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Festung

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Als Festung bezeichnet man besonders starke, permanente Befestigungsbauten, die überwiegend militärischen Zwecken dienen und gegen den Angriff mittels Artillerie eingerichtet sind. Der Begriff "Festung" tritt zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf und löst die ältere Bezeichnung "Veste" (=Burg!) ab.

Die Begriffe Festung, Befestigung, Veste und andere verweisen über das Adjektiv fest auf ihren mittelhochdeutschen Stamm veste und althochdeutschen Stamm festi. Ähnlich verhält es sich mit der lateinischen Form fortis für stark, kräftig, rüstig, die sich in der Fortifikation und dem Fort wieder finden.

Von etwa 1500 bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts besteht eine Mischform aus Burg, Schloss und Festung ("befestigtes Schloss, Palazzo in Fortezza, bastioniertes Schloss" u.ä.), während dann zunehmend eine Aufspaltung dieser Bauformen praktiziert wird.

Die Entstehung der neuzeitlichen Festung

Die Entwicklung in Italien

Bis in das Spätmittelalter hinein hing das Defensivpotenzial einer Burg bzw. einer befestigten Stadt zu einem nicht unerheblichen Teil von der Höhe ihrer Mauern ab. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden aber ausgereifte Kanonen entwickelt, mit denen man die in Relation zu ihrer Stärke recht hohen Burg- und Stadtmauern mit Leichtigkeit zusammenschießen konnte. Besonders deutlich wurde dies in Norditalien, das seit 1494 zum Schauplatz eines französischen Kriegszuges wurde. Die Franzosen setzten dabei neuartige Kanonen ein, die für damalige Verhältnisse äußerst mobil waren und eine recht hohe Feuerrate erreichen konnten. Vor diesem Hintergrund wurde in Italien an der Wende zum 16. Jahrhundert verstärkt an der Konzeption massiverer Befestigungsanlagen gearbeitet. Zudem gingen einige italienische Städte dazu über, ihre mittelalterlichen Mauern durch provisorisch angelegte Befestigungen zu verstärken. Ein relativ effektives Beispiel dafür war der so genannte Pisanische Doppelwall, der aus einem direkt hinter den alten Stadtmauern angelegten Graben und einem mit Holzpfählen verstärkten Wall bestand. Recht bald wurde erkannt, das zum Schutz vor dem Einsturz des Mauerwerks durch Artillerie-Beschuss die Höhe der Mauern deutlich verringert werden musste. Dadurch wurde gegnerischen Truppen die Überwindung der Mauern bei einem Überraschungsangriff erleichtert, weshalb man den Gegner auf Distanz halten musste. Deshalb ersetzte man die mittelalterlichen Türme durch massive Bollwerke, die weit aus den Mauern herausragten. Zusätzlich umgab man die Mauern mit einem Graben. Dieser wurde wiederum von einer Erdaufschüttung (Glacis) umgeben, die feindwärts immer niedriger und schließlich völlig flach wird. Eigene Verteidigungsgeschütze stellte man auf den Wallmauern und in den Bollwerken auf, die sich zu Rondellen oder Basteien (siehe als Idealentwürfe Dürers Befestigungslehre von 1527) weiterentwickelten.

In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts setzte sich gegen die runden Bollwerke die fünfeckige Winkelbastion durch, die den so genannten "Toten Winkel" nahezu völlig ausschaltete. Erste Entwürfe und Umsetzungen dieser Bollwerke gehen wahrscheinlich auf die italienischen Gebrüder Sangallo zurück, die zahlreiche italienische Städte mit neuartigen Befestigungsanlagen versahen. Charakteristisch waren dabei die stark zurückgezogenen Flanken der Bastionen und die Anlage von Retiratas. Bei den Retiratas handelte es sich um bogenförmige Befestigungsanlagen aus Erde, Holz und Faschinen, die im Falle der Erstürmung einer Bastion als zweite Front dienten. Die Befestigungsanlagen wurden aus Mauerwerk oder zumindest aus mit Erde aufgefüllten Ziegelmauern errichtet. Um die völlige Ausschaltung des Toten Winkels zu gewährleisten, wurden die Befestigungsanlagen im Idealfall als regelmäßige Vielecke konstruiert. Besonders beliebt waren Quadrate, Fünf- und Sechsecke. Die Festung besaß Unterkünfte für Mannschaften sowie Lagerräume für Waffen und Munition, so genannte Kasematten.

Die wahrscheinlich im von Kriegswirren geplagten Italien entstandene Befestigungsweise mit niedrigen, massiven Mauern und fünfeckigen Winkelbastionen sollte in Grundzügen bis in das 19. Jahrhundert hinein vorherrschend bleiben.

Niederländische Festungen

Auch in den im 16. Jahrhundert habsburgischen Niederlanden wurde vor dem Hintergrund kriegerischer Auseinandersetzungen die Errichtung neuartiger Befestigungen notwendig. Die Niederländer erhoben sich 1568 gegen die spanische Herrschaft, wodurch ein achtzigjähriger Krieg ausgelöst wurde. Auch die Niederländer erkannten schnell, das ihre mittelalterlichen Stadtmauern der damaligen Artillerie nicht mehr gewachsen waren. Ähnlich wie in Italien ging man zunächst dazu über, hinter den alten Mauern Gräben und Wälle zu errichten. Bald darauf ging man dazu über, nach italienischem Vorbild geformte Bastionen aus Erde vor den Mauern anzulegen. Schliesslich wurden die gesamten Befestigungsanlagen aus Erde errichtet, mit Grassoden bedeckt und von einem tiefen Wassergraben umgeben. Um gegnerischen Truppen den Einsatz von Sturmleitern unmöglich zu machen, rammte man spitze Holzpfähle in die Wälle und Bastionen, die so genannten Sturmpfosten. Zusätzlich umgab man die Wallanlagen mit zahlreichen Außenwerken, womit die Entstehung der niederländischen Befestigungsweise gegen Ende des 16. Jahrhunderts abgeschlossen war. Recht bald wurden derartige Befestigungsanlagen auch außerhalb der Niederlande errichtet, zum Beispiel in Städten wie Hamburg und Danzig. Die Wallanlagen mit ihren massiven Winkelbastionen aus Erde boten einen annähernd so guten Schutz wie Festungen aus Mauerwerk, zudem war ihre Errichtung deutlich weniger kostenintensiv und zeitaufwändig. Der große Nachteil der ohne Mauerwerk errichteten Wallanlagen bestand in ihrer äußerst aufwändigen Instandhaltung. Die zum Großteil aus Erde bestehenden niederländischen Befestigungen waren schlecht für die permanente Nutzung geeignet, so dass man sie eher als weit entwickelte Feldbefestigungen bezeichnen kann. Trotzdem prägten die niederländischen Festungsanlagen durch ihre zahlreichen vorgeschobenen Werke und den geringen Abstand zwischen den Bastionen die weitere Entwicklung des Festungsbaus.

Ein Kennzeichen von Festungsanlagen aus dieser Zeit war deren rasches Altern, denn die Weiterentwicklung der Belagerungswaffen zwang die Festungsbauer zu einer ständigen Anpassung ihrer Bauwerke. Die Konsequenz war eine ständige Bautätigkeit an den meisten Festungen, denn eine sich selbst überlassene Festungsanlage war innerhalb kürzester Zeit hoffnungslos veraltet. Hier zeigte sich ein frühes Beispiel eines Rüstungswettlaufes.

Belagerung von frühneuzeitlichen Festungen

Der Angriff auf eine mit massiven Winkelbasteien versehene Festung war stets eine riskante Angelegenheit, so dass auf Seiten der Angreifer oftmals ein so genanntes Sturmgeld ausgelobt wurde. Um eine Bresche in die Festungsmauern zu schlagen, hoben die Belagerer Gräben aus, in der Regel parallel zu einer der vorderen Seiten einer Bastion. Danach wurden in diesem Graben Geschütze postiert, die sofort ein Deckungsfeuer eröffneten. Nun wurde ein Annäherungsgraben in Richtung der Bastion angelegt, und nach einigen Metern wiederum ein Parallelgraben in dem die Kanonen Schutz fanden. Hatten sich die Belagerer nahe genug an die Bastion herangearbeitet konnten die Kanonen so viel Feuerkraft entfalten, um eine Bresche in die Bastion zu schießen. Doch die Verteidiger bildeten in solch einem Fall meist eine dichte Schützenlinie hinter der Bresche, und sie hielten Körbe mit Schutt, Erde und Holz bereit, um eine Bresche provisorisch schließen zu können. Zudem konnten Angreifer beim Sturm auf eine Bresche von angrenzenden Bastionen unter Beschuss genommen werden. Wenn sich das Schlagen einer Bresche anbahnte, legten die Verteidiger der Festung oftmals eine Retirata hinter der betreffenden Mauerstelle an, wenn eine derartige zweite Front nicht bereits von Anfang an in der Festung vorhanden war.

Der allmähliche Niedergang des Festungsbaus

Die Entwicklung von Geschützen mit immer größerer Feuerkraft und Reichweite führte im 19. Jahrhundert zur Verstärkung der Festungsbauten. Um die eigentliche Festung wurde ein großer Ring aus Forts angelegt, die nun die Hauptlast der Verteidigung übernahmen. Die immer größere Beweglichkeit und Feuerkraft der Armeen führte dazu, das der Bau von Festungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu überflüssig wurde da diese zu leicht umgangen oder zerstört werden können. In den meisten Ländern Europas versuchte man zwischen dem erstem und zweitem Weltkrieg, die eigenen Landesgrenzen durch parallele Festungsanlagen zu schützen. Beispiele für solche Kordon-Stellungen waren die Maginot-Linie oder der Westwall. Der Aufwand zum Bau und zur ständigen Ausstattung mit Soldaten standen allerdings in keinem Verhältnis zum militarischen Erfolg derartiger Festungsanlagen.

In den meisten europäischen Ländern wurde daher der Bau und der Unterhalt von Festungen eingestellt. Nur noch Schweden und eingeschränkt die Schweiz unterhalten heute noch Festungsanlagen.


Siehe auch: Liste von Festungen , Fachbegriffe

Literatur

  • "Siege Warfare: The Fortress in the Early Modern World 1494-1660" von Cristopher Duffy, ISBN 0415146496
  • "Festungsbau -Kunst und -Technik" von Hartwig Neumann, Verlag: Bechtermünz, ISBN 3-8289-0395-9