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Gonzalo Rubalcaba

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Gonzalo Rubalcaba' (* 27. Mai 1963 in Havanna) ist ein kubanischer Jazzpianist. „die Rache des real existierenden Sozialismus an Keith Jarrett“ (Rezension zu „The Blessing“)

"His ideas don't stop", sagt Charlie Haden über Gonzalo Rubalcabas künstlerischen Ausdruck. Wahrhaftig, so wie er die ganze Welt in sich hineinzuschlürfen scheint, so sprudelt es wieder aus ihm heraus. Motivisch kraftvoll, frei von technischen Fesseln erzählt der kubanische Jazzvirtuose nie gelesene Geschichten, malt unerhörte Bilder, schafft berauschende Klanggedichte. Neben spektakulären Cuban-Jazz-Rock Projekten gehört das klassische Klaviertrio zu seinen großen Leidenschaften: der Live-Mitschnitt Discovery (Montreux 1991) mit Charlie Haden und Paul Motion öffnete dem damals 27-Jährigen den Weg zu einem größeren internationalen Jazzpublikum.

Kindheit und Jugend

Gonzalo Julio Gonzalez Fonseca wurde am 27.Mai 1963 in Havanna geboren. Während seiner Kindheit wurde Gonzalo schon mit dem kubanischen musikalischen Erbe konfrontiert. Sein Großvater Jacobo Rubalcaba komponierte u.a. die traditionsreiche Prozessionshymne 'El Cadete', Innerhalb seiner Familie gab es viele persönliche Kontakte, vornehmlich durch seinen Vater, Guillermo Rubalcaba Gonzales, der einer der Pianisten des alten Kuba ist und in den vergangenen Jahren mit dem Buena Vista-Boom hoch betagt noch mal die Welt bereist hat. So hatte Gonzalo das Glück, viele führende Musiker Kubas kennen zu lernen, Freunde seines Vaters, die öfters zu Proben in das Haus kamen oder, um einfach nur über Musik zu sprechen: Frank Emilio, Peruchin, Felipe Dulzaides u.a. Im Alter von sechs Jahren wollte Gonzalo Schlagzeug lernen und mit acht schickte ihn seine Mutter auf eine Musikschule, doch der Prüfer meinte beim Aufnahmetest, er besitze zu wenig Rhythmusgefühl. Schließlich wurde er doch aufgenommen, aber er hatte noch nicht das richtige Alter um Percussion zu lernen – so musste er sich bis dahin zwischen Klavier und Geige entscheiden, welche ihn überhaupt nicht interessierten. Letztlich überzeugte ihn seine Mutter, Klavier zu lernen. Die Unterrichtskonzepte waren sehr konservativ und ausschließlich klassisch, was aber auch den Vorteil einer fundierten technischen Ausbildung mit sich brachte und damit viele Werkzeuge für das spätere Musikmachen bereitstellte. Gleichzeitig beeinflusste ihn aber auch die populäre kubanische Musik, in der es Möglichkeiten gab, zu improvisieren - ein wenig von seinen eigenen musikalischen Ideen einfließen zu lassen. Als er auf die „Mittelschule“ - das Amadeo Roldan Conservatorium wechselte, traf er auf einige Kollegen, die schon auf verschiedenen Instrumenten gut improvisieren konnten und er erkannte, das ihn diese Musik immer mehr in ihren Bann zog. Mit dem Jazz kam Rubalcaba das erste Mal mit 13 Jahren in Berührung, Die Möglichkeiten waren damals sehr begrenzt, es war schwierig, an Musik aus den USA zu gelangen, es existierten nur Aufnahmen aus den Zeiten vor der Revolution – also aus den 40ern, 50ern und wenige aus den frühen 60ern. Durch ein paar alte Platten und durch eine Jazz-Sendung, die Mo-Fr eine halbe Stunde lang im Radio lief, lernte er einiges von Monk, Herbie Hancock, Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Bill Evans, Dave Brubeck, Art Tatum oder Oscar Peterson kennen. Das 1.Mal verreiste Rubalcaba außerhalb Kubas 1980 - mit 17 Jahren - nach Panama und Kolumbien, dann tourte er 1983 mit der berühmten Salsakapelle Orquesta Aragon nach Afrika und Paris. Diese Auslandsaufenthalte boten die Möglichkeit, neue Informationen zu erhalten darüber, was momentan in der Welt passierte.

Karriere

1983 erhielt er seinen Abschluss in Komposition in der Kunsthochschule Havanna. Gonzalo Rubalcaba spielte bald mit allen Größen der immer wieder aufs Neue fruchtbaren kubanischen Musikszene, begann den Jazz zu lieben und jammte gleichzeitig mit den kubanischen Pop- und Jazz-Stars der 80er, mit Los van Van und Irakere. 1985 stellte er seine eigene Formation Grupo Projecto auf dem North Sea Festival und dem Jazzfest Berlin vor, mit der er an einer atemberaubenden Fusion aus Jazzrock, Bop und dem kubanischen Son arbeitete, eine Band, die in ihren Grundzügen heute noch besteht und arbeitet. Seine ersten Aufnahmen machte er in den Egrem-Studios in Havanna Anfang bis Mitte der 80er Jahre ( u.a. „Inicio“ – ein Solopiano-Album und „Concierto Negro“). Dizzy Gillespie war der erste amerikanische Musiker, zu dem er Kontakt hatte. Als dieser 1985 zum Jazzfestival nach Havanna kam, hatte Rubalcaba Gelegenheit, sehr eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Gillespie war sich sehr der Wichtigkeit der kubanischen Musik für den Jazz bewusst - schon seit den 40er Jahren. Er war sehr daran interessiert, was die Musiker aus Kuba und Südamerika damals machten und stellte eine Art Brücke für die kubanische Musik nach Amerika dar. Darüber hinaus war er der erste, der Rubalcaba in den USA erwähnte. Anfang 1986 begann Rubalcaba, bei Messidor in Frankfurt aufzunehmen und veröffentlichte drei fantastische Alben für dieses Label mit seinem Cuban Quartett: „Mi Gran Pasion“, „Live in Havana“, and „Giraldilla“. Diese Aufnahmen zeigen schon sein ungestümes Temperament, seine unglaubliche Virtuosität und, dass er zu diesem Zeitpunkt schon vom Jazz beeinflusst war, aber er selbst bezeichnet seine Jahre bei Messidor als seine Lehrjahre. Die Jazz-Elemente waren damals zwar schon Teil seiner Musik, nur arbeitete er noch mit mehr Perkussion, Rhythmik – mehr Elementen der afrokubanischen Tradition.

1986 überzeugte Gonzalo Rubalcaba mit seinem Auftritt auf dem Havanna Jazz Festival. Er trat in einem Trio auf, in dem auch die Nordamerikaner Charlie Haden und Paul Motian waren.

Eine schöne Geschichte: Bekannter Bassist hört namenlosen Pianisten, zeigt heißes Interesse am gemeinsamen Spielen und zieht sich mit ihm tagelang in ein lausiges Uralt-Tonstudio zurück. So geschehen beim "Havanna Jazz Plaza Festival" 1986, wo Charlie Haden - wie er lakonisch im Covertext vermerkt, "Statt des sonst üblichen Dizzy Gillespie" - mit seinem Liberation Music Orchestra als US-Repräsentant eingeladen war. Haden musste lange auf ein zweites Treffen mit dem jungen Kubaner warten: Wegen des US-Embargos kubanischer Künstler war es Rubalcaba zunächst nicht vergönnt, mit Haden zu Aufnahmen in die USA zu reisen. Erst ein paar Jahre später konnten die beiden ihren Traum von gemeinsamen Aufnahmen realisieren und spielten zusammen mit Paul Motian zwei Live-Alben ein. Eines wurde 1989 beim Jazzfestival in Montréal, Kanada, mitgeschnitten, zu dem ihn Haden eingeladen hatte, aber erst 1997 unter dem Titel "The Montréal Tapes: Charlie Haden with Gonzalo Rubalcaba & Paul Motian" veröffentlicht. Das andere, ein Mitschnitt vom 1990er "Montreux Jazz Festival", erschien 1991 als "Discovery".

Durch Haden und eben diese Aufnahme kam er auch in Kontakt mit dem Blue Note Records- Präsident Bruce Lundvall und so begann eine Zusammenarbeit mit – zuerst dem japanischen Blue Note Ableger wegen des US-Boykotts gegenüber Kuba und später mit Blue Note USA. Noch im selben Jahr wurde in Kanada - mit dem Schlagzeuger Jack DeJohnette anstelle von Paul Motian - Rubalcabas erstes Sudioalbum für Blue Note aufgenommen: "The Blessing". Diese ersten Blue-Note Alben zeigen schon offensichtlicher den Jazz-Pianisten Gonzalo Rubalcaba, wenn auch die technische Seite seines Spiels noch sehr vordergründig ist. Gonzalo hatte im November 1986 geheiratet (einem für ihn sehr ereignisreichen Jahr!). Er und seine Frau Maria zogen 1990 nach Santa Domingo in der Dominikanischen Republik (seit 1996 leben sie in Florida und haben inzwischen drei Kinder von 8, 12 und 14 Jahren). Als er 1992 in Madrid mit seiner neuformierten Band Proyecto Latino seine "Suite 4 Y 20" für Blue Note auf Platte bannte, war Charlie Haden als Gast bei einigen Stücken wieder mit dabei. Im Laufe der nächsten Jahre folgten immer neue aufregende Platten wie eine Hommage an Dizzy Gillespie ("Diz") oder die gewaltige Latin-Jazz-Suite "Antiguo", auf der er die Summe seines bisherigen Spiels und all seiner Einflüsse zog. Auffallend immer wieder seine bestechende, dabei aber wie selbstverständlich wirkende, Virtuosität. Bei genauerem Hinhören fallen aber auch große Besonderheiten in der Melodik auf, einer Melodik, die zwischen den Stilen hin und her springt – beginnend in der Sprache des modernen Jazzs, dann nahtlos in klassische oder kubanische Formen übergeht, als mache der Pianist zwischen ihnen keinen Unterschied.

Stil

Trotz seiner großen Bandbreite gilt Gonzalo Rubalcaba aber heute eindeutig als Jazzpianist. Aufgrund seines afrokubanischen Backgrounds und seiner früheren Percussion-Ausbildung spielt die Rhythmik in seinem Spiel eine wichtige Rolle. Er selbst sieht das Piano auch „als Teil der Percussion-Familie“. Ungeheuren rhythmischen, melodischen und harmonischen Einfallsreichtum zeigte er auch in „The Trio“ mit Brian Bromberg und Denis Chambers, indem er Jazzstandards ‚zerlegt’ und als völlig neue sehr eigene Stücke wieder zusammenbaut. Endlich - mit "Inner Voyage" leistete sich Gonzalo Rubalcaba eine Reise nach innen, forschte nach den Nuanchen - und erst da, mit dem Erlernen der Kunst des Innehaltens, der Macht der Pausen, wurde der heute 40-Jährige zu einem der bedeutendsten Pianisten des Jazz. In „Nocturne“ – ebenfalls einem sehr intimen Album, nahmen Charlie Haden und Rubalcaba 2002 kubanische und mexikanische Boleros auf - für Rubalcaba eine Art Tribut an die ältere Generation Kubas, Auch wollte er vermitteln, das „Latin-Musik“ nicht nur einfache Tanzmusik sein muß, denn es gab „großartige Komponisten, die sehr tiefe Musik mit großartigen Harmonien, Melodien und Texten geschaffen haben.“(Rubalcaba)

2001 tourte er mit vier verschiedenen Formationen u.a. im Duo mit Chick Corea, 2002 lotete er die Möglichkeiten der Trio-besetzung aus im sehr kontrastreichen „Supernova”, das neueste Album „Paseo“ knüpft nun wieder an seine elektrischeren Fusionausflüge von „Antiguo“ an – Latin-Fusion, improvisierter Modern Jazz, Rückkehr zu den kubanischen Wurzeln - Gonzalo Rubalcabas Weg ist immer ein Weg der großen Kontraste, eine ständige spannende Folge von: „Was macht er denn jetzt schon wieder?“

Zitate

Gonzalo Rubalcaba: „Ich kann nicht lange Zeit das selbe machen. Wenn ich bemerke, dass etwas Neues meinen Weg kreuzt, folge ich ihm. Das hält mich wach und beweglich. Das ist die Mission, die ich habe: mich vorwärts und Dinge in der Musik zu bewegen.“

„Mit der Zeit bekam ich die Fähigkeit, meine Musik mit verschiedensten Farben auszustatten und das ist eine Suche, die DU niemals beenden wirst. Du konzentrierst Dich Dein ganzes Leben lang darauf, verschiedene Formen zu finden, Deine Botschaft des Jazz auszudrücken. „

Diskografie (Auswahl)

  • Mi Gran Pasion (1989)
  • Discovery – Live At Montreux (1991)
  • The Blessing (1991)
  • Diz (1994)
  • The Trio (1997)
  • Flying Colors (1998)
  • Antiguo (1998)
  • Inner Voyage (1999)
  • Supernova (2001)
  • Nocturne (2002)
  • Paseo (2004)