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Das Kaninchen bin ich

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Film
Titel Das Kaninchen bin ich
Produktionsland DDR
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahre 1965
Länge 118 Minuten
Stab
Regie Kurt Maetzig
Drehbuch Kurt Maetzig,
Manfred Bieler
Produktion DEFA Potsdam Babelsberg
Musik Gerhard Rosenfeld,
Reiner Bredemeyer
Kamera Erich Gusko
Schnitt Helga Krause
Besetzung

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Das Kaninchen bin ich ist ein vom DEFA-Studio für Spielfilme, Gruppe „Roter Kreis“, verfilmte Literaturadaption von Regisseur Kurt Maetzig, die auf dem Roman Maria Morzeck oder Das Kaninchen bin ich von Manfred Bieler basiert. Der Film war bis 1990 in der DDR verboten, da er sich kritisch mit dem Sozialismus, insbesondere mit der Strafjustiz auseinandersetzte.

Handlung

Die Protagonistin Maria Morzeck ist 19 Jahre und arbeitet als Kellnerin. Ihr eigentlicher Traum, Slawistik zu studieren, scheiterte, da ihr Bruder Dieter wegen „staatsgefährdender Hetze“ zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt ist. Sie verliebt sich in Paul Deister, ein wesentlich älterer Mann, der wie sich herausstellt, der Richter war, welcher Dieter verurteilte. Der Prozess fand unter dubiosen Umständen statt, zudem wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Dennoch verwirft Maria die Idee, die Liebe zu Dieters Gunsten zu nutzen, doch sie möchte die ganze Wahrheit erfahren. Nach und nach entpuppt sich Paul als skrupelloser Karrierist, der Menschen und Gesetze nur für sich benutzt. Am Ende verlässt Maria ihn.

Kritiken

„Wenn das damals so öffentlich gesagt und gezeigt worden wäre, dann hätte sich das feudalistische System so nicht fortbilden können, denn die Fragen nach Recht und Gerechtigkeit, der Typus des Scharfmachers und 'Wendehalses', die Mischung aus Duckmäusertum und verstecktem Aufbegehren in der Bevölkerung: das wird da unmissverständlich, radikal und treffsicher an- und ausgesprochen.“

Frankfurter Rundschau (1990)

„Auseinandersetzung mit Politik und Gesellschaft der DDR über den zeitlichen Kontext hinaus. Der Film überzeugt durch ausgezeichnete Darsteller und präzise Dialoge, durch treffenden Humor und klarsichtige Gesellschaftskritik.“

Hintergrund

Der Film setzt sich kritisch mit den „Schwächen“ des Sozialismus (insbesondere der „politischen Strafjustiz“) und steht im Kontext einer vorübergehenden Phase der Liberalisierung nach dem VI. Parteitag der SED im Januar 1963. Die damalige DDR war in einer außerordentlichen Situation, weil der neu gegründete Staat noch im Aufbau war. Der generelle Optimismus in der Filmproduktion beweist, dass die neue Generation sich bereit fühlte, ihre Rolle in der Gesellschaft zu übernehmen. Die Entwicklung einer kritischen Auseinandersetzung wurde zunächst von der SED gefördert. Es entstehen zahlreiche Werke, u.a.: Denk bloß nicht, ich heule, Berlin um die Ecke, Karla, oder auch Spur der Steine.

Das Verbot

Der neue erste Mann in der Sowjetunion Leonid Iljitsch Breschnew verfolgte einen deutlich konservativeren Kurs als sein Vorgänger Nikita Sergejewitsch Chruschtschow. Diese Kursänderung der Sowjetunion hatte natürlich auch Auswirkungen auf die DDR und ihre Kulturpolitik. Im Nachgang des XI. Plenums des ZK der SED 1965 wurden zwölf Filme der DEFA verboten - dieser Wert entspricht fast der gesamten Jahresproduktion. Insofern kann festgestellt werden, dass das XI. Plenum des ZK der SED das Ende des neuen DDR-Films bedeutete. In der Folge wurden alle verbotenen Filme dieser Epoche als „Kaninchenfilme“ bezeichnet.

Kurt Maetzig, der Regisseur des Films, beschreibt die damaligen Umstände wie folgt: "Das Verbot des Films ["Das Kaninchen bin ich"] hing auch nicht mit dem Film selbst zusammen, sondern mit dem Umschwung des allgemeinen Klimas. (…) Das war eine Zeit, wo sich ein Klima gebildet hatte, das nach Veränderung schrie. (…) Dann kam der unsägliche Breschnew, und der machte einen geheim gehaltenen, inoffiziellen Besuch bei der Staatsführung der DDR- man weiß nicht, was dabei besprochen wurde, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er gesagt hat: 'Rückwärts, rückwärts, das geht so nicht. Diese ganzen Tendenzen, die sich hier bei euch ausbreiten von der Ökonomie bis hin zur Kunst, das alles zurück.'" - An anderer Stelle sagt Kurt Maetzig: "Ich war unbeschreiblich enttäuscht, dass ich nicht durchkam mit diesem Film, dessen Premiere schon vorbereitet war, der gelungen war und der für eine Sache stand, die mir so sehr am Herzen lag, nämlich eine Demokratisierung unseres ganzen Lebens, ein Schritt hin zu einem demokratischen Sozialismus. Das war der Kerninhalt. Und das als unmöglich zu erleben, war die größte Enttäuschung überhaupt für mich. (…) Es betrifft alle meine Filme nach dem 11. Plenum, nach dem Kaninchen. Danach habe ich noch irgendwie mit den Flügeln geschlagen und noch dies und jenes zuwege gebracht, aber das war nichts Vernünftiges. (…) Man hat mir wohl das Rückgrat gebrochen und ich wusste dann auch, das ich aufhören muss."

Brigitte Reimann schrieb am 12. Dezember 1965: „Etwas, was mich besonders getroffen hat: ‚Das Kaninchen’ („Das Kaninchen bin ich“, Film von Kurt Maetzig]) ist von den Produzenten zurückgezogen worden, freiwillig, versteht sich, und aus Einsicht. Armer Maetzig. […] Höpcke und Knietzsch vom ND („Neues Deutschland“), die damals so begeistert waren vom ‚Kaninchen’, werden ihr Urteil natürlich vergessen haben.“[1]

Kurt Maetzig versuchte sich im Neuen Deutschland vom 6. Januar 1966 öffentlich zu rechtfertigen: Der Künstler steht nicht außerhalb des Kampfes, Aus dem Diskussionsbeitrag des Genossen Kurt Maetzig vor der Abteilungsparteiorganisation 1 des DEFA- Studios für Spielfilme: „Ich muss also sorgfältig bei mir überprüfen, was eigentlich zu der vernichtenden Kritik auf dem 11. Plenum an diesem Film geführt hat.[Ich meinte], wir müssten die Kunst des sozialistischen Realismus massenwirksamer machen, und fragte mich: Was fehlt denn unseren Filmen, um dieses Ziel zu erreichen?(…) Es war nicht sehr fern liegend, auf die Antwort zu verfallen, dass der kritische Aspekt unserer Filme zu gering sei.(…) Aber gerade in dem kritischen Aspekt, der mir der Stein der Weisen zu sein schien, um näher an das Publikum heranzukommen, lag ein Hauptpunkt des politischen Irrtums. (…) heute drücke sich seine Parteilichkeit insbesondere in seiner Unversöhnlichkeit gegenüber allen Mängeln, Schwächen und Fehlern aus, die den Aufbau des Sozialismus hemmen. Diese Ansicht, Mängel und Schwächen in den Vordergrund zu stellen und hieran die Parteilichkeit des Künstlers zu orientieren, zeigt sich bei näherem Hinsehen als Unsinn. Die Parteilichkeit des Künstlers erweist sich in der Kraft, Leidenschaft und Meisterschaft, mit welcher er mit seiner Kunst am Klassenkampf teilnimmt. Die Abwendung von diesem Prinzip in der Filmkunst führt zu einem unerlaubten Nachgeben längst innegehabter sozialistischer Positionen. Deshalb ist das `Kaninchen` ein schädlicher Film geworden. (…)“

Quellen

  1. Brigitte Reimann, Tagebucheintrag v. 12. Dezember 1965, in: B.R., Alles schmeckt nach Abschied. Tagebücher 1964-1970, Berlin 1998, S.169.
  • Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg.), Spur der Filme, Zeitzeugen über die DEFA, Berlin 2006.
  • Neues Deutschland, 6. Januar 1966.
  • Frankfurter Rundschau 1990.
  • Adge Günther (Hg): Kahlschlag - das 11. Plenum der SED. Studien und Dokumente, 2. erw. Auflg. Berlin, 2000.
  • Mückenberger, Christiane (Hg): Prädikat: besonders schädlich, Filmtexte; Henschel Verlag. Berlin, 1990.