- und Tiergestaltige Gefäßdeckel, die meist mit Ritzlinien verziert sind und die selben hervorquellenden Augen wie die Idole zeigen. Auf einigen der Idole finden sich einzelne Ritzlinien, die als Töpfer- oder Besitzermarken gedeutet werden. Einige Forscher wollten daraus eine Frühform der Schrift ableiten. Bereits 1903 hatte Hubert Schmidt versucht, 'Zeichen' aus Tordos über Funde aus Troja aus den ägyptischen Hieroglyphen abzuleiten. Vasic glaubte an einen griechischen Ursprung. Vor der allgemeinen Verwendung der Radiokarbondatierung wurde von Vladimir Milojcic für eine Ableitung dieser angeblichen Schrift (Tontafeln von Tartaria) aus den archaischen Schriftzeichen von Uruk plädiert, inzwischen weiß man, daß diese fast ein Jahrtausend jünger sind. Besonders Vladimir Popovic machte die These einer frühen (serbischen) Hochkultur mit eigener Schrift jedoch populär. Da Schrift gewöhnlich auftaucht, wenn größere Verwaltungsaufgaben zu bewältigen sind (Lagerhaltung und Steuereinziehung), ist es sehr unwahrscheinlich, daß diese einfache Bauernkultur dafür Verwendung besaß.

Stein- und Knochengeräte

Typisch für die Vinca-Kultur sind lange, regelmäßige Klingen. Obsidian aus Zemplen wurde gerne zur Gerätherstellung verwendet. Beile sind insgesamt selten und oft sehr klein. Aus der Vinca-Kultur sind auch Knochenidole und Löffelchen (spatulae) bekannt. Aus diesen werden bandkeramische Knochenidole, wie sie etwa in Niedermörlen gefunden wurden, abgeleitet.

Siedlungen

Die Siedlungen liegen meist auf Tells, die zwischen 3 und 12 m hoch sein können und manchmal durch Grabenwerke befestigt sind (Uivar). Danaben sind aber auch Flachsiedlungen bekannt, wenn auch kaum erforscht. Die rechteckigen, teilweise mehrräumigen Häuser hatten Fußböden aus dünnen Baumstämmen, die mit Estrich bedeckt sind, die Wände bestehen aus lehmverschmiertem Flechtwerk, das vielleicht manchmal plastische Verzierungen trug. In den Häusern befanden sich Herdstellen und Backöfen, die häufig erneuert wurden. Wie das Dach aussah, ist unbekannt, da tragende Pfosten im Hausinneren fehlen, muß es recht leicht gewesen sein und bestand vielleicht aus Holzschindeln oder Rinde. Die Häuser waren entlang von Straßen recht regelmäßig angeordnet.

Bestattungen

Gräberfelder sind bisher nicht bekannt.

Wirtschaft

An Haustieren waren neben dem Hund Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine bekannt. In Liubcova wie in Uivar dominierte das Rind. Auch der Hund wurde scheinbar gegessen, aus Liubcova liegen zahlreiche Knochen mit Schlachtspuren vor. Daneben wurden Rothirsch, Wildesel, Reh, Ur, Biber und einige andere Wildtierarten gejagt, womit ist unklar, Pfeilspitzen aus Silex sind unbekannt. Wichtigste Kulturpflanze war Einkorn, eine primitive Weizenart, daneben wurden auch Emmer , Nacktweizen, Spelzgerste, Erbsen, Linsen und Flachs angebaut. Auch Sammelpflanzen wie Haselnüsse oder Gänsefuß wurden genutzt.

Zinnober-Minen aus der Zeit der Vinca-Kultur sind aus Suplja Stena nachgewiesen. Das Material wurde vermutlich als Farbstoff verwendet.

Interpratation

Die litauische Archäologin Marija Gimbutas rechnete die Vinca-Kultur zu dem sogenannten Alteuropäischen Kulturen, die durch eine angebliche Invasion patriarchalischer "Kurgan-Völkern" aus dem Osten zerstört wertden. Während sich die Thesen von Gimbutas in einigen feministischen Kreisen großer Beliebtheit erfreuen, werden sie von fast allen Archäologen abgelehnt.

Wichtige Fundorte

  • Anza-Begovo
  • Divostin bei Kragujevac
  • Grivac bei Kragujevac
  • Opovo, Ausgrabungen durch Ruth Tringham 1983-1987.
  • Potporanj bei Vrsac
  • Selevac
  • Uivar, Banat, Rumänien, Ausgrabungen durch W. Schier seit 1998
  • Vinca, Serbien
  • Tartaria, Rumänien

Literatur

  • Florin Drasovean, The Vinca culture, its role and cultural connections: International Symposium on the Vinca Culture, its Role and Cultural Connections Timisoara 1995 Bibliotheca historica et archaeologica banatica, Museum Banaticum Temesiense 2 (Timosoara 1996).
  • M. Garasanin, Hronologia vincanske grupe (Beograd 1951).
  • F. Holste, Zur chronologischen Stellung der Vinca Keramik, Wiener Prähistorische Zeitschrift 27, 1939 1-21.
  • W. Schier, Masken, Menschen, Rituale (Katalog Würzburg 2005).
  • Nikola Tasic, Dragoslav Srejovic, Bratislav Stojanovic, Vinca, Centre of the Neolithic culture of the Danubian region (Belgrad 1990).
  • Ruth Tringham et al., Excavations at Opovo, 1985-1987: Socioeconomic Change in the Balkan Neolithic. Journal of Field Archaeology 19, 1992.
  • M. M. Vasic, Preistorijska Vinca II-IV (Beograd 1936).


Die Tisza-Kultur(auch eingedeutscht Theiß-Kultur), benannt nach dem Fluß Tisza war in Ostungarn und Teilen von Kleinpolen im späten Neolithikum verbreitet. Die Kultur nahm Elemente der Bükker Kultur, der Alföld-Linearkeramik und Szákálhat-Kultur auf. Sie sollte nicht mit der folgenden äneolithischen Tiszapolgár-Kultur verwechselt werden.

Stufe Tisza benachbarte Kulturen
I Notenkopf-LBK, Zeliesovce, Sopot, Bükk, Vinca B2absolutes Datum
II (klassisch)Herpály I, II, Lengyel I, Vinca C
III Herpály III, Lengyel II, Vinca D1, Sopot-Lengyel
PrototiszapolgarVinca D2, Sopot III, Lengyel IIIa

Keramik

Typisch sind Gefäße mit senkrechten Wänden und einer Bemalung (schwarz, rot und gelb) mit einem Flechtwerk aus Mäandermustern (Matten- oder Textilmuster). in der frühen Tisza-Kultur wurden Gefäße oft mit Pech bemalt und mit Strohhalmen in geometrischen Mustern beklebt. Im klassischen Tisza kommen bereits unverzierte Gefäße mit glänzend polierter Oberfläche und vielen kleinen Knubben vor, gegen Ende werden Ritzmuster insgesamt selten. Einzelne Häuser konnten 40-50 Gefäße enthalten. Sie enthalten außerdem oft viereckige, mit Ton ausgekleidete Vorratsgruben für Getreide (Fassungsvermögen 700-1200 l).

Die Tisza-Kultur kennt, wie den benachbarte Vinca-Kultur in Serbien, Idolfiguren und Tonaltäre. Auch bikonische Gefäße mit Kegelhals und hohem durchbrochenem Standfuß dienten wahrscheinlich kultischen Zwecken. Die bekannteste Tonfigur, der sogenannte Sichelgott, stammt aus Szegvár-Tüzköves. Es handelt sich um eine sitzende Figur unbestimmten Geschlechts, die vielleicht eine Maske trägt. Eine ähnliche Figur stammt aus Öcsöd-Kováshalom. Selten sind menschliche Figuren aus Marmor oder Bergkristall.

Knochen

Aus Knochen wurden unter anderem Harpunen gefertigt.

Kupfer

Kupfer war bereits bekannt, diente aber vor allem zur Herstellung von Schmuck.

Silex

Typisch war außerdem die Verwendung wolhynischen Kreide-Feuersteins. Seltener wurde Obsidian aus Zemplen verwendet, Importe von Krakauer Częnstochawa-Hornstein, Quarzporphyr und Chalzedon aus dem Mátra-Gebirge sind selten. Es wurden Klingen von beachtlicher Länge hergestellt.

Siedlungswesen

Ein Verbreitungsschwerpunkt dieser Kultur findet sich entlang des Maros und des Körös. Die Größe der Siedlungen liegt zwischen 1-30 ha. Tells finden sich nur südlich des Körös, dies mag klimatische Ursachen haben. An der oberen Theiß waren Zentralsiedlungen wie Mezötúr-Berretyó-part und Öcsöd-Kováshalom, die meist an Flußmündungen liegen, von einem regelmäßigen Netz kleinerer Orte umgeben.

Die rechteckigen Häuser waren oft mehrteilig und wurden Wand an Wand gebaut. Manche Forscher sehen in diesen regelmäßig aufgebauten Siedlungen Anzeichen einer hierarchischen Gesellschaftsstruktur. manche Häuser hatten Stampflehmwände, meist trugen jedoch Spaltholzpfosten das Dach. Sie waren meist NW-SE orientiert und zwischen 7-18m lang. Die wenig stabilen Wände bestanden aus lehmverschmierten Schilf oder Reisig und waren oft bemalt oder plastisch verziert. An den Giebeln wurden Tierköpfe aus Lehm angebracht. Der Fußboden aus lehmbedeckten Brettern. Backöfen und Herdstellen gehörten zu jedem Haus.

Einige größere Häuser, z.B. in Vestö werden als Tempel gedeutet, das ist jedoch umstritten.

Wirtschaft

Es wurde Einkorn, Emmer, Gerste und Flachs angebaut. Im oberen Theiß-Gebiet sind Rinder und Schweine die wichtigsten Haustiere, gefolgt von Ovicapriden. Teilweise haben Siedlungen jedoch bis zu 60% Wildtierknochen, vor allem Auerochse und Wildschwein. Es wird erwogen, daß mit der Jagd auch die Nutztierbestände ergänzt wurden. Schmuck aus Wolfs- und Rehzähnen in den Gräbern verweist ebenfalls auf die Bedeutung der Jagd. Harpunen aus Knochen belegen, daß auch Fisch gefangen wurde. Der weite Handel mit Silex wurde bereits erwähnt, außerdem wurden auch Kupfer und die Schalen der Spondylusmuschel über weite Entfernungen transportiert.

Bestattungen

Hockerbestattungen in Siedlungen (O-W-Orientierung) herrschen vor, nur im mittleren Theißgebiet wurden die Toten in gestreckter Lage bestattet. Als Beigaben dienten Ocker, Perlen und Armbänder aus Spondylus, Tierzähnen, Steinperlen, Silexgeräten, Keramik und manchmal Kupferschmuck. Zu dieser Zeit finden sich aber auch die ersten Friedhöfe außerhalb der Siedlungen.

Wichtige Fundorte

Literatur

  • Florin Drasovean, The Vinca culture, its role and cultural connections: International Symposium on the Vinca Culture, its Role and Cultural Connections Timisoara 1995 Bibliotheca historica et archaeologica banatica, Museum Banaticum Temesiense 2 (Timosoara 1996).
  • M. Garasanin, Hronologia vincanske grupe (Beograd 1951).
  • F. Holste, Zur chronologischen Stellung der Vinca Keramik, Wiener Prähistorische Zeitschrift 27, 1939 1-21.
  • W. Schier, Masken, Menschen, Rituale (Katalog Würzburg 2005).
  • Nikola Tasic, Dragoslav Srejovic, Bratislav Stojanovic, Vinca, Centre of the Neolithic culture of the Danubian region (Belgrad 1990).
  • Ruth Tringham et al., Excavations at Opovo, 1985-1987: Socioeconomic Change in the Balkan Neolithic. Journal of Field Archaeology 19, 1992.
  • M. M. Vasic, Preistorijska Vinca II-IV (Beograd 1936).


Vorgänger:
Szakalhat
Ungarische Vorgeschichte Nachfolger:
Tiszapolgár