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Beschneidung

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Beschneidung (mhd: besnîden „stutzen, zurückschneiden“) bezeichnet einen rituell oder kulturell motivierten Eingriff an den Geschlechtsmerkmalen des Menschen. Sie ist ein bereits in den ältesten Überlieferungen (Höhlenmalereien [1]) vorkommendes Ritual, das sich in vielen Kulturkreisen bis heute in unterschiedlichen Varianten erhalten hat.

Allgemeines

Unter dem Begriff Beschneidung werden verschiedene Formen der Veränderung der menschlichen Geschlechtsmerkmale zusammengefasst, die auf unterschiedlichen historischen, religiösen und kulturellen Hintergründen basieren. Die Bedeutung ist dabei vom Kontext abhängig; so wird unter dem Begriff in aktuellen medizinisch orientierten Werken häufig auf die vorherrschenden Formen der Zirkumzision beim Mann bzw. der Beschneidung weiblicher Genitalien bei der Frau verwiesen [2]. Bei anthropologischen Werken umfasst der Begriff - auch unter der kritischen Bezeichnung "Genitalverstümmelung" - weitere Beschneidungsformen [3][4].

So handeln die frühen Überlieferungen (Höhlenmalereien, >10.000 v. Chr.) von der Zirkumzision beim Mann, spätere Zeugnisse (ägyptische Hieroglyphen, römische und jüdische Schriften, etc.) belegen die Beschneidung von Frauen und Männern. Die Gründe sind kaum bekannt, Überlieferungen beinhalten funktionale (konkrete Differenzierung von Frau und Mann, Erreichung bestimmter Eigenschaften), symbolische (Unterwerfung von Feinden), ästhetische (Reinheit/Schönheit der beschnittenen Person) oder religiöse Gründe (Zugehörigkeit zu einer Glaubensgruppe). Die Beschneidung wird kurz nach der Geburt, in Form einer rituellen Aufnahmehandlung (Initiation) oder an Erwachsenen durchgeführt.

Da die Beschneidung immer nur an den äußeren Geschlechtsteilen vorgenommen wird, kann sie beim Mann zum vollständigen Verlust der Zeugungsfähigkeit führen, bei der Frau zum weitgehenden Verlust der sexuellen Empfindungsfähigkeit ohne direkten Verlust der Gebärfähigkeit. Diese kann jedoch durch die Folgen der Beschneidung, beispielsweise bei dem Vernähen der Schamlippen, mit wesentlichen Risiken für Mutter und Kind behaftet sein. Um die Risiken des Eingriff zu reduzieren, findet verstärkt eine Medizinalisierung des ursprünglichen Ritus statt: Sofern ein Zugang zu Ärzten und Kliniken möglich ist, wird versucht, den Eingriff dort durchführen zu lassen. Während dies bei der männlichen Beschneidungsform der Zirkumzision beispielsweise in den westlichen Industriestaaten häufig toleriert wird, wird dies bei der weiblichen Beschneidung auf Grund der in der Regel weitreichenderen Folgen kaum akzeptiert.

Die verschiedenen Formen der Beschneidung, ihre Motive und Folgen sind - speziell seit Sigmund Freud - ein Thema der Psychologie. [5]

In heutiger Zeit werden im Rahmen der Individualisierung auch im körperlichen Ausdruck alte Formen der Beschneidungen an den Genitalien aufgegriffen und modifiziert, wie die Schamlippenplastik oder die Bifurkation. Korrespondierende Techniken wie Intimpiercings dienen demselben Zweck.

Ausführungen

Beim Mann

Die männliche Beschneidung war bei den Naturvölkern im äquatorialen Bereich weltweit anzutreffen, mit den vorherrschenden Formen der Zirkumzision und der Inzision. Dabei hatten mancherorts unterschiedliche Stämme eines Gebietes klare Präferenzen, in anderen Fällen waren innerhalb eines Stammes unterschiedliche Formen anzutreffen. Ebenso kann eine rituelle Beschneidung aus einer Kombination der im Folgenden beschriebenen Formen bestehen. Eine neuere Untersuchung legt anhand statistischer Daten nahe, dass diese traditionelle Beschneidung auch einen praktischen Nutzen in der Fortpflanzungsselektion hat. [4]

Vorherrschend ist jedoch die Beschneidung in Form der Zirkumzision, da diese die religiös begründete Beschneidung im Islam und bei den Juden (Brit Mila) ist und somit weltweite Verbreitung findet.

Zirkumzision

→Hauptartikel: Zirkumzision

Bei der Beschneidung in Form einer Zirkumzision wird die männliche Vorhaut ringförmig zum Teil oder vollständig entfernt. Die Ursprünge und die Bedeutung sind unklar, eine mögliche Interpretation ist eine rituelle symbolische Opfergabe.

Einschnitt (Inzision)

Bei der Beschneidung in Form eines Einschnitts Inzision wird - im Gegensatz zur Zirkumzision - die Vorhaut ein- oder mehrmals eingeschnitten. Sie erleichtert bespielsweise das Abstreifen der Vorhaut von der Eichel.

Weitergehende Formen ohne Sterilisation

Eine beispielsweise bei den australischen Ureinwohnern praktizierte Form der rituellen Beschneidung war die Subinzision, bei der die Eichel an der Unterseite bis zur Harnröhre aufgeschnitten bzw. 'gespalten' wird.

Sie unterscheidet sich von der Bifurkation, bei der der Penis in unterschiedlichem Ausmaß von der Eichel ab längs geteilt wird. Diese Form hat eher eine Verbreitung in der Body Modification-Szene.

Sterilisation/Kastration

Üblicherweise selten in den Formenkreis der Beschneidungen eingeordnete Eingriffe sind die Sterilisation und Kastration, welche auf die Zeugungsunfähigkeit des Mannes abzielen und ohne direkte äußerliche Folgen bleiben können (wenn z.B. nur die Samenleiter durchtrennt werden). Sie können aber auch andere Formen bis zur kompletten Penis- und/oder Hodenamputation umfassen.

So gibt es Schildungen von Teilamputationen (Sotho [4]) als Initiationsritus oder vollständiger Amputation als religiösem Opfer (Skopzen).

Bei der Frau

In Abgrenzung zu den "westlichen" kosmetischen Formen und medizinisch indizierten Eingriffen befindet sich seit einigen Jahrzehnten die traditionelle, rituelle Beschneidung weiblicher Genitalien, FGC, (auch Verstümmelung weiblicher Genitalien, FGM), welche vor allem bei verschiedenen Ethnien Afrikas praktiziert wird, weltweit in der Kritik. So haben beispielsweise die WHO und UNICEF Programme initiiert, um über die Probleme dieser Rituale aufzuklären, welche vor allem an Mädchen und junge Frauen durchgeführt werden, teils unter Zwang. Je nach Region und Kultur werden dabei alle hier genannten weiblichen Beschneidungsformen angewandt, sodass der Begriff nicht konkret an einen medizinischen Sachverhalt geknüpft ist.

→Hauptartikel: Beschneidung weiblicher Genitalien

Klitorisvorhautbeschneidung

Bei der Beschneidung der Klitorisvorhaut wird diese partiell oder vollständig entfernt. Dies ist die mildeste der weiblichen Beschneidungsformen, ohne negative Folgen für die sexuelle Empfindungsfähigkeit.

Klitorisentfernung

Bei den meisten gängigen Formen der weiblichen Beschneidung wird zumindest die Klitoris entfernt (Klitoridektomie), wobei dies einen massiven Eingriff in die Empfindungsfähigkeit der Frau darstellt. Sie kann in seltenen Fällen aus medizinischen Gründen notwendig sein, der Eingriff wurde aber auch bis in die ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Europa und Nordamerika gezielt zur Dämpfung weiblicher Empfindungsfähigkeit (Verhinderung der als pervers eingestuften Masturbation) im Rahmen der Schulmedizin durchgeführt wurde. [6] [7]

Vernähen (Infibulation)

Bei der, ebenfalls noch verbreiteten, Infibulation genannten Form werden zusätzlich zur Klitorisentfernung noch die Schamlippen zusammengenäht, so dass die Öffnung der Vagina verkleinert wird. Auch dieser Eingriff wurde im Rahmen der Schulmedizin bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch bei Frauen vorgenommen, um diese an der als krankhaft empfundenen Masturbation zu hindern [7]. Heutzutage ist die Infibulation vor allem in Afrika verbreitet.

Kosmetische Formen

Im Rahmen der individualisierenden Körpermodifikation findet sich sowohl die Schamlippenplastik als auch die Beschneidung der Klitorisvorhaut. Hierbei geht es hauptsächlich um das Erreichen eines Schönheitsideals wie möglichst jung erscheinenden Schamlippen oder einer freigelegt sichtbaren Klitoris.

Religiöse Formen

Da die Beschneidung bereits aus der Zeit vor den großen Religionen stammt, findet sie sich in vielen (Teil-)Religionen und Sekten wieder, ohne dass dies unbedingt in der Religion selber begründet sein muss.

Judentum

Im Judentum ist die Beschneidung des Mannes als Brit Mila ein verpflichtender Bestandteil der Religionsausübung.

Islam

Der Koran als Hauptwerk des Islam fordert die Beschneidung des Mannes nicht, diese ist aber - bereits in vorislamischer Zeit praktiziert - trotzdem als überlieferte Sunna anzustrebendes Vorbild für alle Gläubigen. Bei der Beschneidung weiblicher Genitalien handelt es sich ebenfalls um eine nicht auf dem Koran gestützte Tradition, sie wird aber zum Teil durch Schriftenauslegung begründet. Jedoch existieren auch gegenteilige Schriftauslegungen.

Christen

Die Christen praktizieren allgemein die Beschneidung nicht als religiöse Pflicht, jedoch werden auch in christlichen Gebieten Jungen und auch Mädchen aus lokalen kulturellen Gründen beschnitten.

Eine religiöse Bedeutung erlangt die Beschneidung als kirchliches Fest der Beschneidung des Herrn, da Jesus als Jude geboren und daher beschnitten wurde. Dies führte auch im Mittelalter zum Kult um die heilige Vorhaut.

Skopzen

Bei der Sekte der Skopzen gab es zwei Formen der genitalen Verstümmelung sowohl für Frauen als auch für Männer. Im Bestreben, die Fleischlichkeit des Menschen zu überwinden, entfernten sich die Männer die Hoden und evtl. zusätzlich den Penis, bei den Frauen wurden die Klitoris beschnitten und evtl. zusätzlich die Brüste entfernt.

Literatur

Ad. E. Jensen: Beschneidung und Reifezeremonien bei Naturvölkern, Strecker und Schröder, Stuttgart, 1933

Quellen

  1. Universität Mainz, Vorlesung zur Beschneidung, S.25
  2. Pschyrembel, 261. Aufl. "Beschneidung -> Zirkumzision, Kliteridektomie"
  3. "Beschneidung" im Deutschen Koloniallexikon
  4. a b c Christopher Wilson:Male genital mutilation: an adaptation to sexual conflict, 2007. Zusammenfassender Artikel online
  5. u.a. Kersten Reich: Symbolische Wunden, Bruno Bettelheims Relativierung des Ödipuskomplexes
  6. Petra Schüll / Terre des femmes (Hg.): Weibliche Genitalverstümmelung - Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. Textsammlung. Göttingen 1999
  7. a b Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung: Diskussion und Praxis in der Medizin während des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum, Göttingen 2001, Zusammenfassender Artikel online