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Interkontinentalrakete

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Datei:Atlas missle launching.jpg
Start einer US-amerikanischen Atlas-A Interkontinentalrakete (1. Generation)
Start einer US-amerikanischen Minuteman II Interkontinentalrakete (2. Generation)
Start einer US-amerikanischen Peacekeeper Interkontinentalrakete (3. Generation)

Als Interkontinentalrakete (en:ICBM: InterContinental Ballistic Missile) wird eine Boden-Boden-Rakete hoher Reichweite bezeichnet. Nach dem raketengetriebenen Start dringt das Projektil in den Weltraum ein, der weitgehend antriebslos (= ballistisch) bis zum Ziel durchflogen wird.

Antrieb

Während die ersten Generation Interkontinentalraketen durchwegs Raketentriebwerke mit teilweise cryogenem Flüssigtreibstoff hatten, ging man mehr und mehr zu lagerfähigen Flüssigtreibstoffen und Feststoffantrieb über. Raketentriebwerke mit Feststoffantrieb haben zwar eine geringere Effizienz, sind jedoch in der Handhabung einfacher und besitzen eine kürzere Reaktionszeit - das Betanken der Rakete entfällt. Moderne Interkontinentalraketen haben teilweise in der letzten Antriebsstufe wieder einen Raketenmotor mit Flüssigtreibstoff, allerdings regelbar. Diese Raketenstufen sind heute durchweg lagerfähig, der Treibstoff lagert dabei über Jahre in der Rakete und muss nicht kurz vor Start getankt werden. Durch die Regelmöglichkeit ist der Flug nicht mehr rein ballistisch und der Flugkörper kann bis kurz vor den Einschlag manövriert werden. Dies verbessert zum einen die Genauigkeit und zum anderen erschwert es die Abwehr, da die Flugbahn nicht mehr deterministisch durch die Gesetze der Ballistik vorgegeben ist.

Reichweite

Beliebige Reichweiten sind möglich - üblich sind Reichweiten bis ca. 15.000 km. Die nicht mehr in Truppendienst befindliche russische Rakete SS-9 hatte in einer ihrer Varianten beispielsweise einen teilorbitalen Sprengkopf, der jeden Punkt der Erde aus jeder Richtung erreichen konnte (FOBS). Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit dieser Raketen werden veraltete Interkontinentalraketen auch zum Start von Satelliten eingesetzt, beispielsweise die russischen Raketen vom Typ SS-19 als Rockot-Trägerrakete.

Sprengkopf

Typen

ICBMs sind ausschließlich mit nuklearen Sprengköpfen bestückt. Hier kommen seit der zweiten Generation fast ausschließlich Mehrfachsprengköpfe zum Einsatz (MIRV), d. h. spätestens beim Wiedereintritt in die Atmosphäre teilt sich die Spitze in mehrere (meist) auf verschiedene Ziele programmierte Gefechtsköpfe. Die sog. Warheads liegen meist bei einer Sprengkraft von hunderten kt. Bei der sowjetischen R-36M (SS-18 Satan) Mod 2 war die Sprengkraft pro Sprengkopf bis zu 1,3 Mt.

Wiedereintrittskapsel

Da Interkontinentalrakten durchwegs einen Großteil der Flugbahn im Weltraum zurücklegen, müssen sie zum Erreichen ihres Zieles wieder in die Erdatmosphäre eindringen. Um nicht zu verglühen, benötigen sie eine wärmeresistente Wiedereintrittskapsel.

Vielfachwiedereintrittskörper

Aus Gründen der Effizienz werden Interkontinentalraketen oft nicht nur mit einem Sprengkopf ausgerüstet, sondern mit mehreren kleinen Sprengköpfen.

Die erste Genration mehrfacher Sprengköpfe war in ihren Fähigkeiten begrenzt. Die Gefechtsköpfe konnten noch nicht voneinander abhängig gesteuert werden (MRV - Multiple Re-Entry Vehicle). So zum Beispiel die SS-9 Mod 4.

Bei späteren ballistischen Trägersystemen wurde schon möglich, Gefechtsköpfe unabhängig voneinander zu steuern(engl. MIRV: Multiple Independently targetable Re-entry Vehicle). Diese Sprengköpfe sind bei modernen Raketen unabhängig voneinander manövrierbar und können innerhalb des Zielgebiets mit meist mehreren hundert Kilometer Durchmesser beliebig platziert werden.

In den 80er Jahren hat die US Navy das System weiterentwickelt. Die MARV (Maneuvering Re-Entry Vehicle) sollte begrenzt manövrierfähig sein und so die Raketenabwehr rund um um Moskau und Leningrad penetrieren können. Als Trägerrakete war die sehr genaue (CEP 120 m) UGM-93B Trident II D-5 geplant. Es wurde jedoch nicht mehr in Dienst gestellt.

FOBS

Bei FOBS (Fractional Orbital Bombardment System) wird der Gefechtskopf in eine niedrige Erdumlaufbahn gebracht, von wo aus er jeden Punkt der Erde auf seiner Flugbahn erreichen kann. Um das System einzusetzen, muss der Gefechtskopf lediglich in der Atmosphäre abgebremst werden. Da die Abbremsung zu jedem beliebigen Zeitpunkt erfolgen kann und die Zeitspanne zwischen der Abbremsung und dem Aufschlag auf der Erde nur wenige Minuten beträgt, ist die Vorwarnzeit sehr gering, was auch zum späteren Verbot dieser Art von Waffen führte. Außerdem flogen diese Geschosse in niedrigeren Höhen, so dass die Entdeckung durch Radarsystemen dadurch erschwert wurde. Die Raketen würden über den Südpol fliegen und die USA vom Süden aus angreifen. Damit umging man das US-Radarnetz das in Richtung Norden ausgerichtet war.

Die Trägerrakete war die sowjetische R-36O (SS-9 Scarp Mod 3). Es wurde im November 1968 voll Einsatzbereit. Es transportierte einen Gefechtskopf mit einer Kraft von 1-3 Mt.

Dieses System wurde allerdings nur für kurze Zeit in Dienst gestellt und war nie in ausreichenden Zahlen verfügbar. Außerdem war es sehr ungenau (CEP bis zu 5 km) und dadurch für den Angriff auf gehärteten Zielen (z.B. Raketensilos) ungeeignet.

Abgrenzung

Im Gegensatz dazu fliegen Kurz- und Mittelstreckenraketen in den unteren Bereichen der Erdatmosphäre, sie haben eine kleinere Reichweite. Die Abgrenzung des Begriffs Interkontinentalrakete zu Begriffen wie Langstreckenrakete, Mittelstreckenrakete, ist uneinheitlich.

Als Besonderheit ist die Möglichkeit zu nennen den Weg zum „Gegner“ durch Überfliegung des Nordpols zu verringern. Aus diesem Grund befinden sich in Alaska Anlagen zur Raketenortung und -abwehr.

Abwehr

Im Allgemeinen wird heute davon ausgegangen, dass Interkontinentalrakten aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit - circa 20-fache Schallgeschwindigkeit - und Flughöhe nur mit nuklear bestückten Abfangraketen abgewehrt werden können. Die US-amerikanischen Bestrebungen zum Bau nicht-nuklearer Abwehrmethoden sind - nach heute allgemeine anerkannter Sichtweise - nur gegen einfache Interkontinentalraketen die über keine Köder (en:Decoy), sonstige Gegenmaßnahmen oder MIRVs verfügen. Beispielsweise chinesischer- (Ausnahme DF-31 CSS-9) oder nordkoreanischer Herkunft geeignet.

Typen

(Kursiv = nicht in Dienst, entweder obsolet, oder noch in der Entwicklung)

USA


UdSSR / Russland

  • landgestützt (Sowjetische Bezeichnung. Defense Intelligence Agency-, Nato-Code in Klammern).
    • R-7 (SS-6, Sapwood)
    • R-9 (SS-8, Sasin)
    • GR-1 (SS-10 Scragg, nicht in Dienst gestellt)
    • R-16 (SS-7 Saddler)
    • R-26 (SS-8 Sasin, Verwechslung mit R-9, nicht in Dienst gestellt)
    • R-36 (SS-9 Scarp)
    • R-36-O (SS-9 FOBS, orbitalfähige R-36)
    • R-36M "Voivode" (en:SS-18 Satan) (verschiedene Versionen)
    • UR-100 (SS-11 Sego)
    • UR-100MR "Sotka" (SS-17 Spanker)
    • UR-100N (SS-19 Stiletto)
    • UR-200 (SS-X-10 Scragg, Verwechslung mit GR-1, nicht in Dienst gestellt)
    • UR-500 "Proton" (nicht in Dienst gestellt)
    • RT-1 (kein Nato-Code vorhanden, nicht in Dienst gestellt)
    • RT-2 (SS-13 Savage)
    • RT-20P (SS-15 Scrooge)
    • RT-21 "Temp-2S" (SS-16 Sinner)
    • RT-2PM "Topol" (en:SS-25 Sickle)
    • RT-2UTTH "Topol-M" (SS-27 en:Topol-M)
    • RT-23 "Molodets" (SS-24 Scalpel)
    • RSS-40 "Kuryer" (Nato-Code SS-X-26 ist obsolet, Projekt wurde aufgegeben)
  • seegestützt

China

  • landgestützt:
    • DF-3 (Projekt wurde aufgegeben)
    • DF-5 (andere Bezeichnung CSS-4)
    • DF-6 (Projekt wurde aufgegeben)
    • DF-22 (andere Bezeichnung DF-14, Projekt wurde aufgegeben)
    • DF-31 (andere Bezeichnung CSS-X-9 bzw. CSS-9 bei Indienststellung)
    • DF-41 (andere Bezeichnung CSS-X-10, geplante Indienststellung 2010)

Nordkorea:

    • No-dong-B (vorläufige Bezeichnung)
    • Taep´o-dong-1
    • Taep´o-dong-2
    • NKSL-1 (Taep´o-dong-1 mit dritter Stufe, kann Satelliten in den Orbit bringen, vorläufige Bezeichnung)
    • NKSL-X-2 (Taep´o-dong-2 mit dritter Stufe, kann Satelliten in den Orbit bringen, vorläufige Bezeichnung)

Großbritannien

  • (seegestützt, U-Boote):

Frankreich

  • (seegestützt, U-Boot):
    • M-1
    • M-2
    • M-20
    • M-4 bzw. M-45 nach Umrüstung
    • M-5 bzw. M-51 nach Umrüstung

Israel

    • Jericho-2 (mit Shavit als 3. Stufe, sonst Mittelstreckenrakete):

Indien

    • Surya (vermutlich in Entwicklung, Status unklar):

Pakistan

    • Tipu (vielleicht in Entwicklung oder Verwechslung mit anderer Rakete)

Abrüstung