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Hygiene

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Die Hygiene ist die Lehre von der Verhütung der Krankheiten und der Erhaltung und Festigung der Gesundheit bzw. in der Alltagssprache auch ein konkreter Zustand, ähnlich gemeint wie Sauberkeit.

Etymologie

Das Wort Hygiene kommt aus dem Griechischen (υγιεινή [τέχνη], hygieiné [téchne]) und bedeutet "der Gesundheit zuträgliche Kunst". Es leitet sich von der griechischen Göttin der Gesundheit, Hygiéia, ab. Im engeren Sinn werden unter Hygiene die Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten bezeichnet, insbesondere die Reinigung und Desinfektion.

Geschichte

Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Sauberkeit und Desinfektion in der Medizin nicht als notwendig angesehen. So wurden die Operationsschürzen der Chirurgen praktisch nie gewaschen und waren deshalb schwarz, damit die eingetrockneten Blutflecken nicht so auffielen. Medizinische Instrumente wurden vor dem Gebrauch nicht gereinigt. So wurden in einem Pariser Krankenhaus die Wunden von verschiedenen Patienten nacheinander mit dem selben Schwamm gereinigt.

Ignaz Semmelweis gelang in den 1840er Jahren erstmals der Nachweis, dass Desinfektion die Übertragung von Krankheiten eindämmen kann. Als Assistenzarzt in der Klinik für Geburtshilfe in Wien untersuchte er, warum in der einen Abteilung, in der Medizinstudenten arbeiteten, die Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber wesentlich höher war als in der zweiten Abteilung, in der Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden. Er fand die Erklärung, als einer seiner Kollegen während einer Leichensektion von einem Studenten mit dem Skalpell verletzt wurde und wenige Tage später an Blutvergiftung verstarb, einer Krankheit mit ähnlichem Krankheitsverlauf wie dem des Kindbettfiebers. Semmelweis stellte fest, dass die an Leichensektionen Beteiligten bei der anschließenden Geburtshilfe die Mütter zu infizieren in der Lage waren. Da Hebammenschülerinnen keine Sektionen durchführen, kam diese Art der Infektion in der zweiten Krankenhausabteilung nicht vor. Das erklärte die dort niedrigere Sterblichkeit. Semmelweis wies seine Studenten daher an, sich vor der Untersuchung der Mütter die Hände mit Chlorkalk zu desinfizieren. Diese wirksame Maßnahme senkte die Sterblichkeitsrate von 12,3% auf 1,3 %. Das Vorgehen stieß aber bei Ärzten wie Studenten auf Widerstand. Sie wollten nicht wahrhaben, dass sie selbst die Infektionen übertrugen, anstatt sie zu heilen.

Sir Joseph Lister, ein schottischer Chirurg, verwendete erfolgreich Karbol zur Desinfektion von Wunden vor der Operation. Er war zunächst der Meinung, dass Infektionen durch Erreger in der Luft verursacht würden. Eine Zeitlang wurde deshalb während der Operation ein feiner Karbonnebel über dem Patienten versprüht, was wieder aufgegeben wurde, als man erkannte, dass Infektionen hauptsächlich von Händen und Gegenständen ausgingen, die in Kontakt mit den Wunden kamen.

Max von Pettenkofer hatte ab 1865 den ersten Lehrstuhl für Hygiene in Deutschland inne und gilt als Vater der Hygiene.

Weitere bekannte Forscher auf dem Gebiet der Hygiene:

Ökonomisch-soziologische Zusammenhänge

Thomas McKeown hat 1979 den Rückgang der Infektionskrankheiten der letzten 200 Jahre auf Hygiene, bessere Ernährung, Immunität und andere unspezifische Maßnahmen zurückgeführt. Abseits der Industriestaaten hat sich das Muster der Erkrankungen nicht wesentlich verändert, trotz teilweiser Einführung von medikamentösen Behandlungsmethoden. So kann angenommen werden, dass ohne finanzielle und materielle Unterstützung der "dritten Welt" und ohne bessere Lebensbedingungen für den Großteil der Menschheit der Gefahr von Seuchen Vorschub geleistet wird.

In den letzten Jahrzehnten zeichnet sich in den Industriestaaten allerdings ein Trend ab, der zu übermäßiger Hygiene neigt. So werden heute sogar Müllbeutel angeboten, die mit antibakteriellen Mitteln behandelt sind. Dabei weisen wissenschaftliche Studien auf einen Zusammenhang zwischen penibler Hygiene und dem Auftreten von Allergien hin. Durch den verringerten Kontakt mit Keimen besonders während der frühen Kindheit tendiere das Immunsystem dazu, Reaktionen auf eigentlich harmlose Stoffe, wie zum Beispiel Pollen oder Hausstaub zu zeigen.

Eine interessante Studie wurde am Landeskinderkrankenhaus Salzburg durchgeführt. (Doz. Dr. Josef Riedler) Dort konnte wissenschaftlich festgestellt werden, dass Kinder auf Bauernhöfen viel weniger Allergien aufwiesen. Diese Studie wurde in Madrid auf einem Kongress vorgestellt und in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" (Bd. 258, S 1129) publiziert.

Hygienemaßnahmen

Die einfachste Hygienemaßnahme sind das Waschen der Hände mit Seife und die Mundhygiene. Weitere hygienische Maßnahmen

Andere Formen der Hygiene

Bei der Schlafhygiene lernt der Patient, richtig zu schlafen und einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus einzuhalten.

Strahlenhygiene ist ein Begriff des Strahlenschutzes und zielt auf die möglichst weitgehende Vermeidung der Exposition von Mensch und Umwelt durch ionisierende Strahlung.

Psychohygiene bedeutet das liebevolle Umsorgen, das verständnisvolle Gespräch mit emotionaler Wärme und das Vermitteln von Nestwärme bei der Betreuung von Kranken, Behinderten, Kindern, Alten oder Benachteiligten. Dazu zählt auch der Besuch von Angehörigen sowie das Rooming in und das Bonding. Besonders in Krankenhäusern, Kinderheimen und Pflegeheimen wird dadurch den Deprivations-Erscheinungen und dem psychischen Hospitalismus vorgebeugt.

Volkshygiene subsummiert gesundheitspolitische Maßnahmen größeren Maßstabs wie Reihenimpfungen, generelle Impfungen von Kindern oder generelle Jodierung von Speisen sowie die Chlorierung des Trinkwassers in heißen Ländern.

Negativ besetzt ist der Begriff Rassenhygiene aus der Eugenik, der metaphorisch nahelegt, eine (menschliche) "Rasse" oder ein "Volkskörper" könne durch wie auch immer geartete "hygienische" Maßnahmen "rein" gehalten (oder "bereinigt") werden.

Unter politischer Hygiene (eng verwandter Begriff: Political Correctness) versteht man gemeinhin z.B. Rücktritte von Politikern, denen in einer kritischen Öffentlichkeit Fehlverhalten nachgewiesen wurde.

Gedankenhygiene oder Denkhygiene ist ein Begriff bei verschiedenen Motivationstechniken und Methoden des positiven Denkens, der das (angeblich trainierbare) Ausblenden negativer und Hervorheben positiver Denkinhalte bezeichnet, wird gelegentlich aber auch negativ besetzt im Sinne von Gehirnwäsche benutzt.

Verwandte Themen

Literatur

  • McKeown, T.: The role of medicine: Dream, mirage or nemesis? 1979 Blackwell, Oxford
  • Christian Conrad: Krankenhaushygiene damals und heute - was hat sich geändert? Hygiene und Medizin 29(6), S. 204 ff. (2004), ISSN 0172-3790
  • M. Klude, U. Seebacher, M. Jaros: Potenzielle Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Desinfektionsmittel in der Krankenhaushygiene: Eine vergleichende Bewertung. Krankenhaus Hygiene und Infektionsverhütung 24(1), S. 9 - 15 (2002), ISSN 0720-3373
  • A. Nassauer: Die neue Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention - Tradition und Fortschritt. Hygiene und Medizin (29(4), S. 113 - 115 (2004), ISSN 0172-3790