Schauerliteratur
Der Schauerroman, auch Grusel- oder Gespenstergeschichte, im englischen auch als Gothic Novel bezeichnet, ist eine Romanform.
Mit The Castle of Otranto schrieb Horace Walpole die erste Gothic Novel und begründete ein neues Genre, das sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts enormer Beliebtheit erfreute. Im Mittelpunkt der Erzählung steht ein Gebäude, die fiktive norditalienische Burg von Otranto, ungefähr zur Zeit der Kreuzzüge. Otranto ist ein labyrinthisches Konstrukt, das im Laufe der Geschichte ein Eigenleben zu entwickeln scheint. Der Protagonist des Romans will vor allem seine eigene Blutlinie erhalten, und schreckt dabei selbst vor Vergewaltigung nicht zurück - hier zeigt sich der Topos der Verbindung von Genealogie und Grundbesitz beim Adel in einer verzerrten Weise.
In "Letters on Chivalry and Romance" beschrieb Richard Hurd die neue Tendenz erstmals als "Gothic Romance", in der er etwas fand, das "peculiarly suited to the views of a genius, and to the ends of poetry" sei. Er untermauerte sein Lob mit einem Beispiel aus der Architektur: "When an architect examines a Gothic structure by Grecian rules, he finds nothing but deformity. But the Gothic architecture has its own rules, by which, when it comes to be examined, it is seen to have its merit, as well as the Grecian".
Der Begriff des "genius" wurde wichtig, denn er war ein kreativer Mensch, der weniger durch Studium und Kultur geprägt war, als vielmehr durch natürlich eingegebenes, unge- und -verformtes Talent. Als eines dieser Talente wurde der gälische Barde Ossian erachtet, dessen Works of Ossian 1765 publiziert wurden, sich im Nachhinein aber als die Produkte desselben James Macpherson herausstellten, der sich als ihr Finder ausgegeben hatte. Ossians vermeintliche Werke waren enorm einflussreich, auch auf dem Kontinent, wo sich Johann Wolfgang von Goethe und Johann Gottfried von Herder Verse im ossianschen Stile hin- und herschickten. Die Sehnsucht nach einem echten nordischen Antikendichter war groß, das Interesse an allem Alten, Dunklen, Unerklärlichen war stark; man begann in den Winkeln der Welt und des Bewusstseins zu stöbern, die das Licht der Aufklärung nicht hatte erhellen können. Es formte sich eine Strömung in der Dichtung, die man die "Graveyard School" nannte, und in der Tat kreisen diese Werke primär um die Motive von Grab, Gruft und Urne - letzteres von Anbeginn der Landschaftsgärtnerei an ein unverzichtbares Accessoire, um mit vergleichsweise wenig Aufwand existentielle Gefühle hervorzurufen.
Spätere Vertreter waren Ann Radcliffe, die von Jane Austen in ihrem Roman Abtei von Northanger (Northanger Abbey) parodiert wurde, sowie Matthew Lewis (The Monk), William Beckford (Vathek), Mary Shelley (Frankenstein), Bram Stoker (Dracula), Sheridan LeFanu. Elemente der Schauergeschichte finden sich auch bei Emily Brontë. Wilkie Collins entwickelte aus dem Schauerroman den Detektivroman.
Siehe auch: Horrorliteratur